Die Schweiz hinkt, was das Thema E-Rechnung angeht, dem grossen Nachbarn im Norden hinterher. Ein Umstand, den Claudio Hintermann, CEO der St. Galler Softwareschmiede
Abacus, gewaltig stört, wie er am Mittwoch anlässlich einer Medienkonferenz ausführte. Die Weise, wie man heute lebe und arbeite – das alles verändere sich in einem unglaublichen Tempo. In Sachen E-Rechnung befinde man sich hierzulande derweil noch im Mittelalter und hinke den Entwicklungen hinterher, so Hintermann. Die Unternehmen würden heute mit Banken, Kunden, Buchhaltern und Lieferanten mittels PDF kommunizieren. "Das ist der heutige, ineffiziente Prozess. Denn diese Daten sind unstrukturiert und somit nicht maschinenlesbar", erklärt Hintermann. Geschuldet ist diese Tatsache dem Umstand, dass es in der Schweiz an einem allgemein gültigen Standard für E-Invoicing fehle. Zudem sei die Bedingung für E-Invoicing hierzulande laut Gesetz eine digitale Signatur.
In Deutschland hingegen hat man ein allgemein gültiges Format names Zugferd (Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland) für E-Invoicing definiert und sich dazu entschieden, auf eine digitale Signatur zu verzichten. So können zwei Parteien ohne Hürden Rechnungen untereinander versenden und auch bezahlen.
Kostenlose Fakturierungs-Software für die Masse
Abacus will nun auch in der Schweiz das Thema E-Invoicing vorantreiben und hat sich dabei an Zugferd orientiert. Entstanden ist daraus Abapay, das bereits Anfang Jahr
vorgestellt wurde. Weil
Abacus aber mit seinen bestehenden Kunden die Masse für die Zugferd-Etablierung hierzulande fehlt, haben die St. Galler sich nun zu einem weiteren Schritt entschieden und kündigen Abaninja an. Dabei handelt es sich um ein Onlineportal für KMU, Vereine und Start-ups, das die digitale Abwicklung des Datenaustausches zwischen Kunden und Lieferanten ermöglichen soll und für alle zur Verfügung steht – egal ob Abacus-Anwender oder nicht. Laut CEO Hintermann leistet Abacus damit einen Beitrag zur Digitalisierung der Schweiz. Und zudem arbeitet das Unternehmen mit der Online-Fakturierungs-Software Abaninja laut Mitteilung an der Umsetzung der Vision, Dokumente im Business-Kreislauf zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern rasch, unkompliziert und kostengünstig elektronisch auszutauschen. So werden bei der Erstellung einer Rechnung nicht nur ein PDF, sondern auch strukturierte Daten mitverschickt, die sich im Empfängersystem automatisch weiterverarbeiten lassen. Dazu nutzt Abacus den erwähnten deutschen Standard Zugferd. Dadurch entfällt die manuelle Verarbeitung und zudem können Rechnungen sowie eingehende Zahlungen automatisch im Finanzbuchhaltungsprogramm beim Treuhänder verbucht werden – dazu braucht es allerdings ein Abacus-Abo.
In der Standardversion ist Abaninja für alle Benutzer kostenlos, wobei das Limit bei 500 Kunden, 500 Artikeln (Abaninja hat auch eine Artikel- und Kundenverwaltung integriert) und 500 Rechnungen pro Jahr liegt. Die Pro-Version gibt es für 8 Franken im Monat für den ersten Benutzer, alle weiteren User sind ebenfalls kostenlos. Das Limit liegt hier bei 2000 Kunden, 2000 Artikeln und 2000 Rechnungen pro Jahr. Abaninja Pro bietet zudem zusätzliche Funktionen für Offertwesen, Projektverwaltung, Serienfakturierung, Lagerverwaltung, Bankabgleiche, Schnittstellen für Onlineshops und die Integration von Abaclik.
Im Juni wird Abaninja als Beta-Version lanciert, die finale Fassung soll dann Ende September folgen.
Raiffeisen als strategischer Partner
Unterstützung erhält Abacus bei seinen Digitalisierungsplänen von seinen zwei neuen Mitarbeitern Freddy Kaiser und Adrian Humbel, die beide von Swisscom kommen, sowie von der Raiffeisenbank. Die beiden Unternehmen sind dazu im Mai 2016 eine strategische Partnerschaft eingegangen und planen weitere gemeinsame Digitalisierungsschritte.
So hilft die Raiffeisenbank Abacus auch bei der Verbreitung des XBRL-Datenformats, einem weiteren Vorhaben der St. Galler Softwareschmiede. Aktuell werden nämlich zur Bonitätsprüfung notwenige Daten manuell erfasst. Abacus hat nun für die beschleunigte Kreditvergabe für die nächste Version 2017 seiner Finanzsoftware eine neue Funktion entwickelt, mit welcher Bilanzen erstmals elektronisch erstellt und zur automatischen Weiterverarbeitung genutzt werden können. Dazu werden vom Treuhänder erstellte Daten vor dem elektronischen Weiterversand in eine für die Banken maschinenlesbare Struktur im Datenformat XBRL umgewandelt. Doch nicht nur die Raiffeisenbank soll künftig XBRL unterstützen, sondern auch weitere Finanzinstitute, so der Plan von
Abacus. Dank der auf dem Markt frei erhältlichen XBRL-Werkzeugen seien prinzipiell alle Schweizer Banken befähigt, E-Bilanzen einzulesen und weiterzuverarbeiten. "Mit der E-Bilanz im XBRL-Format gehen wir nun in die praktische Umsetzung der Digitalisierung in Bezug auf den papierlosen Austausch von Finanzinformationen zwischen KMU, Treuhändern und Finanzinstituten", so Hintermann.
(abr)