Vor kurzem raunte der PR-Beauftragte eines grossen nordamerikanischen Netzwerk-Herstellers mit Grabesstimme in mein Telefon: «Hast Du die Aktienkurse gesehen? Eine Katastrophe! XY ist ganz deprimiert. Unsere Frühpensionierung können wir in den Kamin schreiben.» Ein Marketing-Mann des gleichen Unternehmens bot mir seine Optionen zum Tapezieren der Küche an.
In der Eingangshalle des holländisch/amerikanischen IP-Carriers KPNQwest hängt nicht etwa eine Karte aller in Europa gelegten Verbindungen, sondern ein sündhaft teures Plasma-Panel mit den Börsenkursen des Unternehmens. So sehen die Manager gleich am Morgen vor dem Kaffee, ob sie über Nacht wieder etwas reicher geworden sind.
Doch eben: Die Party ist vorbei. Definitiv und für längere Zeit. Das hat durchaus auch seine Vorteile.
So werden die lieben Kollegen (nicht vom ITR – bei uns wird gearbeitet!) weniger Zeit mit dem Betrachten von Online-Börsenkursen verbringen.
Ausserdem besteht die Chance, dass die Anzahl der völlig unnötigen Pressekonferenzen und -Mitteilungen, die einzig und allein der Stützung der Börsenkurse dienen, abnehmen wird.
Problematisch wird es hingegen für jene Firmen, die, ausgestattet mit viel Risikokapital (mein Sparbüchlein?), vor allem heisse Luft produzieren.
So war ich letzten Sommer bei Red Cube im Zürcher Orion-Gebäude. Was genau Red Cube wem verkaufen will – und warum das jemand kaufen sollte – habe ich auch nach dem Besuch nicht begriffen. Aufgefallen ist mir aber, dass in den schicken Räumen ganz viele schicke Leute herumsassen und diskutierten. Den Eindruck eines Start-ups, in dem topmotivierte Leute frenetisch arbeiten, hatte
ich hingegen nicht.
Christoph Hugenschmidt
P.S. Versprochen: Dies ist die erste und für lange Zeit die letzte Kolumne, die sich mit irgendeinem Börsengeschehen befasst.