ITR: Wie habt ihr den Wechsel vom Client/Server- zum Internet-Business vollzogen, wie erste Erfahrungen mit dem Internet gemacht?
EF: Wir haben 1996 einen Bekannten für einen Cybershop überzeugen können. Und zwar, indem wir eine Vereinbarung trafen, dass er mit den Umsätzen, die er mit unserem E-Shop erzielt, unsere Arbeit abzahlen kann. So haben wir einen Wineshop gemacht, der damals vermutlich der erste Schweizer Shop mit Warenkorb und allen Schikanen gewesen sein dürfte. Da kassieren wir heute immer noch Wein dafür. Dann konnten wir für die TNC die Homepage machen. Wir sind schnell zu Beratungsmandaten gekommen, auch bei grösseren Kunden. So etwa Lindt und Sprüngli oder Novartis im Intranetbereich. Dann kam der Stein ins Rollen.
ITR: Ihr macht jetzt also vor allem Internet-Projekte?
EF: Ja, wir machen Webprojekte, bei denen meistens Datenbanken dahinter stehen. Sehr viel im Intranetbereich oder E-Commerce. Bei grösseren Kunden auch im Intranet-Bereich.
ITR: Und ihr habt einen Shop entwickelt. Wieso macht eigentlich jeder Entwickler einen Cybershop?
EF: Es lohnt sich, wiederverwendbare Module zu entwickeln, mit denen man Projekte effizienter abwickeln kann.
ITR: Braucht ihr den Shop nur selbst oder verkauft ihr den auch?
EF: Im Moment noch nicht. Wir sind allerdings in Gesprächen mit europäischen Partnern, um gegenseitig Produkte auszutauschen. Da die Kundschaft europäischer agieren muss, verlangt sie auch immer mehr grenzüberschreitende Betreuung. Da sind Partnerschaften angesagt.
ITR: Wie löst Ihr das Problem? Mit Partnerschaften oder ist eine Übernahme in Sicht?
EF: Konsolidierung durch Übernahme ist eine Möglichkeit. Partnerschaften, wo man mit gemeinsamen Kapitalbeteilungen verbunden ist, sind eher, was wir verfolgen.
ITR: Ihr stellt Euch nicht bei einem der Grossen unter.
EF: Das kommt drauf an. Wir werden uns z.B. sicher nicht bei Pixelpark, die wie verrückt am Ressourcen aufkaufen ist, unterstellen. Ein mögliches Modell ist aber ein netzwerkartiger Verbund von Firmen mit einem gemeinsamen Kapitaldach, wo wir massiv Shareholder wären. Wir sehen nicht Selbständigkeit um jeden Preis. Wichtig ist uns aber sicher, autonom zu bleiben. Mit eigener Firmenkultur, um eigene Erfolgspotentiale nutzen und auch am Erfolg partizipieren zu können. Ich habe aber keine Berührungsängste, um Synergien auf internationaler Ebene zu nutzen.
ITR: Also für Personal- und Produktressourcen?
EF: Das sind Ressourcen in Form von Personalaustausch, Geld (Working Capital), und Technologie-Know-how.
Also Module oder Objekte, wiederverwendbare Codes, Produkte, die andere schon entwickelt haben, die man zusammen aber zu einer besseren Marktreife bringen kann. Da sehe ich viele Vorteile.
ITR: Thema Partnerschaften. Macht ihr das Publishing selber?
EF: Nein, relativ wenig. Wir haben gewisse Kapazitäten, machen aber viel mit Outsourcing. Wir fokussieren uns auf höherwertige Leistungen, die mehr Know-how brauchen.
ITR: Welches sind Eure einträglichsten Geschäftsfelder?
EF: Projekte, wo wir wenn möglich nach Aufwand arbeiten können (schmunzelt), da dort die Risiken am kleinsten sind. Intranetprojekte, wo wir unsere Module wiederverwenden können.
ITR: Wie hoch ist der Umsatzanteil von Supportleistungen?
EF: Heute deutlich unter 10 Prozent. Support und Maintenance bauen wir aber immer mehr aus. Wie bei allen jungen Unternehmen war auch bei uns Support am Anfang verpönt. Bis in drei, vier Jahren wollen wir aber 40 bis 50% über Wartung machen.
ITR: Wie steht es mit Web-Hosting? Das ist ja ein Feld, das auch von den Grossen stark beackert wird. Wenn man bedenkt, wie jetzt die Hosting-Center aus dem Boden gestampft werden. Könnt ihr da mithalten?
EF: Hosting kann ein Teil sein. Hier sehen wir aber klar Konsolidierungen auf europäischem Niveau, weil sich das für uns im Moment nicht rentabel betreiben lässt. Dafür sind die Volumen zu klein. Und doch müssen wir kundenspezifische Facilities anbieten, da für unsere Produkte bei einer
Swisscom oder
Sunrise das Know-how fehlt. Das ist eine Entwicklung, auf die wir flexibel reagieren müssen. Entweder man schliesst sich mit europäischen Partnern zusammen oder macht gute Agreements mit einem Grossen. Dass wir auf Systemadministrations-Ebene Zugriff haben, ist zwingend.
ITR: Wie siehts mit Hardware-Verkauf aus?
EF: Wenig, da es mit Grosskunden nicht die Regel ist. Die haben ihre eigenen Kanäle, wo sie Hardware und Lizenzen beziehen. Bei den mittleren Kunden kann es sein, dass wir über Distributoren Ware beziehen und ganze Systeme liefern. Allerdings ist da klar die Regel, dass die ganze Betriebssystemwartung nach Möglichkeit nicht bei uns liegen soll.
ITR: Alle haben Personalprobleme? Wie löst ihr die?
EF: Ich sehe die Lösung nicht durch Übernahmen, sondern mit Personalakquisition durch Personalberater, bei Fachhochschulen, attraktive Arbeitsbedingungen und ein attraktives Salärsystem.
ITR: Was heisst das? Habt ihr ein Beteiligungsmodell?
EF: Ja, wir haben diesen Frühling ein Beteiligungsmodell eingeführt. Die Mitarbeiter halten in einem ersten Schritt fünf Prozent der Aktien. Wichtig ist uns aber die Firmenkultur. Mitarbeiter müssen transparent informiert werden und in Entscheidungen miteinbezogen werden. Von den Bewerbern, die wir haben, sagen uns 70 Prozent zu. Das halte ich für eine gute Quote. Es gibt natürlich auch solche, denen wir absagen müssen.
ITR: Habt Ihr Erfahrung mit Outsourcen von Programmierung?
EF: Wir haben Testprojekte mit Indern und Tschechen. Mit den Indern sind schon in den ersten Phase Missverständnisse aufgetaucht, die werden kein Resultat liefern. Bei den Tschechen sieht es recht professionell aus. Die Businesskultur und Kommunikationsattitüden sind uns einfach kulturell näher. Ich kenne einige Fälle, wo man sich darauf verlassen hat, dass die Probleme in Indien schon gerichtet werden. Outsourcing setzt aber hohe Ansprüche an die Requirement-Specification. Ein Inder hat einfach keinen Bezug wie z.B. eine Schweizer Krankenkasse funktioniert. Wir versuchen hier eine sehr disziplinierte Schiene. D.h. wir bestellen nur auf Modulbasis, nicht ganze Anwendungen. Die setzen wir zusammen. Ob das für uns ein erfolgreicher Weg ist, wird sich zeigen.
ITR: Jetzt seit ihr 34 Leute, vor fünf Jahren ward ihr noch zu dritt. Wie geht’s weiter?
EF: Wir planen das Wachstumstempo zu verstärken. Dazu müssen wir Strukturen schaffen, um aus der Pionierphase herauszukommen, die Pubertätsphase zu verlassen. D.h. wir setzen jetzt Strukturen auf, wo der Chef nicht mehr alles selber macht. Wir schaffen jetzt drei Divisions für Consulting, Produktionsentwicklung und Operation/Support. Ende 2001 werden wir 100 Leute sein.
«Pionierphase heisst andauernder Alarmzustand.»
ITR:Wenn man so schnell wächst, gibt es doch immer einen Kern von Mitarbeitern, der von Anfang an dabei war. Aber neue Leute können sich nicht mit der Pionierzeit identifizieren. Wie geht man bei Quaras mit dieser Tatsache um?
EF: Erstens muss man diese Tatsache einfach akzeptieren. Und das ist sicher auch bei uns so. Zweitens bedeutet das aber auch eine Normalisierung des Zustands. Pionierphase heisst auch andauernder Alarmzustand, man improvisiert ständig. Je mehr Leute es sind, desto mehr fällt zwischen Stuhl und Bank. D.h. es braucht mehr Organisationsstrukturen. Wichtig ist, dass man Leute aus der Pionierphase mitnehmen kann. Das gelingt uns bis jetzt. Das steht und fällt auch damit, ob die Präsenz der drei Partner gewährleistet ist. Es gibt einzelne, die mitwachsen, die Verantwortung übernehmen können. Wir sind jetzt daran, Kaderjobs zu schaffen. Quaras ist mein zweiter Start-up. Den ersten habe ich bis auf 75 Leute aufgebaut. Ich habe diese Erfahrungen
Also schon mal gemacht.
ITR: Welche Firma war das?
EF: Pidas Business Computer Systems. Die haben inzwischen über 400 Leute und agieren weiterhin erfolgreich am Markt.
ITR: Was macht Quaras im 2001, was in fünf Jahren?
EF: Wir werden verstärkt im Grosskundenbereich aktiv sein. Bei den ersten Projekten handelte es sich um 10‘000 Franken. Da hat man versucht, etwas zu sehen an der Oberfläche. Dann waren es 30-60‘0000 Franken, da wollte man nicht nur was sehen, sondern auch was funktionieren sehen. Und nachdem auch das ging, gibt es jetzt viele Projekte zwischen 100‘000 und 250‘000 Franken. Die Budgets gehen bald in den siebenstelligen Bereich.
ITR: Ihr stürzt Euch
Also nicht wie viele andere Web-Firmen auf KMUs? Kein Thema für Euch?
EF: Die Komplexität des Umfelds ist in Grossunternehmen ganz anders. Da “Webbuden” auch KMUs sind, fühlen sich viele mehr zu Hause bei KMUs. Vom Projektmanagement her ist es anders. Nicht, dass es einfacher wäre, aber anders. Wir fokussieren auf die Grösseren, da diese massive Investitionen im Web-Bereich machen. Wenn man schaut, was z.B. eine Zürich Versicherung, die Rück oder was alle Banken machen. Das sind Dutzende von Millionen Umsätze. Die brauchen Dienstleister, die das machen. Interne wie externe. Da wollen wir mithalten.
(Interview: mh)
Essi Fischer zu:
• Java
Wir sehen im Finanzbereich, wo es in Richtung Transaktionsbewältigung geht, ein klares Bedürfnis nach Java. Da kommen wir mit MS nicht rein. Wenn ein Laden, der sich in Java gut auskennt, sich bei uns anschliessen möchte, würden wir uns das sicher sehr gut überlegen.
• Broadvision
Nein, kein Thema. Könnte aber noch werden. Broadvision ist bei vielen kein Thema, weil die Eintrittshürde zu hoch ist. Wir reden im europäischen Verbund darüber. Aber das sind Sachen, die im Evaluationsstadium sind.
• VoIP
Wird kommen, aber das ist für uns weniger bedeutsam. Das sind relativ simple Technologien, die wir geliefert bekommen. Wenn man so will, ist es für uns ein besserer Link, den wir einbauen müssen, damit z.B. von einer Website eine Stimme aufgerufen werden kann. Voraussetzung ist natürlich, dass es hintendran funktioniert. Dies wiederum ist nicht unser Problem, das müssen die Technologielieferanten lösen.
•
Microsoft,
Novell, Unix, Linux
Weil bei der Technologie auch Fokussierung angesagt ist, haben wir uns früh auf Microsoft konzentriert. Wir denken, dass wir insbesondere im Intranetbereich hervorragend positioniert sind, da die Integration im Office-Bereich am einfachsten ist. Windows NT Know-how war immer schon vorhanden. Linux nicht. Wenn schon, dann wäre Unix ein Thema
Netware kann man vergessen, der Markt fragt nicht mehr danach, Windows NT hat sich durchgesetzt. Mit Netware haben wir nichts mehr zu tun. Darüber haben wir vor vier Jahren spekuliert. Für Produkte wie NDS hat Novell sicher ihre Daseinsberechtigung, aber wir arbeiten auch bei Directories immer mit MS-Produkten.
• ASP
Wir bewerben uns zur Zeit für ein Projekt, wo für Gemeinden gemeinsame Software gemacht wird und wo alle Transaktionen im Internet gemacht werden müssen. Wir haben selber Diskussionsforen, die man bei uns anmieten kann.
Also Website-Bestandteile, die ASP-mässig funktionieren, machen wir schon. Ich glaube das wird sich weiter verschärfen. Ich kenne selbst nur wenig konkrete Anwendungen. Aber alle beschäftigen sich damit und fast alle bieten mehr oder weniger dilletantische Versuche an. Wir beabsichtigen aber auf jeden Fall, vermehrt transaktionsorientiert Einnahmen verbuchen zu können und da ist ASP sicher ein Teil davon. Aber eine klar definierte Strategie ist auch bei uns noch nicht vorhanden.
• MS-Aufspaltung
Uns egal, da es nicht draufankommt, von welcher Firma wir die Produkte bekommen. Ausserdem geht es nicht so schnell, wie man jetzt darüber redet.
Ich lasse mich nicht verrückt machen deshalb. Ein Windows NT und 2000 wird es weiterhin geben, einen Browser mit hohem Marktanteil ebenso. Da müssen wir jetzt schon schauen, dass es auch auf Netscape läuft und auf Serverebene spielt es keine Rolle.
Offenere Schnittstellen nach aussen könnte einen Vorteil bedeuten, Gefahren sehen wir keine. Aber erfahrungsgemäss macht es die Sache nicht einfacher, wenn es mehrere Anbieter gibt. Es liegt in der Eigenheit von Technologien, dass man Standards braucht. Da gehen halt First Movers voran und die Anwender gerne hinterher. Was sich wiederum keiner wünscht, ist ein Monopol, da man für die Produkte zuviel bezahlen muss.