Exklusiv-Interview Holger Lampatz: «Im Jahr 2000 erleben wir das absolute Worst-Case-Szenario»

Der Gründer und CEO des deutschen Herstellers Maxdata, Holger Lampatz, nimmt in einem Exklusiv-Interview mit IT Reseller Stellung zur Zukunft des PC-Marktes und von Maxdata.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/21

     


IT Reseller: Wie sehen Sie den PC-Markt in diesem und im nächsten Jahr?

Holger Lampatz: Der Markt im Geschäftsbereich ist in Deutschland erstmals rückläufig im Vergleich zum Vorjahr. Das Wachstum ist Also nicht nur kleiner als angenommen. Früher brachen schon Welten zusammen, wenn das Wachstum statt den prognostizierten 20 nur 15 Prozent betrug.
Ende 98, Anfang 99 hatte das Corporate-Segment wegen der prognostizierten Jahr-2000-Probleme relativ hohe Wachstumszahlen. Bei den grossen Corporate-Resellern sah man danach aber eine relativ schwache Nachfrage.
Beim Mittelstand ging man davon aus, dass dort nicht strategisch gedacht würde und es in der Folge dann zu einem super 4. Quartal kommen würde. Das glaubten wir alle, ich auch. Aber wie Sie wissen, ersetzt Planung den Zufall durch den Irrtum. Wir standen im vierten Quartal in kurzen Hosen da und stellten fest, ‘die kaufen ja gar nicht.’ Erschwerend kam dazu, dass das Jahr-2000-Problem eben überhaupt kein Problem war. Der Mittelstand sagte sich, ‘ich muss ja gar nicht kaufen, es geht auch so,’ und war fürs Erste glücklich und zufrieden.
Die Grossindustrie hat nach dem Jahrtausendwechsel erstmal Überstunden abgebaut. Die Prozesse, wie die Budgetplanung, standen Anfangs 2000 gar nicht auf Beschaffung. Ausserdem war vor dem Jahreswechsel tüchtig investiert worden. Der Investitionsdruck war also gar nicht so gross.
Wir sehen heute, dass das Jahr 2000 im Business-Bereich von einer Nachfrageschwäche geprägt ist, die sich durch das ganze Jahr zieht. Wenn Ihnen jemand anders etwas anderes erzählt, dann schwindelt er oder ist nicht gut informiert.
ITR: IBM aber sagt zum Beispiel, die erste Hälfte 2000 sei schlecht gewesen, die zweite hingegen gut.
HL: Das sagen andere auch. Wir sagten schon im Mai: ‘Das wird ein schweres Jahr’. Dann kam noch die Euroschwäche dazu. Und was ist passiert? Dell machte vor zwei Wochen eine Gewinnwarnung und die Aktie brach brutal ein. Jetzt sagt man plötzlich, das Q4 werde auch schwach. Wir haben das schon im Mai gesagt, und man hat uns dafür an der Börse abgestraft. Mit so einer Strafe muss man eben leben.
Jede Medaille hat zwei Seiten. Wenn man an der Börse notiert ist, hat man auf der einen Seite die wunderbaren Finanzinstrumente und die Unabhängigkeit von den Banken. Aber man ist auch abhängig von Meinungen der grossen Fonds und Medien.
Im letzten Jahr führten wir die Maxdata-Aktie zu 31 Mark ein. Sie ging runter auf 17 Mark. Wir haben viel gemacht und gekämpft und zur Cebit brachten wir sie glücklich auf 34 Mark.
Und dann sind seit Februar die Aktienkurse aller PC-Hersteller gefallen. Dazu kommt, dass wir am Neuen Markt sind. Die Durchschnittskurse sind dort seit März um 60 Prozent gefallen. Wir sind PC-Hersteller, wir erleben die Nachfrageschwäche im Business-Bereich und sind vom niedrigen Euro betroffen. Das ist zusammen der absolute Worst-Case. Das sind kriegsähnliche Zustände. Es geht nicht mehr darum, wieviel Gewinn man macht, sondern wie man heil wieder raus kommt aus dieser Lage. Und in diesem Umfeld bewährt sich unser einzigartiges Geschäftsmodell – und wir machen Gewinne!

ITR: Wann wird sich die Situation verbessern?

HL: Der Mittelstand hat Kostendruck. Er hat ins Jahr 2000 investiert, muß in den Euro investieren und jetzt kommt noch das Thema Internet. Da wird zwar noch viel Mist gemacht, aber es wird trotzdem investiert. Der Mittelstand dachte, er könne mehr verkaufen über das Internet, doch bis jetzt hat er nur investiert. Auch wenn das mit dem Mehrverkauf noch nicht läuft, weiß der Mittelstand, daß er in Internet-Technologien investieren muß. Aber seine Mittel sind limitiert. Also nutzt man die PCs einfach länger. Es wird ein Investitionsschub kommen, aber nicht in der ersten Hälfte 2001.

ITR: Wie wirkt sich die Euroschwäche für Maxdata aus?

HL: Der Euro hat im Jahr 2000 etwa 25% an Wert verloren. Das bedeutet für uns, daß die Durchschnittspreise hochgehen. Das ist zunächst erfreulich. Aber die Stückzahlen gehen runter. Und der Euro ging so schnell runter, daß wir mit den Kalkulationen kaum noch nachkamen. Der Markt konnte die Preise nicht an den Dollar anpassen. In dieser Situation haben alle Unternehmen Marge eingebüsst.
Vergessen wir doch nicht: Der Euro ist heute noch eine virtuelle Währung. Die Leute denken in Mark. Auch 2001 wird der Euro noch sehr volatil sein, möglicherweise mit steigender Tendenz. Das ist zwar schwierig zu managen, das Geschäft wird aber planbarer und die Risiken werden kleiner.

ITR: Wie beeinflusst Sie der Börsenkurs?

HL: Früher war unser Firmenwert gar nicht transparent. Wir gingen ja nicht zum Wirtschaftsprüfer und fragen ihn nach dem Wert der Firma. Jetzt sind wir an der Börse, der Kurs ist mal bei 31, mal bei 18.
Nun ist die allgemeine Spekulationsblase an der Börse geplatzt. Ich sagte immer, die Börse hat Rinderwahn. Es werden Werte von 150 Euro auf 20 runtergeprügelt. Das ist jetzt eine Überreaktion. Wir sind bei acht, neun Euro.
Ich glaube, die Börsenkapitalisierung ist unter dem Bilanzwert der Firma. Wenn wir nicht zwei Grossgesellschafter hätten, wären wir schon längst ein Fall für die Raider, die die Firma ausbeinen würden. Meine Anteile gibt es aber nur über meine Leiche, deshalb sind wir faktisch nicht gefährdet.
Wir haben eine durchdachte Strategie, ein gutes Management und unsere Firmen-PR. Der Firmenwert wird knallhart von der Börse bestimmt. Die Strategie war gestern gut, ist heute gut und morgen noch besser. Das Management war gestern gut und wird in Zukunft wohl auch gut sein. Die PR war gestern mies, weil es sie gar nicht gab. Heute ist sie mal positiv, mal negativ. Das wird so bleiben. Der Markt war in der Vergangenheit gut, ist heute negativ und wird morgen wieder positiv sein.
Der Euro war in der Vergangenheit volatil und wird in der Zukunft eher positiv sein. Wenn ich mir das anschaue, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs steigt, grösser als das Risiko, dass der Kurs auf fünf Euro sinkt. Wenn Sie mich jetzt fragen, wie ich mich bei all dem fühle, dann sage ich: ‘Ich fühle mich Klasse!’
ITR: Trotzdem: Maxdata bleibt eine Firma, die auf Intel-Produkte konzentriert ist. Diese Produkte werden irgend einmal vom Markt her unter Druck kommen. Es wird viele andere Geräte als PCs und Server geben. Wie bereiten Sie sich und Ihre Partner darauf vor?
HL: Die Welt hat sich immer verändert, Computersysteme haben sich immer verändert. Es wird alles nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Bill Gates hat gerade jetzt in Las Vegas wieder gesagt, der PC werde wichtigster Bestandteil der Unternehmensplanungen bleiben. Die UMTS-Versteigerung zeigte, dass es immer Sachen gibt, die gerade besonders hype sind. Anschliessend kommt die grosse Angst.
Jetzt haben manche Angst, dass irgendwas den PC ersetzen könnte. Das wird so nicht stattfinden. Die Unternehmen haben andere Entscheidungskriterien. Wir sehen einen Trend vom Desktop-Bereich zum Notebook.
Wenn wir über Internet-Appliances sprechen, dann ist die Frage, was sich durchsetzen wird. Die Palmtops werden noch stärker kommen. Aber zur Zeit sind sie noch recht langsam. Wenn die Geschwindigkeit am Point-of-Business da ist, werden die alternativen Geräte kommen, aber sie sind austauschbar. Die Frage wird sein: Wer hat die Geschwindigkeit, um die Geräte an denMarkt zu bringen? Wer hat den Vertriebskanal und wer hat die Infrastruktur, um die Geräte zu managen? Und da weiss ich, dass wir sehr gut aufgestellt sind.
Auch dabei ist unser Trumpf-As unser Händlerkanal. Sobald der Markt begreift, dass Internet nicht nur aus bunten Bildchen besteht, haben unsere Partner, die sich mit Servern, Vernetzung und Betriebssystemen auskennen, die besseren Grundlagen, besser als die Webagenturen. Die Bereitschaft zuzuhören und zu lernen ist heute im Händlerkanal – auch dank der kleinen Krise, in der wir stecken – grösser geworden.
ITR: Wie gross ist heute Ihr Geschäft mit Pansite? Sie haben im Mai angekündigt, dass Maxdata zum Full-Service-Provider werde und haben das als grosse Wende bei Maxdata angekündigt.
HL: Ich denke, wir haben den Trend richtig erkannt. Die Frage war, wie können wir an der Wertschöpfungskette besser teilhaben. Die Kunden wollen Lösungen. Keiner kommt heute zu einer Messe, um sich nur PCs anzuschauen. Wir haben Pansite um einen Shop erweitert. Dabei kooperieren wir übrigens mit einem Schweizer Unternehmen.

ITR: Welchem?

HL: Easy Systems. Tolles Unternehmen. Deren Shop ist schon Bestandteil der Pansite. Das Entwicklungsteam passt ebenfalls gut zu uns.

ITR: Zur Strategie soll auch ASP gehören?

HL: Wir sahen die Marktanalysen und dachten uns, ASP macht Sinn. Man muss aber früh dabei sein. Wir haben die Infrastruktur für ASP, die wir nutzen können. Wir haben ein sicheres Rechenzentrum und bauen selber Server. Wir wollen aber nicht strategisch Webhosting und ASP machen. Wir machen das, um alle Schwachstellen dieses Geschäftsfeldes zu finden.
Wir hatten hochgerechnet und eine perfekte Argumentationskette entwickelt. Ich war richtig stolz auf uns.
Aber das Feintuning stimmte nicht. Wir fragten uns, was machen wir falsch? Wir verkaufen das Produkt für 20’000 Mark, aber für 490 Mark will es keiner mieten. Wir redeten wieder und wieder mit den Kunden. Wir merkten, dass unser Mietansatz falsch war. Der Mensch will besitzen, speziell in Deutschland.
Nun machen wir es anders. Wir verkaufen die Software für 20’000 Mark, machen aber ein Mietangebot, wobei man die Miete auf den Kaufpreis anrechnen kann.
Die Erwartungen für ASP wurden generell in Europa um zwei Jahre verschoben. Deshalb sind viele andere Anbieter auch schon in Nöten. Die haben 10 Millionen Mark investiert und machen 300’000 Umsatz bei vier Millionen Verlust. Das tut uns richtig leid – aber es betrifft uns überhaupt nicht. Und wenn sich der Trend zu ASP eben verzögert oder auch nicht - unser Produkt ist gut.
Ich habe bewusst gesagt, wir bringen das zuerst nur in Deutschland heraus. Aber wir werden in der Schweiz eine Alternative suchen. Die Schweiz kann dann von Deutschland lernen und umgekehrt.
ITR: Konkret. Wie gross ist der Anteil dieser E-Business-Services heute am Maxdata-Geschäft?
HL: Geplant waren dieses Jahr fünf bis sieben Millionen. In dieser Bandbreite werden wir das Ziel erreichen. Dieser Umsatz kommt aus dem Lizenzgeschäft. Das Mietgeschäft ist noch unterhalb von embryonal. Es ist sozusagen erst auf dem Weg der Befruchtung.

ITR: Und wie wird es sich 2001 entwickeln?

HL: Ein Beispiel. Wir fragten uns, ob und wie wir genügend Händler für dieses Produkt bekommen könnten. Jetzt mussten wir im August die Werbung für die Ausbildung für Pansite stoppen. Wir haben 200 Händler ausgebildet. Die sagten sich alle: ‘da kann ich Geld verdienen’. Mancher Händler dachte, er bekommt einen Gutschein zum Reichwerden. Solche Gutscheine gibt es nicht im realen Geschäftsleben. Wir treten jetzt einen Schritt zurück und nutzen eine Art Hebammensystem, das wir entwickelt haben. Wir konzentrieren uns auf 20, 30 A-Händler für Pansite, bilden die ganz gezielt aus und gehen mit ihnen zum Kunden.
Wir haben zwei Vertriebskanäle. Einerseits die Systemhäuser, die implementieren können. Auf der anderen Seite gibt es die Multiplikatoren, die Webagenturen. Die sollen nicht verkaufen, sondern es selbst einsetzen. Diese Strategie hat sich in den letzten Monaten herausgebildet.
Heute kann ich sagen: die Investition in Pansite war völlig richtig , aber die Zeitachse ist länger als erwartet.

ITR: Wie geht es weiter mit Maxdata-Software?

HL: Da spielt uns der Markt richtig schön in die Karten. Wir können als Computerbauer unsere Fixkosten runterschrauben, wenn der Markt schlecht ist. Ein Software-Hersteller kann das nicht. Die Softwarehäuser müssen jetzt deutlich billiger werden. Wir unsererseits realisieren jetzt unser Aktienrückkaufprogramm.
Denn ich bin überzeugt, bei unserem Kurs wird die Mark für 50 Pfennig verkauft. Mit dem Rückkauf schaffen wir uns eine preiswerte und attraktive Aquisitionswährung an. Das machen wir aber nicht in den nächsten Wochen. Wir haben keinen Druck. Wir haben unsere 300 Millionen immer noch in der Kasse. Das ist eine gute Ausgangslage für die nahe Zukunft.
ITR: Eure Partner sind noch mehr unter Druck als die Hersteller. Wie helfen Sie den Händlern bei der Transformation zum VAR?
HL: Der Fachhändler wird einen noch höheren Stellenwert bei uns bekommen. Erstens werden wir nicht mehr an der Cebit teilnehmen, sondern künftig um so mehr den Handelskanal unterstützen. Wir werden das Geld für die Cebit in die Vertriebspartner investieren und regionale Events machen. Wir gehen zum Händler und sagen: ‘Gib uns deine qualifizierten Adressen und Verkäufer’. Dann machen wir z.B. einen Business-Evening und ein Business-Breakfeast.
Dort sprechen wir nicht über PCs, sondern über die konkreten Probleme der Endkunden. Unsere Verkäufer, unsere Händler und die Kunden lernen sich besser kennen und lösen gemeinsam die Probleme.
Noch eine Neuerung: Unser Katalog wird künftig nicht mehr siebenmal, sondern viermal im Jahr erscheinen. Der Händler bekommt für seine Zwecke die Rückseite und die Innenseite und ein Bestellblatt. Er muss nur noch die Adressen zu unserem Lettershop schicken. Wir verschicken dann den Katalog im Namen des Händlers für 4.50 pro Stück. Das kann keine IBM der Welt kopieren. Damit tun wir etwas konkret und direkt für den Fachhandel.
Wir haben dieses Jahr fünf Millionen für den Katalog in die Hand genommen, um den Katalog zu forcieren. Jetzt machen wir die Schularbeiten besser. Wir verringern die Frequenz. Wir müssen nicht bei jeder Intel-Preissenkung einen neuen Katalog rausschicken, wir müssen die Preise für den Handel anpassen. Der Händler kann dann unterm Jahr die Marge optimieren. Er muss dann selbständig operieren.
(Interview: hc)


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