Er ist ein Instinktmensch, und ist damit in seinem Leben bislang gut gefahren. Die Rede ist von Andreas Tischhauser, Gründer und Geschäftsführer von
Novis Electronics. Der 60-Jährige kritisiert, dass heute alles zu stark wissenschaftlich argumentiert und in Schubladen gedrückt werde. "Es ist nicht mehr populär, sich auf seine Gefühle zu verlassen." Doch damit nicht genug der Kritik: "Wir leben in einer egoistischen Welt, wo viel Angst herrscht. Und wo Angst herrscht, wird man zum Egoisten." Entwicklungen, die ihm völlig fremd sind: "Man darf sich nicht zu wichtig nehmen." Eine seiner Visitenkarten mit dem Titel Hofnarr ist ihm immer noch eine seiner liebsten. "Wir verstecken uns zu stark hinter Titeln. Es fehlt der Mut, Emotionen zu zeigen. Man versucht, mit unverständlichen Argumenten zu punkten. Heute fehlt die Courage, persönliche Standpunkte darzustellen", meint der Familienvater provokativ.
Sich selbst beweisen
Diese Einstellung war vor 20 Jahren auch der Auslöser für die Gründung von
Novis Electronics – "ich wollte mir selbst beweisen, dass ich das, worüber ich mich bei anderen aufrege, selbst besser kann." Dabei stiess Tischhauser sowohl bei Familie und Freunden anfangs auf wenig Begeisterung. "Unser Businessplan für Novis ist gegenüber den Banken kläglich gescheitert. Das was wir also hier seit 20 Jahren machen, geht eigentlich gar nicht", so der 60-Jährige schmunzelnd.
Die Skeptiker hat Tischhauser mittlerweile Lügen gestraft, und auch seine Art der Führung unterscheidet sich nach wie vor von eingangs kritisierten Verhaltensmustern. So werden die Mitarbeiter etwa als Unternehmer bezeichnet, die etwas bewegen. "Man muss bereit und offen sein, den Leuten zuzuhören und sie mit grossem Freiraum selber gestalten zu lassen. Es braucht jeden einzelnen im Team, um eine Unternehmung nach vorne zu bringen. Der Chef ist einer von allen", so Tischhauser. Sich selbst bezeichnet er denn auch nicht als Chef, sondern als Coach: "Meine Aufgabe ist es, Talente zu entdecken, sie zu fördern und die richtigen Spieler am richtigen Ort einzusetzen. Spielen muss aber jeder Spieler selber." Auch die heutige Fehlerkultur widerstrebt Tischhauser. "Passiert ein Fehler, so wird dieser zwar hingenommen, ein weiteres Mal darf er aber nicht mehr passieren." Für ihn ein Witz: "Denn wir machen alle immer wieder dieselben Fehler. Darum trainieren wir immer wieder dieselben Spielzüge. Dafür braucht es Herzblut, Begeisterung, Wille und gegenseitiges Verständnis." Dabei gibt Tischhauser unumwunden zu: "Wir sind nicht die optimierteste Unternehmung mit den glänzendsten Ergebnissen, aber wir erreichen unsere hochgesteckten Ziele. Bei Novis sind begeisterungsfähige, kreative Unternehmende aktiv." Dies widerspiegelt sich auch darin, dass in der ganzen langjährigen Firmengeschichte kaum ein Suchinserat für einen neuen Mitarbeiter aufgegeben werden musste – "Novis hat viele sehr langjährige Mitarbeiter und eine Warteliste", so Tischhauser mit einem Augenzwinkern.
Glück gehabt
Auch wenn der Weg von Tischhauser in die Unterhaltungselektronik-Branche nicht von ungefähr kommt – "mein Vater war 50 Jahre in diesem Bereich tätig, ich bin also damit aufgewachsen" –, so wollte er ursprünglich Koch werden. "Ich hatte die Lehrstelle schon und wäre heute wohl Hotelier, wenn ich nicht – wider Erwarten – die Aufnahmeprüfung für die Mittelschule bestanden hätte." So besuchte Tischhauser die Schulen eher widerwillig und dachte einige Male an Schulabbruch. Den beruflichen Einstieg fand er schliesslich als kaufmännischer Direktor in einem Elektronik-Unternehmen in Basel. "Ich habe mich mit knapp über zwanzig auf diese Stelle beworben und wurde vom Headhunter eingeladen, weil dieser scheinbar sehen wollte, welcher Verrückte sich da bewerben würde, ohne Erfahrung und Ausbildung für diese Funktion mitzubringen", erinnert sich Tischhauser. Das Elektronik-Unternehmen wollte den Versuch aber wagen. "Entsprechend stark musste ich mich engagieren und das Thema Studium geriet immer mehr in den Hintergrund." Nach rund drei Jahren wechselte Tischhauser zu Mitsubishi Electric, bevor er schliesslich in der Anfangszeit von Nokia beim finnischen Elektronik-Hersteller landete. "Ich durfte die Boom-Jahre mitgestalten und wir hatten alle Möglichkeiten. Je höher man steigt, je dünner wird die Luft. Fühlt man sich in einer Umgebung unwohl und kann man dieses Gefühl nicht abstreifen, muss man gehen. Die eigenen Werte zu verraten, geht nicht", blickt Tischhauser zurück. Und einmal mehr: "Aus lauter Glück, aber auch Instinkt, entstand zur richtigen Zeit die Idee Novis. Neben der Freude und Begeisterung für die Produkte war auch das Glück da, mit grossartigen und nachsichtigen Teams zusammenarbeiten zu dürfen. Auch hier ist es wie im Sport: Zum richtigen Zeitpunkt den Einstieg finden und spüren, wenn es genug ist."
Die Freude am Nichts-Tun
Sein liebstes Hobby sind seine Kunden und Mitarbeitenden: "Unsere Unternehmung ist mein Hobby. Ich kann mit Menschen zusammen gestalten. Eine grössere Erfüllung gibt es nicht." Ausserdem macht Tischhauser gerne nichts in seiner Freizeit: «"Meine Frau und ich pendeln zwischen Zürich und Arosa. Wenn ich in Arosa am Wochenende auf dem Balkon sitze und drei Stunden in die Berge schaue, dann ist das für mich die beste Erholung." Zwischen dem Nichts-Tun fährt er gerne Ski, wandert, liest ein Buch "über alles, was geschrieben wird" und bezeichnet sich als Sammlernatur.
Früher machte der Familienvater zudem selbst Musik, spielte Gitarre und Schlagzeug. "Mein Talent hat sich aber in Grenzen gehalten, weshalb ich damit aufgehört habe. Heute habe ich noch eine klassische Gitarre. Diese nehme ich alle paar Monate hervor und versuche, sie zumindest zu stimmen. Aber nur, wenn niemand zu Hause ist", so Tischhauser schmunzelnd.
Dass er vor kurzem 60 Jahre alt geworden ist, findet er übrigens grossartig: "Ich kann mir heute Dinge leisten, die früher nicht möglich waren. Die Freiheit, sich nicht verstellen zu müssen, ist ein grosses Privileg. Die Gesundheit vorausgesetzt, würde ich gerne noch mindestens zehn Jahre als Coach tätig sein. Es ist zu spannend und interessant, um jetzt aufzuhören."
Andreas Tischhauser
Andreas Tischhauser ist verheiratet und hat drei Kinder – zwei Töchter und einen Sohn. Nach der Ausbildung und laufenden Weiterbildungen fand er den beruflichen Einstieg bei einem Elektronik-Unternehmen in Basel, bevor er nach rund drei Jahren zu Mitsubishi Electric wechselte und schliesslich bei Nokia landete. Nach über zehn Jahren bei Nokia machte sich Tischhauser zusammen mit einem Team von Mitarbeitenden selbständig und gründete das Consumer-Electronics-Unternehmen
Novis Electronics. Er bezeichnet sich selbst als ungeduldiger, unverbesserlicher Optimist. "In bin mit einem Vater aufgewachsen, der das ganze Leben immer positiv gesehen hat. Das hat geprägt."
(abr)