Wie schon berichtet, wird der Internet-Zahlungsdienst Paynet in den nächsten Monaten eingestellt, noch bevor er richtig aus den Startlöchern war. Der Beschluss kam für die Partnerfirmen aus der IT-Branche genauso überraschend wie für die Öffentlichkeit und offensichtlich für viele Paynet-Mitarbeiter selber.
Den Entscheid trafen die beteiligten Banken, die keine Zukunft mehr für das Schweizer «Electronic Bill Presentment and Payment»-System (EBPP) sahen.
Manche Software Partner reagierten gelassen. Adrian Padun, Geschäftsführer von Dynasoft, Solothurn: «Für uns ist nicht viel verloren. Wir haben die Schnittstelle für unsere ERP-Lösung ‘Tosca’ realisiert, aber eher unter ‘ferner liefen’.»
Für andere hatte Paynet eine grössere Bedeutung. Stellvertretend einige Reaktionen:
Orca frustriert
«Das ist ein ziemlicher Frust» äussert sich Heinz Schiess, Geschäftsführer der Dübendorfer Orca Informatik, «für uns und unsere Kunden.» Kunden hatten Orca vor zwei Jahren angefragt, weil sie Paynet-Schnittstellen für ihre Navision Financials-Lösungen wollten. Da Navision selbst sich damals nicht engagieren wollte, machte es Orca in Eigenregie.
Ende 99 lief schon die Debitoren-Schnittstelle, im November 2000 kam die Kreditoren-Seite hinzu. «Viele Mannmonate hat uns das gekostet. Auch wenn sich Paynet finanziell beteiligt hat, ist das eine grosse Investition für eine kleine Firma wie unsere.» Für die Zukunft ist das demotivierend. Schiess weiss noch nicht, was er tut, wenn das Thema EBPP wieder aktuell wird.
Trotzdem, die Anbindung der Unternehmen an ein EBPP wird auf jeden Fall kommen, aber eine Chance ist vertan, meint Schiess. «Die Schweizer Banken hätten eine Vorreiterrolle einnehmen können. Paynet als System ist allem, was man z.B. in Deutschland sieht, weit voraus. Nun wird sich wahrscheinlich ein US-System durchsetzen.»
Systor: Grössere Umsatzeinbusse
Ähnlich sieht das auch Georg Berner, der bei Systor den Bereich Business Solution EBPP aufgebaut hat, und nun als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung für den ASP-Bereich zuständig ist. «Paynet war als EBPP-System – vor allem für die B2B-Bedürfnisse und deren Abdeckung aus Sicht einer Bank – der weltweiten Konkurrenz um ein halbes bis ganzes Jahr voraus.»
Deshalb könne man das Paynet-Ende auch nicht mit anderen Internet-Debakeln vergleichen. Während dort oft nicht viel funktionierte, sei bei Paynet aus den Millioneninvestitionen «ein weltweit führendes EBPP-System entstanden.» Ein Indiz: Systor evaluiert als Consulter gemeinsam mit einer führenden deutschen Landesbank ein EBPP-System. Von den etwa 50 Anbietern weltweit schafften es vier in die engere Wahl, darunter auch Paynet. Die Evaluation war zum Zeitpunkt des Entscheids noch nicht abgeschlossen.
Da könnte man auf den Gedanken kommen, dass jemand das System übernimmt. Wahrscheinlich nicht, sagte Berner: «Es hat sich ein luftleerer Raum aufgetan. Es ist vorläufig kein anderes Unternehmen oder Konsortium in Sicht, das einspringen könnte.»
Systor hatte als prominentester Paynet-Solution-Partner für Banken und ERP-Hersteller Anbindungslösungen realisiert. Kurzfristig bedeutet die Einstellung von Paynet für Systor eine grössere Umsatzeinbusse, sagt Berner. Und natürlich seien auch gewisse Investitionen verloren, aber bestimmt nicht alle. Systor war seit vier Jahren an der Entwicklung beteiligt.
Man hat sich Know-how und einen Namen in der europäischen EBPP-Szene geschaffen. Das sollte sich mittel- bis langfristig wieder positiv auswirken. Auf jeden Fall will Systor jetzt werterhaltende Massnahmen und eine neue Strategie formulieren. Langfristig wird sich die Situation ähnlich entwickeln wie in der Vergangenheit bei den Kreditkarten, meint Berner.
Einige Systeme werden koexistieren, wobei je nach Region andere Anbieter vorherrschen werden. Eine neue Schweizer EBPP-Initiative innerhalb der nächsten 18 Monate könnte allerdings, nach den Erfahrungen mit Paynet, Schwierigkeiten mit der Glaubwürdigkeit im gesamten Umfeld haben.
Sage Sesam: Handel hatte wenig Interesse
Auch Karin Pfister, Marketingleiterin von
Sage Sesam, bedauert den Entscheid, Paynet nicht weiterzuführen: «Der Entscheid kam sehr überraschend und es ist schon schade um Paynet. Da bei uns die technischen Voraussetzungen teilweise schon gegeben waren, konnten wir schnell eine Paynet-Zertifikation erreichen. Wir wollten unseren Vorsprung nutzen, und Paynet als Marketingaufhänger benutzen.» Sage Sesam hatte auch bereits eine funktionierende Referenzinstallation vorzuweisen.
Das Marktvolumen von Paynet sei in der Schweiz nicht schnell genug gestiegen, um internationale Partner zu überzeugen, sagte Telekurs-Sprecher Bernhard Wenger. Auch Sesam scheint nicht auf überschäumenden Enthusiasmus gestossen zu sein: «Wir haben kein grosses Interesse vom Fachhandel gespürt. Dort hat man eher noch abgewartet. In unserem Marktsegment ist das Thema EBPP anscheinend noch nicht so fortgeschritten», meint Pfister. «Das Paynet-Konzept war aber sehr gut. Auf die Dauer kommt EBPP bestimmt.» (hjm)