Digivision dem Kabel-Crash entronnen

Die deutsche Webdienstleister-Gruppe Kabel New Media ist bankrott. Wie erst jetzt bekannt wurde, gehörte die Schweizer Tochter, die Zürcher Digivision, juristisch gar nie zur Gruppe.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/13

     

Nach dem Bekanntwerden des finanziellen Debakels bei der Kabel New Media-Gruppe hat nun Robert Hess, Gründer der Zürcher Digivision, die Katze aus dem Sack gelassen: Kabel New Media Schweiz hat juristisch gar nie zur Kabel-Gruppe gehört. Der Einbringungsvertrag, heisst es in der Pressemitteilung, sei nicht vollzogen worden. Robert Hess ist von der Vereinbarung – es war ein Aktientausch vorgesehen – zurückgetreten. «Kabel war aus bestimmten Gründen nicht in der Lage, die Aktien zu bilden. Wir haben im September 2000 zwar unseren Namen angepasst, jetzt wird er wieder in Digivision geändert», sagt Hess gegenüber IT Reseller.
Sachte, sachte
Hess war hierzulande einer der letzten privaten Eigner einer grösseren Webagentur, der sich an ein internationales Netzwerk anbinden wollte. Wie will er nun die viel beschworene internationale Ausrichtung, die die für Grosskunden nötigen Services garantieren soll, erreichen?
«Das Ausmass an Wachstum, das wir vor eineinhalb Jahren prognostiziert haben, war Unsinn. Aber wir können auch nicht in den Voralpen unser eigenes Süppchen brauen», gibt Hess zu bedenken.
Es soll, dieses Mal allerdings mit unabhängigen Partneragenturen, ein internationales Netzwerk entwickelt werden. Offenbar will man, wenigstens zum Teil, aber auch auf eigene Faust expandieren. Noch diesen Sommer sollen nämlich in Schweden und Deutschland eigene Filialen eröffnet werden. Nicht etwa, weil sich die Marktsituation gebessert hätte, aber man wolle in den High-tech-Märkten präsent sein.
«Mehr als kritische Situation»
Kabel musste Mitte Juni mitteilen, dass im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2000/2001 keine schwarzen Zahlen geschrieben werden, im Gegenteil rechnet Kabel mit einem Ebita-Verlust von 14 Mio. Euro für Q4, für das gesamte Geschäftsjahr wird gar mit einem Verlust von 115 bis 130 Mio. Euro gerechnet. Schuld seien ausserplanmässige Abschreibungen auf Firmenwerte von 100 Mio. Euro. Ausserdem hat Kabel einen Grosskunden, den Sportvermarkter ISL Worldwide durch Konkurs verloren. Man versuchte seit Monaten verzweifelt, neue Investoren zu gewinnen. Vergebens, wie sich nun herausstellte.
In der Nacht auf den Freitag vorletzter Woche, gegen Mitternacht, erhielten die Angestellten vom Vorstand ein E-Mail: «Wie Ihr alle wisst, befinden wir uns zur Zeit in einer mehr als kritischen Situation», sagte darin der Konzernboss Peter Kabel und informierte gleich über den anderntags bekanntgegebenen Zahlungsstop. Es würden, so Kabel, die ausstehenden Gehälter erst Mitte Juli ausbezahlt. «Das Beste ist es, die Situation besonnen zu verdauen und professionell gegenüber den Kollegen und Kunden zu agieren», rät er seinen Untergebenen...
Einen Arbeitstag später, am vergangenen Montag, hat das Unternehmen beim Oberlandesgericht Hamburg Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Es sei ungewiss, in welcher Form es weitergeht, sagte ein Sprecher. Es darf aber damit gerechnet werden, dass unrentable Auslandsbeteiligungen abgestossen werden müssen. Wenn für Hess alles wie geplant über die Bühne geht, sind er und seine 120 Angestellten nochmal mit dem Schrecken davongekommen. (mh)


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