von Frank NaujoksInsgesamt geben die Anwender ihren Software-Lieferanten Noten, die um ein Gut pendeln – grosse Ausreisser gibt es weder in die eine noch in die andere Richtung, wie die diesjährige, erstmals weltweit durchgeführte ERP-Anwender-Zufriedenheitsstudie ERP-Z des Zürcher Analysten- und Beratungshauses
i2s zeigt.
Dennoch zeigen sich im Vergleich mit den Umfragewerten von 2008 Verschiebungen. Die nur auf dem Schweizer Markt agierenden Systeme mussten Federn lassen, einzig Opacc-one konnte seinen Platz halten, Informaticon, Proffix und Profinance büssten auf hohem Niveau ein bisschen Gunst der Anwender ein.
In:erp hat sich sowohl bei der Partner- als auch bei der Software-Zufriedenheit einen Wackler erlaubt und rutschte im Vergleich mit der letzten Untersuchung ab. Deutlich zulegen konnten die global agierenden Anbieter Abas und Proalpha, die sich in die Spitzengruppe vorgearbeitet haben. Aufgrund mangelnder Teilnehmerzahl konnte Abacus nicht statistisch valide bewertet werden und ebenso nicht Bison und i/2 im Hauptportfolio.
KMU agieren auf dem Weltmarkt
Zwei Trends bestimmen aktuell die Diskussion um den Einsatz von ERP-Software in weltweit agierenden Unternehmen: Expansion und Standardisierung. Denn der arbeitsteiligen Wirtschaft können sich auch Mittelständler immer weniger entziehen und expandieren ihre Produktionskapazitäten und Verkaufsaktivitäten in immer mehr Länder. Dies zeigt sich an der Abnahme von nur Ein-Standort-ERP-Systemen und der Zunahme der Länder, in denen das eingesetzte ERP-System installiert worden ist im Vergleich zu den Zahlen 2008. Entsprechend steigen die Anforderungen an die ERP-Systeme. Nicht nur unterschiedliche Sprachen, sondern fast noch wichtiger, länderbezogene Vorschriften und Normen müssen im System abgebildet werden. Gleichzeitig stehen IT-Verantwortliche vor der Herausforderung, ihre unterschiedlichen ERP-Systeme zu vereinheitlichen, um Kosten zu senken und Prozesse zu beschleunigen.
Erfahrungsgemäss akzeptieren immer weniger Anwender Stückwerk: Das einheitliche ERP-System für die wichtigsten Länder wird zunehmend gefordert. Dahinter verbergen sich die Wünsche nach sinkenden IT-Kosten genauso wie nach beschleunigten Abläufen innerhalb des weltweit agierenden Unternehmens.
Insbesondere Konsumgüterproduzenten benötigen die Vorteile aus einer Single-Instance-ERP-Installation, also den weltweit einheitlichen Überblick über das Zahlenwerk, die Nachfrage und die Produktionskapazitäten. Gleichzeitig besteht aber durch zu grosse Standardisierung die Gefahr funktionaler Kompromisse und unnötig komplexer Prozesse, um bestimmte lokale Regulierungsvorschriften erfüllen zu können. Zusätzlich geben die Landesgesellschaften ein Stück Autonomie und Reaktionsgeschwindigkeit auf, wenn die Upgrades zentral und damit unter Umständen langwieriger durchgeführt werden.
Anwender stehen vor der Herausforderung, den Wunsch nach Standardisierung und Flexibilität auszubalancieren. Dabei kann es hilfreich sein, sich auf eine Hub-and-Spoke-Strategie einzulassen. Dabei erfolgt die Standardisierung in der Zentrale im transaktionalen Bereich wie beispielsweise der Buchhaltung, vor Ort werden die Landesgesellschaften derweil mit einem System ausgestattet, das sowohl die lokalen Anforderungen bezügliche Gesetzgebung und Produktion als auch die Schnittstelle in die Buchhaltungs- und Controlling-Module des ERP-Systems der Zentrale berücksichtigt. Anbieter, die den Weg eines globalen, aber dennoch flexiblen Systems nicht mitgehen können, werden in den nächsten fünf Jahren deutliche Schwierigkeiten bekommen, attraktive Neukunden zu gewinnen und ihre expansionswilligen Altkunden zu halten. Dabei bieten sich für Anbieter durchaus mehrere Optionen an, wie sie auf die Wünsche der Anwender reagieren können. Wenn sich abzeichnet, dass eine globale Expansion nicht in zufriedenstellendem Ausmass erreicht werden kann, sollten Anbieter sich darauf spezialisieren, als flexibles, hochspezialisiertes System wahrgenommen zu werden, das sich gut an transaktionale ERP-Systeme wie SAP anbinden lässt.
Bedeutung des Partners
Die Studie offenbart ein weiteres Problem deutlich: Gerade grosse und internationale Anbieter, etwa Microsoft, Lawson oder Infor, werden in Bezug auf die Systemzufriedenheit deutlich besser bewertet als bezüglich ihrer Partner. Ein alteingesessener IT-Leiter formulierte diesen Umstand ganz salopp: «Die bringen ihre PS nicht auf die Strasse.» Davon hebt sich SAP ab, bei dem sowohl Systemzufriedenheit als auch die Partner ähnlich bewertet werden. Das ist letztlich als positives Ergebnis eines langjährigen Partnermanagements und intensiver Beraterausbildung zu werten. Und Anbieter Abas scheint durch die Beteiligung an ausländischen Partnern indes einen eigenen Weg gefunden zu haben, den die Anwender mit überdurchschnittlichen Zufriedenheitswerten belohnen. Schaut man sich die Empfehlungsraten aller Systeme an, sind aber über 80 Prozent der Befragten bereit, ihren Implementierungspartner zu empfehlen – wenn auch mit kleinen Einschränkungen.
Funktionale Ausdehnung von ERP
ERP-Systeme, die ursprünglich in erster Linie für Industrieunternehmen entwickelt wurden, bilden heute das Fundament von Applikationsstrategien für die meisten Unternehmen, egal welcher Branche. ERP-Anwendungen sind häufig das transaktionale Rückgrat einer Organisation, und umfassen Bereiche wie Buchhaltung, Beschaffung, Lager-Management, Auftragsbearbeitung und Personal. Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben sich diese Applikations-Suites in Breite und Tiefe entwickelt, um mehr Anwendungsfälle und Industrien zu unterstützen. Hinzu kamen Anwendungen wie Business Intelligence (BI) und Service-oriented Architecture-basierende (SOA) Middleware, um Integration und Expansion der Anwendungslandschaft zu unterstützen. Beobachtungen zufolge ziehen aktuell vermehrt Business-Process-Management-Systeme (BPM) mit firmenübergreifenden Workflows in die Unternehmen ein.
Die grossen ERP-Anbieter kaufen fehlendes Wissen oder mangelnde Präsenz hinzu und erweitern auf diese Weise ihr Angebot. Zuletzt hat Infor zugeschlagen und sich Lawson einverleibt. Technologische oder funktionale Lücken werden durch Akquisitionen gefüllt, wie SAP dies durch kleinere oder grössere Käufe wie Sybase oder Business Objects vormacht. ERP-Systeme waren historisch bedingt eher schwer zu verwenden und wurden normalerweise nur einer beschränkten Anzahl von Kernbenutzern zur Verfügung gestellt, die täglich Daten eingeben und verarbeiten. Alternative Benutzeroberflächen – einschliesslich Web-basierter Self-Service-Anwendungen, Adobe Forms, Microsoft-Office-Integration und anderer Technologien – sind zunehmend verfügbar, um bestimmte ERP-Funktionalitäten einem breiteren Kreis der Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Moderne, auf die Rolle des Nutzers zugeschnittene Benutzeroberflächen sowie deutlich verbesserte BI-Fähigkeiten werden Standard.
Der Anteil der ERP-Anwender in den Unternehmen ist in den vergangenen drei Jahren deutlich um bis zu 30 Prozent nach oben gegangen – insbesondere in den Grössenklassen 5 bis 19 Mitarbeiter und 250 bis 499 Mitarbeiter. Dies spricht für eine funktionale Ausdehnung der Systeme und gesteigerte Vertriebsanstrengungen der Anbieter bei Bestandskunden. Für die Anwender ergeben sich so neue Potentiale zur Automatisierung ihrer Geschäftsprozesse, da Medien- oder Systembrüche entfallen. Umgekehrt ergeben sich für die IT-Governance neue Aufgaben, da man sich um neue Bereiche kümmern muss, die früher weniger im Fokus standen, wie beispielsweise Verkauf oder Marketing.
Als reiner Spezialanbieter von Software-Lösungen wird es immer schwieriger, Neukunden zu finden. Dem Charme einer integrierten Buchhaltung, CRM- oder BI-Lösung werden in den nächsten drei Jahren immer mehr Anwender erliegen. Eine Gegenreaktion zeigt beispielsweise das Unternehmen Salesforce.com. Angetreten vor über zehn Jahren als reiner CRM-Anbieter entwickelt sich das Unternehmen zum Plattform-Anbieter, auf dem der Finanzbuchhaltungs-Spezialist Coda eine On-
demand-Buchhaltung entwickelt und vertreibt. Auch lokale Anbieter, die zwar über zufriedene Kunden verfügen, aber technologisch und funktional nicht mehr jede Entwicklung mitgehen können, stehen am Scheideweg. Sie müssen sich entweder an ein Ökosystem anschliessen und als branchenspezifischer Partner reüssieren oder als Komplettanbieter weiter eher lokal orientierte Kunden überzeugen.
Megatrend SaaS?
Das Interesse an Lösungen, die berechenbare und stabile Betriebskosten bieten, hat auch vor dem Hintergrund ausufernder Upgrade-Projekte bei Anwendern zugenommen. Nachdem die ERP-Ergänzungen auf SaaS-Basis – angefangen bei HR bis hin zu CRM – fast schon zur normalen IT-Ausstattung von Unternehmen gehören, gewinnen auch ERP-SaaS-Lösungen wie SAP Business by Design (ByD) und Microsofts ERP-Lösungen, die von der Service-Plattform SaaS-Plaza beispielsweise im SaaS-Modus angeboten werden, an Fahrt.
Dabei sind aktuell zwei Trends zu beobachten: Komplette Suites und kleine Nischenlösungen scheinen von der Nachfrage nach Cloud-basierter Software überdurchschnittlich zu profitieren. Durch die Verfügbarkeit von Cloud-basierten Entwicklungsumgebungen können Anbieter auch kleine Probleme lösen und erreichen dennoch ein grosses Publikum. Besondere Vorteile für Anwender bieten sogenannte hybride Betriebskonzepte. Dabei verfügen sowohl die installierte Version als auch die on-demand genutzte Software über eine einheitliche Architektur und Datenstruktur, so dass ein Wechsel zwischen den Betriebskonzepten problemlos für Anwender durchführbar ist, ohne das vorgenommene Anpassungen geändert oder umständliche Datenmigrationen vorgenommen werden müssen.
Anwender können sich ihre Applikationslandschaft aus einem breiten Spektrum an Angeboten und Anbietern frei zusammenstellen. Durch die in der Regel angebotenen Testmöglichkeiten von bis zu drei Monaten haben Unternehmen die Möglichkeit, sich mit Funktionalität und Bedienkonzept der Software intensiv auseinander zu setzen und einen ausführlichen Test durchzuführen.
Trotz der Euphorie sollten Anwender nicht die Kosten für die allzu leicht zu benutzenden Angebote aus den Augen verlieren. Auch eine klare Vorgabe zu den eingesetzten Produkten vor dem Hintergrund einer einheitlichen IT- und Applikationsstrategie scheint geboten. Sonst entsteht der nächste Technologiezoo – und damit eine gefährliche Kostenfalle.
Durch SAPs Markteintritt im Jahr 2007 ist Bewegung in den ERP-SaaS-Markt gekommen. Erst eher belächelt, nehmen immer mehr Anbieter SaaS-Angebote in ihr Portfolio auf. Mit der Markteinführung von SAP ByD in Österreich und der Schweiz in diesem Jahr wird das öffentliche Bewusstsein zunehmend geschärft. Mit der zunehmenden Zahl an Referenzen und dem weiter fortschreitenden Einsatz von ergänzenden Funktionalitäten im SaaS-Modus werden in den nächsten drei Jahren die Anteile von SaaS-Lösungen im ERP-Umfeld deutlich zunehmen.
Anbieter können sich diesem Trend nicht mehr verschliessen und müssen ein entsprechendes Angebot bereitstellen, selbst wenn aktuell nur 3 Prozent der Befragten angeben, das Betriebs- beziehungsweise Preismodell sei ein Entscheidungskriterium gewesen. Komplett auf SaaS-ERP umsteigen werden zwar insbesondere Fertigungsunternehmen kaum, doch für Firmen aus dem Dienstleistungssektor und für ergänzende funktionale Anwendungen wird die Nachfrage zunehmen. Im CRM-Markt wird sich der Anteil der SaaS-Lösungen der 30-Prozent-Marke nähern – und eine ähnliche Entwicklung ist langfristig auch im ERP-Bereich nicht auszuschliessen.
Anbieter stehen vor der Herausforderung, ihre On-premise- und On-demand-Angebote zu harmonisieren. So lassen sich Entwicklungskosten senken und Anwender haben die Wahlfreiheit und können situationsabhängig entscheiden. Die Anbieter müssen aber zusätzlich noch ihr Umsatzmodell und damit ihre Finanzierung anpassen, denn statt einer hohen Einmalzahlung und anschliessenden Wartungserlösen werden nur noch monatliche Mieteinnahmen anfallen, aus denen Infrastruktur, Entwicklung und Support finanziert werden müssen.
Fazit
ERP-Systeme haben in den letzten Jahren an Reife gewonnen, so dass Fehlentscheidungen schwer werden. Wichtig ist die Wahl eines branchenerfahrenen Partners und eine eingängige Benutzerführung in Kombination mit einer nicht-proprietären Technologie, die sich in die vorhandene und geplante IT-Infrastruktur einpasst. Die grossen, global agierenden Anbieter haben erkannt, dass Kundennähe sich auszahlt und investieren weiter in die Ausbildung ihrer Partner. Den lokalen Anbietern muss es gelingen, ihre Branchenerfahrung und Kundennähe in einer zunehmend global agierenden Welt zu behaupten – die Option, sich einem grossen Anbieter anzuschliessen, bietet auch den Kunden Investitionssicherheit.
Studie als Barometer
Grundsätzlich ist Zufriedenheit eine subjektive Grösse, die aus der Perspektive des Befragten entschieden wird. Auf der anderen Seite ist es gerade diese Zufriedenheit, die eine erfolgreiche ERP-Installation ausmacht. In diesem Sinne sind die Ergebnisse zwar wichtig für Entscheider und Entwickler, sie sind jedoch nicht das Mass aller Dinge. Die praktische Anwendung der Zufriedenheitsstudien von
i2s in verschiedensten Projekten hat gezeigt, dass die Ergebnisse der Studie wie ein Barometer verwendet werden können. Ein Barometer erlaubt zwar noch keine abschliessende und verbindliche Wettervorhersage, gibt aber Hinweise, wie sich das Wetter entwickeln könnte. Gleiches gilt auch für die verschiedenen Zufriedenheitsaspekte: Sie geben dem Anwender einen Hinweis, in welchen Bereichen mit Problemen zu rechnen ist und erlaubt so eine bessere Planung. Als ausschliessliches Auswahlinstrument ist das Zufriedenheits-Barometer jedoch ungeeignet.
ERP-Zufriedenheitsstudie
Die i2s-ERP-Zufriedenheitsstudie wird seit 2003 nunmehr zum insgesamt siebten Mal durchgeführt – im Jahr 2011 das erste Mal mit 1923 Teilnehmern aus 17 Ländern weltweit. Insgesamt wurden 38 ERP-Systeme von den Anwendern, die im Frühjahr 2011 einen Online-Fragebogen ausgefüllt haben, mit einer ausreichenden, statistisch validen Basis bewertet. Weitere Informationen und eine Ergebniszusammenfassung lassen sich unter www.erp-z.info herunterladen.
Frank Naujoks
Frank Naujoks ist Bereichsleiter Research bei
i2s Zürich.