Am 30. Mai wurde in Bern jene Betriebsgesellschaft gegründet, die das bisher mit dem Arbeitsnamen «KMU-Portal» bezeichnete Projekt von
Swisscom, UBS, Valora, Mobiliar und Schweizerischer Gewerbeverband managen wird. Die neue Firma heisst Plenaxx.com AG, das Portal wird ebenfalls Plenaxx heissen. Nach dem Willen der Gründerparteien wird es alle bisherigen B2B-Projekte in der Schweiz in den Schatten stellen.
Gewichtige Player, gewichtige Investitionen
An Kapital fehlt es jedenfalls nicht: Die vier kommerziellen «Parents» schiessen 99% des Aktienkapitals von fünf Mio. Franken ein. Das restliche Prozent hält der Schweizerische Gewerbeverband SGV. Diese fünf stellen auch den Verwaltungsrat. CEO der neuen Firma wird, wie bereits gemeldet, der UBS-Internetspezialist Markus Fischer. Den Rest der siebenköpfigen Geschäftsleitung machen Swisscom-Leute aus, ergänzt um einen Valora-Vertreter. Die vier Konzerne meinen es ernst: Laut Fischer steht ein Investitionsvolumen von 50 Mio. Franken zur Verfügung. Ziel ist, rund um die Services der vier Partner – also Telekommunikation, Finanz, Versicherung und Logistik – eine universelle B2B-Plattform für Schweizer KMUs aufzubauen.
Marktplatz der Marktplätze
Der Marktplatz soll zuerst schwerpunktmässig «horizontale» Bedürfnisse abdecken, um möglichst viele Interessenten, Unternehmen, Partnerschaften, Interessengruppen und Verbände anzusprechen, also z.B. Bürobedarf und ähnliches. Dann möchte man aber auch möglichst schnell Verbindungen zu bestehenden vertikalen B2B-Portalen und Branchenlösungen etablieren, beispielsweise zum «D-net»-Garagen-Webmarkt des Auto-Ersatzteilanbieters Derendinger.
Mit diversen Anbietern werden bereits intensive Gespräche geführt. Natürlich werden die E-Channels und Services von UBS,
Swisscom, Valora und Mobiliar im Portal ständig präsent sein. Die Plattform steht aber grundsätzlich auch Konkurrenten der vier Gründer sowie Drittanbietern offen, so CEO Fischer. Ein wichtiger Supporter von Plenaxx dürfte der Gewerbeverband mit seinen rund 240’000 Mitgliedern sein. Aber Plenaxx will auch sonst praktisch alles erschliessen, was Rang und Namen hat, so das Telekurs-Paymentsystem Paynet (das sich derzeit verselbständigt), die Wirtschafts- und Handelsförderungsorganisationen Seco, Osec und Swiss Export, aber auch Universitäten und Fachhochschulen.
Start im Oktober mit Office-Dienstleistungen
Plenaxx.com soll – nach einem Pilotbetrieb im Juli/August – am 29. September an der Orbit Comdex vorgestellt werden und im Oktober live gehen. Es werden mehrere «Paketlösungen» angeboten: Der Firmen-User soll seinen Arbeitsplatz quasi komplett ins Portal übernehmen können, inklusive E-Mail, SMS, Telekommunikation, Kalender und File-Ablage – hier werden die schnellen ADSL-Internetzugänge der
Swisscom eine wichtige Rolle spielen, deren Einführung ab Sommer geplant ist. Basisangebote für den persönlichen Gebrauch sind gratis und dienen als Teaser für weitergehende, gebührenpflichtige Offerten wie das Intranet mit Gruppenkalender, Member & Project Management und ähnlichen Services, welche Firmen in Plenaxx aufbauen und benützen können, ohne dafür eigene Netzwerk-, Applikations- oder Service-Infrastruktur zu benötigen.
E-Procurement ab Frühjahr 2001
Der zweite Schritt, geplant auf die iEX 01, soll dann Beschaffung von Gütern, Daten und Leistungen, Handel zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten, inklusive Features wie End-to-End-EDI (Formularaustausch) via Web, ermöglichen. Hier möchte Plenaxx möglichst viele E-Shops, Plattformen und Communities einbinden. Am Gelingen dieses Vorhabens wird sich wohl auch das Portal messen müssen. Plenaxx hat Pricewaterhouse Coopers als Partner für die Anbindung von Dienstleistungen in den Bereichen Treuhand, Revision und Unternehmensberatung gewonnen, so der designierte Plenaxx-Chef Fischer.
Eine Grube fürs Datamining
Ein weiterer Grund könnte sein, dass die vier Betreiber stark auf CRM und E-Marketing setzen: die Produkt-Manager von Grossbetrieben, aber auch die Risk-Manager von Banken und Versicherungen etwa seien ganz begeistert von der Aussicht, das Geschäftspotential oder die Bonität ihrer Kunden so direkt im Blickfeld zu haben. Fischer sieht hier auch keine Probleme mit dem Datenschutz. Die Daten blieben grundsätzlich und vollumfänglich geschützt in der Betriebsgesellschaft, und sie würden nicht an Dritte weitergegeben. Hingegen könnten Anbieter auf dem Portal ihre Angebote spezifisch darreichen, so dass eine hohe Affinität zur Nachfrage und damit eine entsprechende Wahrscheinlichkeit für deren Benützung erzielt würde.
Spannend wird es auf jeden Fall: Kann Plenaxx so überzeugende wirtschaftliche Vorteile ins Feld führen, dass man gegen den SAP-Markt bestehen kann, der zumindest derzeit das Argument «Alles aus einer Hand» für sich hat? Und ist das Potential für B2B-Märkte überhaupt so gross wie erhofft? Die Marktforscher sind sich da ja plötzlich sehr uneins geworden. (mvb)
Offene Schnittstellen
Technisch setzt das Portal unter anderem auf Netscape und SUN/Solaris auf. Bei der eigentlichen B2B-Software will man sich hingegen nicht auf einen einzelnen Anbieter wie Ariba oder CommerceOne stützen, sondern baut auf standardisierte E-Procurement-Services, welche durch entsprechende Gremien oder andere B2B-Märkte bereitgestellt werden. Warum aber nicht mit
SAP bzw. deren Tochter SAPMarkets arbeiten, die immerhin schon einen B2B-Markt («mycatalogpool.com») in der Schweiz im Testbetrieb laufen hat?
Partner im Schweizer SAP-Markt sind grosse Anbieter wie
IBM, Compaq,
Distrelec, Waser, Rüegg Nägeli und ABP aber auch Branchenspezialisten wie Brütsch Rüegger (Werkzeuge) – Anbieter also, die auch Plenaxx anpeilt. Fischer betont jedoch, dass man mit Plenaxx grundsätzlich «offen» bleiben und Businesspartner nicht auf bestimmte Administrationssysteme und Schnittstellen wie SAPs «OCI» festlegen wolle. Wichtig sei, dass die KMUs den Zugriff auf die von ihnen im Tagesgeschäft verlangten generischen Funktionen («finden», «evaluieren», «beschaffen», «bezahlen», «ausliefern» usw.) bekommen, und zwar möglichst modular, offen und auf ihre Geschäftsprozesse bezogen integrierbar.