«Hardware verkaufen können Hersteller auch»

Die ehemalige Atag Debis-Gruppe hat als T-Systems Schweiz AG nicht nur einen neuen Namen und mit Peter Schöpfer einen neuen Chef, sondern bekommt auch eine andere Struktur verpasst. Das Ziel: «Noch mehr Kundenorientierung.»

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/15

     

Mit 1400 Mitarbeitenden und einem geplanten Dienstleistungsumsatz von über einer halben Milliarde Franken ist T-Systems Schweiz AG, die ehemalige Atag Debis, ein Riese unter den Schweizer Systemintegratoren und Outsourcern. Dieser Riese soll nun unter der Leitung von Peter Schöpfer (Bild) neu laufen lernen. Kein einfaches Unterfangen. Wie weit ist T-Systems mit der Reorganisation? IT Reseller hat bei Peter Schöpfer nachgefragt.
IT Reseller: Sie müssen mitten in einer relativ schlechten IT-Konjunkturphase eine so grosse Organisation wie T-Systems umbauen. Eine herkulische Aufgabe?
Peter Schöpfer: Was heisst denn umbauen? Für mich heisst Total-Umbau, dass wir die Firma stärker auf die Kunden ausrichten. In der Vergangenheit hatten wir eine stark vertikale Organisationsform, Also eine nach Geschäftsbereichen.
Mein Ziel ist eine horizontale Integration. Wir bauen also einen branchenorientierten, horizontalen Vertrieb auf und «hinterlegen» diese Struktur mit Lösungs-orientierten Kompetenzzentren. Denn heute lässt sich eben schlecht sagen, wo zum Beispiel Desktop-Services beginnen und wo Computing-Services anfangen.
ITR: Wie stark spüren Sie den Nachfrage-Einbruch der letzten Monate? Einige Systemintegratoren müssen sich nun ja ziemlich radikal neu orientieren.
PS: Wir decken mehrere Kompetenzen ab. Desktop ist darin nur ein Teil. Für uns ist das Geschäft mit Clients vor allem ein sehr guter Einstieg beim Kunden. Das erweist sich jetzt als vorteilhaft.
Aber auch für uns hat die jüngste Entwicklung Konsequenzen. Früher haben wir vor allem Hardware verkauft. Jetzt müssen mehr Services dazu kommen. Hardware verkaufen kann ein Hersteller heutzutage auch selbst. Grosse Kunden wollen aber umfassende Dienstleistungen – das spricht für uns.
Der Einstieg beim Kunden kann ganz unterschiedlich erfolgen. Das kann zum Beispiel über ein neues Callcenter, über den Wunsch nach Desktop-Services oder aber über den Bau und Betrieb eines Datencenters erfolgen. Unser Vertrieb muss nun lernen, den Kunden und seine Bedürfnisse noch besser zu verstehen. Darum dreht sich unsere Reorganisation.

ITR: Wo stehen Sie heute mit der Reorganisation konkret?

PS: Grundsätzlich will ich unsere Vision mit den Leuten zusammen erarbeiten. Informiert sein heisst noch lange nicht verstanden haben. Am Schluss muss jeder seine Aufgabe und seine Vorgaben kennen.
Konkret haben wir unsere Strategie auf 12 Punkte hinuntergebrochen und die Ziele für die kommenden 18 Monate festgelegt.
Nun werden die Ziele und Strategie für einzelne Organisationseinheiten festgelegt und unser Business-Modell in Prozesse umgesetzt. Konkret muss nun jeder Leiter einer Business-Unit mit seinen Leuten sprechen und die Strategien für den Alltag umsetzen. Am Schluss stellt sich die Frage, wer welche Verantwortung und welche Kompetenzen hat. Aus der Antwort darauf ergibt sich dann die Detailorganisation.
Früher hatte unsere Firma eine Kultur, wo von den Mitarbeitern zu hören war: ‘Ich darf nicht.’ Das will ich radikal ändern. Heute sollen unsere Leute nicht nur ‘dürfen’, sondern sie ‘müssen’. Ich will viel mehr Kompetenzen nach unten, bis zu den Verkäufern an der Front, reichen. Das ist für die Mitarbeitenden sicher eine Umstellung, auf die ich auch schon erstes positives Feedback habe.

ITR: Die neue Organisation und Kultur dürfte aber nicht allen gefallen?

PS: Wissen Sie, der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Ein Kulturwandel, wie wir ihn erreichen wollen, muss von den Vorgesetzten vorgelebt werden. Jeder, der oben in der Hierarchie sitzt, muss zuhören können und offen und ehrlich kommunizieren.
ITR: Ich interpretiere aus Ihren Aussagen, dass Sie zur Zeit eine ungewöhnliche Fluktuation erleben?
PS: Fluktuationen hat man in unserer Branche immer. Doch ich stelle einen Wandel fest. Früher fragten Bewerber zuerst einmal nach Aktien-Optionen. Heute fragen Bewerber, ob die Deutsche Telekom weiter an T-Systems festhalte. Die Leute denken wieder mehr an die Zukunft. Und da haben wir mit der starken Mutterfirma ein riesiges Plus.

ITR: Wie selbständig sind Sie mit T-Systems Schweiz?

PS: Wir haben nur zwei Vorgaben aus Deutschland. Erstens müssen wir die Ziele für 2001 und 2002 erfüllen. Und zweitens müssen wir die internationalen Kunden auch in der Schweiz adäquat bedienen. Sonst wird uns nicht ins Geschäft geredet. Ich war im Juli nur einmal in Deutschland und im August noch gar nie.
Dass wir zu T-Systems gehören, hat grosse Vorteile. Wir können für einzelne Projekte, bei denen wir an Grenzen stossen, Skills von unserer «Mutter» holen. Andererseits können wir den anderen T-System-Organisationen weltweit helfen, denn wir haben beispielsweise mehr Know-how im Healthcare-Bereich als T-Systems in Deutschland. Wir sind für T-Systems eine wichtige Niederlassung und gehören zu den drei grössten Ländergesellschaften ausserhalb Deutschlands.
ITR: Auf welche Märkte wird sich
T-Systems in Zukunft konzentrieren? Ausschliesslich auf Grossfirmen oder auch auf KMUs?
PS: In Deutschland konzentriert sich T-Systems auf genau 1427 Grossfirmen. Für die Bearbeitung des KMU-Markts gibt es T-Com. In der Schweiz gibt es T-Com nicht. Also kümmern wir uns natürlich um Grossfirmen, aber auch um grössere KMU ab etwa 150 bis 200 Arbeitsplätzen.
ITR: Zum Schluss: Sie bleiben bei Ihrer Aussage, dass es mit der jetzigen Reorganisation keine Entlassungen geben wird?

PS: Ganz klar! Im Gegenteil – wir suchen Leute.


(Interview: hc)


SAP, ASP, Outsourcing, Netzwerke, Konvergenz...

Wenn Peter Schöpfer und seiner Crew die Reorganisation gelingt, so wird ein ausgesprochen starker Systemintegrator entstehen. Zusammen mit T-Systems Multilink kann man geballte Kompetenz in äusserst zukunftsträchtigen Feldern vorweisen. Stichworte dazu sind Call-Center / Supply Chain Management und CRM (Customer Relationship Management) sowie ERP (SAP).
Dazu kommen sowohl Netzwerke wie auch Know-how im Betrieb von Datencentern und Application Hosting, was T-Systems zum ASP prädestiniert. T-Systems wird in diesem Markt ein gewichtiges Wort mitreden wollen – das Gesundheitswesen, wo T-Systems bereits aktiv ist, ist ebenfalls für ASP prädestiniert. «Garniert» wird das Angebot von klassischem Outsourcing, Desktop- und Helpdesk-Dienstleistungen.
Die bisherige Kundenliste kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Zu den bestehenden Kunden der ehemaligen Atag Debis gehören Retailer (Bon Appétit Group, Coop, Manor, Migros, Möbel Pfister), Industrie (Clariant), Spitäler (Inselspital) und Versicherungen (Helsana, KPT). Nicht zu vergessen ist die SBB, von der 1998 die ehemalige Atag 120 Mitarbeitende übernommen hatte.


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