Tech Data: «Der Rest der Branche wird uns folgen.»

Tech Datas Konzept ab 1.2. nur noch unverhandelbare, dafür tiefe Preise anzubieten sorgt für Gesprächsstoff. Einige Konkurrenten behaupten, sie hätten seit Inkrafttreten des neuen Preismodells massiv Kunden «abgezügelt». Wir haben bei Tech Data nachgefragt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/06

     

«Ich eröffne laufend neue Kunden,» meinte Alltron-Chef Viktor Pabst zum IT Reseller, als wir ihn beiläufig fragten, was er vom neuen Preismodell von Tech Data halte. Der Rotkreuzer Disti hat per 1.2. ein neues, ziemlich revolutionäres Preismodell eingeführt.
Tech Datas Preise sind seit diesem Datum nicht mehr verhandelbar. Dafür will der Disti laufend «beste Preise» anbieten und den Kunden die Ersparnisse durch das Wegfallen der mühsamen Preisdiskussionen auch weitergeben.
Die Ziele des neuen Konzepts sind löblich: Kostentransparenz im Channel, Senkung der Transaktionskosten und die Förderung rationellen Verhaltens sowohl beim Disti wie auch beim Reseller.

Tech Data zieht Zwischenbilanz

Wir haben beim zweitgrössten Schweizer Distributor nach den ersten Reaktionen auf die neue Preispolitik nachgefragt. Andreas Dürst, Manfred Steinhardt, Heinz Brandenberger (Leiter Sales) und Kurt Arnold (Leiter Marketing) nehmen Stellung.
IT Reseller: Eure Konkurrenten behaupten, eine massive Abwanderung von Tech Data-Kunden festzustellen. Wieviele Kunden habt Ihr wegen dem neuen Preismodell verloren?
Heinz Brandenberger: Wir verfolgen nicht sämtliche Kunden aktiv. Es kann sein, dass solche mit Umsätzen bis zu 100’000 Franken abgesprungen sind. Von den 700 Kunden, die wir proaktiv verfolgen und die etwa 90 % unseres Geschäfts ausmachen, haben wir keine verloren.
Andreas Dürst: Wenn wir die Umsätze anschauen, können wir sagen, dass es keine Abwanderung gibt. Aber es ist illusorisch zu glauben, dass man solche grundlegenden Veränderungen in den Partner-Beziehungen vornehmen kann, ohne dass es Kunden gibt, die sich nicht anders orientieren würden. Aber es gibt keine systematische Abwanderung.
HB: Fakt ist, dass wir mit allen grösseren Kunden gesprochen haben. Mit den meisten haben wir neue Partner-Vereinbarungen abgeschlossen. Mit den anderen sind wir noch in Diskussion. Aber diese kaufen weiterhin bei uns ein.
AD: Wir bekommen durch unseren Aussendienst pro Woche Feedback von etwa 100 bis 200 Kunden. Da sehen wir zunehmend, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich kann die Aussagen der Konkurrenz zwar verstehen, aber ich sehe wirklich keine Abwanderung von Kunden.
ITR: Ihr wollt mit den Partnern in Zukunft abhängig von Umsatz und Kosten, die er verursacht, Boni vereinbaren. Wie macht Ihr das, denn jetzt kennt Ihr das Bestellverhalten der Kunden noch nicht?
AD: Grundsätzlich gibt es nicht einen Kunden. Jeder hat ein anderes Bedürfnis-Spektrum. Einer misst seine Leute am Brutto-Profit. Er wird keinen Kickback wollen, denn dann würde er seine Leute betrügen. Andere wollen Kickbacks, weil sie eine Zentrale damit finanzieren wollen. Deshalb müssen die Lösungen sehr unterschiedlich sein. Wir sagen, wir wollen die Kundenbeziehung vom Preis entkoppeln, denn immer mehr Bestellungen laufen über «E-Tools».
Da braucht es Netto-Strassenpreise. Mit wenigen Kunden machen wir separate Übereinkommen. Grundsätzlich aber gibt es keine Vorausleistungen. Wir definieren gemeinsame Ziele und wenn wir sie erreichen, feiern wir den gemeinsamen Erfolg, indem wir gewisse Rückzahlungen machen. Diese Summen stellen wir buchhalterisch während des Jahres zurück.

ITR: Wie funktioniert das konkret?

HB: Wir machen mit den grossen Kunden Partner-Agreements. Wir haben ein Rating-System eingeführt und bieten je nach Rating des Kunden unterschiedliche Dienstleistungs-Levels.
Grundsätzlich bieten wir Kunden, die über EDI oder XML-Schnittstellen bei uns bestellen, einen Preisvorteil von 0,2 %. Zweitens bieten wir Partnern einen Bonus, wenn sie bestimmte Ziele in unseren Fokus-Gebieten (Cisco, Compaq, Storage, Kommunikations-Software) erreichen. So wollen wir die Partnerschaft festigen.

ITR: Für Retailer sieht das aber anders aus.

HB: Das stimmt, der Retail ist defakto ausgeschlossen. Da haben wir ein individuelles Preissystem. Wir definieren also auf den Einstandspreis unsere Marge und rechnen alle anderen Kosten auf diesen Preis hinauf. Das Verfahren machen wir den Kunden transparent.
ITR: Gibt es also wirklich keine Umsatz-bezogenen Boni mehr? Ein Reseller mit zwei Millionen Umsatz hat die gleichen Preise wie einer mit 20’000?
HB: Man muss die Relationen sehen. Bei den Programmen wie «Top Value», «Golden Offers» etc., die 70 bis 80 Prozent des Umsatzes ausmachen, sind die Preise fixiert. Unsere Netto-Preise sind für das Brot- und Butter-Geschäft. Bei Projektgeschäften sind die Preise wieder durch «Special Bids» fixiert.
ITR: Dann würde also eine Delec bei Euch tatsächlich die gleichen Preise erhalten wie der
PC-Händler Müller mit seinem Eck-Lädeli?
HB: Nein. Er bekommt zusätzlich Geld, wenn er bei uns Compaq kauft und er hat Vorteile, wenn er über EDI bestellt. Das haben die kleinen Händler nicht.
AD: Wenn der Kunde mit uns einen Business-Plan macht, gibt es wieder separate Boni. Das wäre ein Fall, wo wir wieder separat verhandeln würden. Aber grundsätzlich ist Umsatz für uns nicht das Hauptkriterium. Das drückt sich bei uns auch im neuen Mitarbeiter-Bonusplan aus.
Es ist möglich, dass der eine oder andere Kunde zum Mitbewerb abgewandert ist. Der Hintergrund ist aber nicht unser neues Preissystem, sondern das aggressive Pricing einiger Mitbewerber. Das ist für mich aber eher ein Zeichen zunehmender Not.
ITR: Euer neues Preissystem steht und fällt mit tatsächlich konkurrenzfähigen Preisen. Wie rechnet Ihr die Preise?
Kurt Arnold: Wir haben sicher viel weniger Sonderkonditionen* – das ist eine klare Verbesserung. Dazu kommen eine Reihe von Kontroll-Instrumenten. Die Produkte kommen in ein Raster, wo wir schauen, wie schnell sie drehen.
Manfred Steinhardt: Der Umschlag eines Produktes definiert die Handelsspanne. Ein Artikel der langsamer «dreht» hat eine höhere Handelsspanne, weil Abschreibungsrisiko, Verzinsung und Preisrisiko grösser sind.
KA: Wir können Preise aber auch manuell anpassen, um Fehler schnell auszumerzen. Das System führt schlussendlich dazu, dass sich reine Preisdiskussionen kürzer gestalten oder wegfallen. Unsere Leute können damit mehr Service bieten, mehr beraten.
MS: Wir haben heute praktisch nur noch Anrufe wegen der Verfügbarkeit oder technischen Fragen. Das ist ein riesiger Kulturwechsel. Früher konnte man mit Anrufen bei C2 Geld verdienen.

ITR: Macht Ihr Preisvergleiche mit der Konkurrenz?

KA: Wenn einer Überbestände über den Preis abverkauft, sind wir nicht dabei. Wir müssen und wollen Geld verdienen. Wir wollen im Schnitt die besten Preise anbieten.
ITR: Würdet Ihr persönlich den Schritt zu fixen Preisen wiederholen? Anders gefragt: Wieviel Stress hattet Ihr mit der Umstellung?
HB: Wir hatten wenig Zeit zur Umsetzung. Es gab von der Zeit her Stress aber vom Konzept her, hat es vor riesigen Aufwänden gerettet. Wir konnten intern einen enormen Aufwandblock beseitigen.
MS: Ich würde nicht von ‘Rettung’ sprechen. Das neue Preissystem ist DAS Highlight der letzten Zeit. (Interview: hc)
* Anmerkung der Redaktion: Die Anzahl der Sonderkonditionen bewegte sich im oberen, fünfstelligen Bereich!

Tech Data schnappt sich Intel-Vertretung

Das sei jetzt eben eine Auswirkung der «Economies of Scale», die er in Zukunft besser zum Tragen bringen wolle, kommentiert Andreas Dürst die Nachricht, dass Tech Data ab sofort auch Intel-CPUs vertreibt. Als weltweit aktiver Disti könne man auch von weltweiten Vertriebsabkommen profitieren.
In einer ersten Phase will Tech Data die CPUs des eindeutigen Marktführers Intel vertreiben, später soll die ganze Produktpalette (Motherboards, Netzwerk-Produkte, Server) dazu kommen. Die meisten Intel-Produkte werden heute bereits schon von Actebis, Arrow Spoerle und Avnet ACC (Elbatex) vertrieben – alles auch nicht gerade Kleinfirmen.
Damit drängelt der Multi Tech Data noch entschlossener in den umkämpften Markt für Komponenten-Distribution. Ein Markt, in dem sich heute mit der Übernahme des Karma-Mitarbeiterstabes und -Portfolios durch COS ja schon bereits einiges getan hat.


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