Am 5. März veranstaltete der Interessenverband Business Software Alliance (BSA) auf dem Helvetiaplatz in Zürich eine für die Medien dankbare Aktion: Eine Dampfwalze fuhr über illegal kopierte und von BSA beschlagnahmte Software, um diese vor den Augen und Kameras der anwesenden Journalistenschar medienwirksam zu zerstören. Die Aktion hatte zum Ziel, einer breiten Öffentlichkeit das Thema Sofwarepiraterie näher zu bringen.
Aufforderung zum Denunzieren
Die BSA ist ein weltweiter Zusammenschluss von führenden Herstellern wie
Adobe,
Apple, Compaq,
Dell,
IBM,
Intel, Lotus,
Microsoft,
Novell etc., um nur einige zu nennen. Mit vereinten Kräften wehrt sich der Verband schon seit 1988 gegen den Missbrauch des geistigen Eigentums, in letzter Zeit immer mehr mit publikumswirksamen Mitteln. BSA zieht mit dem Schlagwort Ehrlichkeit auf der Flagge in den Krieg gegen Schurken, die illegal kopierte Software vertreiben, sei dies nun auf herkömmliche Weise oder über Internet.
BSA macht in den USA schon seit längerem mit gross angelegten Inserate- und Plakatkampagnen auf ihre Anliegen aufmerksam. Besonders auffällig waren Plakate, auf denen die BSA dazu aufforderte, Freunde, Bürokollegen und Arbeitgeber anzuzeigen, wenn diese illegal kopierte Software benutzten.
Bisher war BSA hierzulande weniger aktiv. Zwar flatterten ab und zu Pressemeldungen über verurteilte Software-Räuber in die Redaktionsstuben (letztes Jahr konnte BSA sogar mit einer Gefängnisstrafe auffahren), doch eine solche Aktion wie die auf dem Helvetiaplatz hatte Helvetia noch nicht erlebt.
33 Prozent Raubkopien in der Schweiz
Dass BSA nun auch in Europa und in der Schweiz aktiver wird, hat seine guten Gründe: Immerhin lag in der Schweiz die Raubkopierrate im letzten Jahr bei 33 Prozent. Den dadurch für die Softwareindustrie entstandene Schaden beziffert BSA auf 175,6 Mio. Franken. Von dem Schurkentum ist aber nicht nur die Softwareindustrie betroffen, sondern es entstehen auch Schäden für Service Provider, die Verpackungs- und Presswerkindustrie, Systemhäuser, Fachhändler und Distributoren. Schliesslich bedeute weniger Umsatz, so BSA, auch weniger
Steuereinnahmen für den Staat.
Ob allerdings das viele Geld, das sich Private und Unternehmen sparen, weil sie es nicht für (teure) Lizenzen ausgeben, nicht auf andere Weise wieder der Wirtschaft zufliesst, ist eine andere Frage.
Mit der Raubkopierrate von 33 Prozent steht übrigens die Schweiz gar nicht so schlecht da. Zwar liegen zum Beispiel Finnland und Grossbritannien unter der 30-Prozent-Marke, aber Portugal liegt weit über 40 Prozent und Griechenland schafft es gar über die 70-Prozent-Hürde!
Die BSA ging in der Schweiz im letzten Jahr gegen 23 Firmen vor, weil sie illegal kopierte Software nutzten. In den meisten Fällen gelangt die BSA durch Hinweise zu den Informationen über die Software-Räuber. Im letzten Jahr waren es 38 Hinweise auf Internet-Piraterie und 13 auf illegale Händlergeschäfte.
Gröberes Geschütz
Der grösste Teil der Hinweise betraf Internet-Piraterie, total resultierten aus den Hinweisen von Dritten Schadensersatzzahlungen in der Höhe von 214’000 Franken und Anwenderfirmen mussten 150’000 Franken für Nachlizenzierungen bezahlen.
Um diese noch vergleichsweise bescheidenen Erfolge im Vergleich zum vermuteten Ausmass (die berühmte Dunkelziffer) zu verbessern, fuhr Alexandre Salzman, Chairman BSA Central Europe und Country Manager
Adobe Schweiz, für die Aktion am Helvetiaplatz gröberes Geschütz auf: Neben Georg Herrnleben, dem Regional Manager BSA Central Europe informierte ein waschechter Kommissar über die Auswüchse der Softwarepiraterie.
Danilo Bianchi, der Leiter der Wirtschaftskriminalpolizei Tessin war eigens angereist, um über die Rolle der Schweiz im internationalen Software-Schmuggel zu berichten. Das Tessin wird nämlich, so Bianchi, als Drehscheibe für den Schmuggel von illegaler Software nach Italien benutzt. Bianchi bezeichnete den Schmuggel über die Grenzen der Südschweiz als «gravierendes Problem». Nicht weniger als 400 Mio. Dollar beträgt der Schaden, der durch illegal kopierte Software in Italien entsteht.
Software-Mafia arbeitet vom Tessin aus
Die Tessiner Polizei ermittelte letztes Jahr im Rahmen der Aktion «Disco volante» gegen mehrere im Tessin wohnhafte Ausländer und stiess dabei auf mehr als 10’000 Einheiten illegal kopierter Software. Laut Bianchi handle es sich nicht etwa um kleine Fische, sondern um die organisierte Kriminalität, die wegen der hohen Gewinne, die mit Softwareschmuggel erzielt werden können, mehr und mehr in dieses Geschäft einsteigt.
Die Kopien werden dabei für den italienischen Markt in Fernost hergestellt und gelangen — als Computerhandbücher getarnt und deklariert — über Zürich zur Zollabfertigung und dann nach Lugano. In der Schweiz wird die Ware zwischengelagert, über traditionelle Schmuggelkanäle nach Italien gebracht und über Grossverteiler an die Wiederverkäufer verteilt. Die Kopien würden, so Bianchi, in Italien wegen ihrer hohen Qualität zum normalen Marktpreis verkauft. (mh)