Alltron nach den Fusionswirren

Der Mägenwiler Distributor Alltron litt in den letzten drei Jahren unter häufigem Wechsel des Mutterkonzerns. Als Teil der COS-Gruppe soll nun endlich Stabilität einkehren. IT Reseller hat sich mit Alltron-Chef Viktor Pabst unterhalten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/13

     

Was sagt Ihnen Raab Karcher, Veba, E.on, Avnet und COS Holding? Dies sind – in zeitlicher Abfolge – die Mutterkonzerne des Mägenwiler Broadliners Alltron in den letzten drei Jahren. 1998 verkauften René Regez und Viktor Pabst Alltron an Raab Karcher. Regez gab in der Folge die Leitung von Alltron an Viktor Pabst ab. Raab Karcher gehörte seinerseits zum riesigen deutschen Mischkonzern Veba, der sich zwei Jahre später mit Viag zu E.on vereinigte. E.on wollte auf Energieversorgung fokussieren – es war absehbar, dass Raab Karcher und damit Alltron abgestossen würden.
Raab Karcher ging zur US Avnet-Gruppe, einem weltweit tätigen Disti für Industrie-Komponenten. Für Viktor Pabst wurde es schnell einmal deutlich, dass Alltron nicht zu Avnet passte, zumal der Disti in der Schweiz schon mit Elbatex präsent war. Damit war klar, dass Alltron ein weiterer Handwechsel bevorsteht. Am 5. April war es soweit. COS-Chef Kurt Früh gab die Übernahme von Alltron für etwa 20 Mio. Franken (Schätzung ITR) bekannt.
War der ursprüngliche Verkauf an Raab Karcher ein Fehler? «Der Verkauf war nicht falsch, aber vielleicht war Raab Karcher die falsche Wahl», meint Viktor Pabst heute. Allerdings scheint es 98 ausser Privatinvestoren keine Alternative zu Raab Karcher gegeben zu haben.
Fusionsverluste und...
Gleichzeitig mit der Alltron-Übernahme gab Früh bekannt, dass COS Distribution in Alltron eingegliedert werden sollte. Dass dies nicht ohne Reibungsverluste abgehen würde, war von Anfang an klar. So hat Viktor Pabst gleich von Beginn weg nicht eins und eins zusammengezählt, sondern mit einem Umsatzverlust von COS und Alltron zusammen von etwa 20 Prozent gerechnet.
Einige der vertretenen Linien wurden abgestossen, so MSI, Iyama, Scott, Viewsonic und Casio, andere wie Xerox, Hitachi, Acer und Adi wurden von COS zu Alltron migriert. Insgesamt 35 COS-Mitarbeitende machten den Schritt von COS zu Alltron, die anderen blieben im Konzern oder gingen zur COS-Tochter Auctionline.
Auch bei Alltron wurde der Handwechsel und der Zusammenschluss mit COS nicht von allen Leuten goutiert. Pabst: «Es gab viele, denen die Alltron mit 145 Leuten zu gross geworden ist. Sie sahen sich in den neuen Rollen nicht. Ausserdem hat die Konkurrenz auch ein paar Leute abgeworben. Wir hatten letztes Jahr einen Anstellungsstopp, was zu Überlastungen führte. Es war für viele wirklich ein grosser Stress, da ich lange nicht kommunizieren konnte, wohin die Reise führt.»
Auf der anderen Seite profitieren jene, die an Bord geblieben sind, nun von wesentlich besseren Sozialleistungen der COS-Gruppe, so Pabst. Noch hat Alltron zur Zeit zu wenig Leute, vor allem im Verkauf, doch Pabst ist sicher, dass es in nächster Zeit auch wieder freie Leute geben wird.
...Avnet-Schäden
Alltron erreichte letzten Herbst beim IT Reseller «Distributor Award» nur ganz knapp hinter Also ABC den zweiten Rang. Dieses gute Resultat dürfte sich dieses Jahr schwerlich wiederholen, denn der Mägenwiler Disti litt zu Avnet-Zeiten unter einem Investitionsstop. Vor allem die völlig überlastete Telefonanlage machte Kunden und Mitarbeitern zu schaffen. Viele Anrufe gingen schlicht verloren, erzählt Pabst. Ausserdem konnte Alltron auch kein vernünftiges E-Commerce-System anbieten. «Wir konnten zwölf Monate lang nichts machen!», so Pabst.
COS Systems hat nun das E-Commerce-System, das ursprünglich von Avnet beim unterdessen konkursen Webarchitekten Marchfirst in Auftrag gegeben wurde, übernommen und fertig entwickelt. Spätestens ab September soll es bei Alltron sowohl ein neues, modernes Callcenter wie auch einen funktionierenden Webshop geben.
«Ab September sollten wir den Kunden wieder den normalen Service bieten und spätestens für das vierte Quartal wieder volle Leistung bringen können», verspricht Pabst.
PC-Geschäft «unter genauer Beobachtung»
Kurt Frühs Bemerkung an der COS-Bilanzpressekonferenz, PCs seien sicher kein Fokus von COS, hat die von Alltron vertretenen Hersteller aufgeschreckt. Doch Alltron hat nicht vor, die vertretenen PC-Linien (immerhin Compaq, IBM, Toshiba, Sony und Acer) aufzugeben. Pabst: «Es gibt viele Synergien zwischen PCs, Servern, Notebooks und der Peripherie. Der PC-Kunde kauft auch Peripherie und Komponenten. Wir verändern am Business-Modell von Alltron sicher nichts.» Allerdings werde Alltron von der Holding sehr genau beobachtet. «Wir sind ein Modell für den ganzen COS-Distributionsbereich.»
Im Klartext: Haben Pabst und Alltron Erfolg mit der bisherigen Strategie, könnten Elemente davon auch von den anderen COS-Distis (P&T, S&S in Deutschland, COS Distribution in Österreich) übernommen werden. Hat Alltron mit PCs allerdings keinen Erfolg könnte dies mittelfristig den Ausstieg aus dem PC-Geschäft bedeuten.
Pabst bleibt an Bord
Wir wollten von Viktor Pabst, immerhin ehemals Mitbesitzer von Alltron, wissen, wie lange er es als normaler Manager auf der zweiten Ebene eines Konzern aushalten werde. Seine Antwort scheint uns offen und ehrlich: «Es war meine persönliche Entscheidung, die Firma nicht zu verlassen, denn ich will sie irgendeinmal so übergeben, wie wir sie aufgebaut haben. Und ich will sicher keine Entlassungen. Ich habe einen Zweijahres-Vertrag mit einer Option für ein weiteres Jahr. Es ist klar, dass ich jemanden nachziehen will.»
Pabst schätzt an der COS-Gruppe die kurzen Entscheidungswege und die gute Zusammenarbeit innerhalb der COS-Distribution. Diese sei jetzt schon besser, als sie zu Raab Karcher-Zeiten je gewesen ist, so Pabst. So ist er bereits wenige Wochen seit der Zusammenlegung zusammen mit den deutschen Kollegen von P&T und S&S nach Taiwan zu Lieferanten gereist. «So etwas gab es bei Raab Karcher auch nach viel längerer Zeit nicht», so Pabst.
Der Alltron-Kapitän will also noch eine gewisse Zeit an Bord bleiben. Auch wenn «seine» Alltron irgendeinmal im Frühjahr 2002 COS Distribution AG heissen wird.
Fusionieren, zusammenlegen oder übernommen werden ist ein Stress. Für Pabst, der nun eine ganze Reihe von «Müttern» erlebt hat, ist eines klar: «Ich denke, das war meine letzte Fusion oder Übernahme.» (hc)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welchen Beruf übte das tapfere Schneiderlein aus?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER