«Um unsere Projekte zu realisieren, schicken wir die Programmierer auf den Berg.» Marc Gasser hat eine einzigartige Projektmethodik entwickelt, die er in seinem IT-Unternehmen umsetzt. Dieses Unternehmen – die Firma Astina – ist auf Prozessoptimierung im Bereich E-Commerce spezialisiert und programmiert Portale, die Daten aus dem Netz holen und strukturiert bereitstellen.
Sein Faible für Technik hat Gasser schon früh entdeckt. Als Teenager hat er Radios und Alarmanlagen auseinandergebaut. «Ich wollte wissen, wie es funktioniert», erklärt er sein frühes Hobby. Es sei allerdings besser, dass er wieder die Finger davon gelassen habe, weil zusammengepasst hätten die Einzelteile jeweils nicht mehr. Vom Basteln abgebracht hat ihn der Internetanschluss seiner Schule. Weil Gasser lernen wollte, was hinter dem Zauberwort Internet steckt, begann er sich mit Programmierung zu befassen. Bald schon beauftragten ihn Verwandte und Bekannte mit der Entwicklung von Webapplikationen; ein Artikel über seine frühe Geschäftstätigkeit in der Regionalzeitung brachte gar einen Auftragssturm mit sich. Dies führte dazu, dass Gasser – obwohl er sich mit seinem Schulkollegen Simon Morger zusammenschloss – einige spannende Projekte ablehnen musste. Die Matur wollte ja auch bestanden sein.
Kontaktort Uni
Das Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität Zürich war die logische Folge der frühen IT-Faszination. «Für mich war der Studiengang in Zürich ideal. Der Aufbau deckte sich mit meiner Vorstellung, dass IT und Wirtschaft so stark miteinander verknüpft sind, dass man die beiden Gebiete nicht getrennt betrachten kann», erklärt Gasser. Während des Studiums lernten Gasser und Morger die beiden Mitstudenten Matthias Alder und Philipp Kräutli kennen. Auch sie hatten sich bereits vor dem Studium mit Software-Entwicklung selbständig gemacht. Versuchsweise arbeiteten die vier zusammen und merkten schnell, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere gleich
ticken. Vom Erfolg beflügelt gründeten die Jungunternehmer 2005 Astina. «Wir konnten relativ komfortabel starten, ohne grosses Risiko, weil jeder der vier Partner schon Kunden mitbringen konnte», beschreibt Gasser die Anfangsphase. Die Kundengewinnung lief über Mund-zu-Mund-Propaganda, was sich bis heute nicht geändert hat. Das funktioniert so gut, dass die Firma seit ihrer Gründung ständig gewachsen ist und mittlerweile 13 Personen beschäftigt. Der Erfolg des Unternehmens zeigt sich auch beim Weihnachtsmenü im Stammlokal: Gab es anfangs noch Bratwurst mit Rösti, ist man mittlerweile bei Rindsfilet mit Kartoffelgratin angelangt. «Der Wirt hat sogar versprochen, sich für nächstes Jahr etwas Spezielles zu überlegen», so Gasser lachend.
Auf den Berg
Schliesslich erklärt Gasser seine Berg-Projektmethodik noch etwas genauer. Für ein Projekt wird mit dem Kunden eine genaue Spezifikation ausgearbeitet, die bis zu einem bestimmten Datum fertig sein muss. Mit dieser Spezifikation kann der Kunde dann auch Konkurrenzofferten einholen. Wird das Projekt von Astina umgesetzt,
packen die Programmierer ihre Koffer und reisen für ein paar Tage «auf den Berg». Dies ist durchaus wörtlich zu verstehen, den Mitarbeitern steht eine Entwicklungsumgebung in den Walliser Alpen zur Verfügung. Dort können sie sich ganz auf das eine Projekt konzentrieren. Störfaktoren und Unterbrechungen, wie sie im Büro ständig vorkommen, werden so ausgeschaltet, und die Umgebung lässt Raum für Kreativität. Das Ziel dieser Phase, die je nach Projektgrösse zwischen fünf und zehn Tagen dauert, ist eine lauffähige Version der Software zu erstellen. Die Mitarbeiter erhalten dazu Hotel, Essen und sogar Wellness bezahlt. Gasser ist vom Resultat begeistert: «Die entstandenen Lösungen sind faszinierend. Die Mitarbeiter sind extrem motiviert, bereiten sich extra auf einen solchen ‹Sprint› vor. Und die Kunden sind vom Resultat auch überzeugt.» Allerdings brauche es am Anfang, gerade bei grösseren Unternehmen, die klassische IT-Projekt-Management-Prozesse kennen, etwas Überzeugungsarbeit. Die leistet Astina unter anderem damit, dass sich das Unternehmen vertraglich zu einem Preisnachlass verpflichtet, falls die gesetzten Termine nicht eingehalten werden.
Lehrer Gasser
Um am Puls der Zeit zu bleiben, engagiert sich Gasser zudem in der Ausbildung. Während eines Praktikums im Rahmen seiner Handelslehrerausbildung hat er an einem Zürcher Gymnasium Informatikunterricht gegeben. Dabei hat Gasser seine Begeisterung fürs Unterrichten entdeckt und ist nun als Informatiklehrer angestellt. Den Jugendlichen lehrt er aktuell Grundlagen in den Bereichen Netzwerktechnik, Dienste, Sicherheit und Verschlüsselung.
Einen Ausgleich zur Arbeit findet Gasser im Sport, am liebsten beim Snowboarden oder Segeln. Aber auch Joggen hilft ihm, den Kopf zu lüften. Dabei habe er oft die besten Ideen. Wenn er danach ins Büro komme und seinen Jungs von seinen neusten Projektideen erzähle, komme dann aber schon auch mal die Bemerkung «Marc, das ist Blödsinn». Das sei gut und hole ihn wieder auf den Boden zurück. Nichtsdestotrotz sei auch schon das ein oder andere Projekt draus entstanden, schliesslich investiere die Firma 20 Prozent ihrer Arbeitszeit in den Bereich Forschung und Innovation. Bei solchen Projekten legt die Firma grossen Wert auf die Zusammenarbeit mit Hochschulen. «Einerseits sind wir so bei Innovationen vorne mit dabei, andererseits lernen wir spannende Leute kennen, die vielleicht unsere zukünftigen Mitarbeiter sind», erzählt Gasser mit einem Zwinkern.
Marc Gasser
Im idyllischen St. Galler Rheintal aufgewachsen, beginnt Marc Gasser noch vor seiner Wirtschaftsmatur Webapplikationen zu programmieren. Während des Studiums der Wirtschaftsinformatik an der Universität Zürich lernt der 28-Jährige seine späteren Geschäftspartner kennen. Gemeinsam gründen sie 2005 Astina, ein IT-Unternehmen, das auf Prozessoptimierung im Bereich E-Commerce spezialisiert ist. Das Unternehmen zählt mittlerweile 13 Mitarbeiter, zwei weitere werden aktuell gesucht. Ein Jahr seines Studiums absolvierte Gasser in Schweden. «Die Firma musste darunter aber nicht leiden, für die war es, als ob ich ‹auf dem Berg› sei. Per Remote-Zugriff konnte ich jederzeit arbeiten.» Während seines Austauschjahres hat er gelernt, dass verschiedene Kulturen unterschiedlich miteinander kommunizieren: «Die Schweizer formulieren eher weich, meinen es aber trotzdem hart.»