Nach dem Zerschlagungsurteil: Microsoft spielt auf cool

8. Juni 2000

   

Richter Jackson ist gestern abend wie erwartet hart geblieben und hat als Strafmass für das monpolistische Gebahren von Microsoft die Zerschlagung des Konzerns in zwei Unternehmen – je eines für Systemsoftware und für Applikationen – verfügt. Dies sei die einzig mögliche Konsequenz aus dem Kartellrechtsprozess, schloss sich Jackson der Clinton-Regierung an. Mitgespielt habe für ihn auch die Uneinsichtigkeit Microsofts nach der ersten Urteilsverkündung am 3. April.

MS muss nun innert vier Monaten einen Plan für die effektive Aufsplittung vorlegen, die in spätestens zwölf Monaten vollzogen sein soll. Die beiden neuen Firmen dürfen sich nicht bevorzugen und keine technischen Informationen über Dinge wie Programmierschnittstellen austauschen, ohne dass diese nicht auch gleichzeitig den Konkurrenten zur Verfügung gestellt werden. Die Teilung muss dann für mindestens zehn Jahre in Kraft bleiben.


Microsoft wird nun wie angekündigt in die Berufung gehen. Jackson könnte den Fall entgegen der Absicht von Bill Gates direkt an den Supreme Court weiterleiten, während Microsoft lieber zuerst an das Washingtoner Appelationsgericht gelangt wäre, das sich schon früher MS-freundlich gezeigt hatte. Das endgültige Urteil könnte damit frühestens in einem Jahr kommen.

Der deutsche MS-Chef Rudolf Gallist ist in einer ersten Stellungnahme zuversichtlich und vergleicht das kommende Berufungsverfahren mit dem Kartellprozess gegen IBM – der habe 13 Jahre gedauert, und IBM sei schliesslich unbeschadet hervorgegangen. Microsoft sehe etwa in den Finding of Facts des Richters "diverse Widersprüche, bei denen werden wir mit unserem Einspruch ansetzen." So komme darin der Aspekt des Schadens für die Nutzer viel zu kurz.

So richtig glaubt man offenbar noch nicht daran, dass das schärfste Kartellurteil seit der Zerschlagung von AT&T vor 18 Jahren wirklich in Kraft tritt. Die MS-Aktie stieg jedenfalls gestern erstmals seit langem wieder über 70 Dollar – allerdings wurde das Urteil auch erst 30 Minuten nach Börsenschluss bekanntgegeben.

Das Urteil wurde auf dem Internet publiziert. (mvb)


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