Microsofts Lizenzprüfung – Sturm im Kafi-Becher

Microsofts Briefaktion sorgt für viel Empörung – aber bisher für um so weniger Aktivität der Angeschriebenen. Dies zumindest berichten Microsoft Reseller. Man fragt sich, ob die Aktion Microsoft Schweiz nicht mehr schadet als nützt.

Artikel erschienen in IT Reseller 2001/21

   

Microsoft kämpft mit einer massiven Briefaktion um mehr Lizenzeinnahmen. Dazu wurden die Adressen von 25’000 Unternehmen gekauft und diese schriftlich aufgefordert, detailliert alle verwendete Software aufzulisten, samt Angaben wann und wo lizenziert wurde. Ausserdem muss das Kaufdatum sowie die Adresse des Fachhändlers mitgeteilt werden.
Harte Geschütze werden auf den harmlosen Grümscheler ebenso gerichtet wie auf Grossunternehmen. Erstaunlich ist der Generalverdacht gegen alle Unternehmer, egal ob da nicht vielleicht ein harmloser Kleinunternehmer unter Beschuss genommen wird, der ohnehin nur am Mac und glücklich ohne Office-Paket arbeitet.

Unternehmen unter Generalverdacht

Nur wenn man das Schreiben samt aller Lizenzen brav innert drei Wochen zurückschickt, versichert MS: «In diesem Fall wird Microsoft Corporation keine Schadenersatzforderungen für den illegalen Einsatz von Microsoft Programmen für die Zeit vor der Unterzeichnung dieser Erklärung geltend machen.» Denn bei allen Lizenzverstössen «geht Microsoft Corporation als Rechtsinhaberin üblicherweise zivilrechtlich und strafrechtlich vor.»
Beat Ringger, Projektleiter der Online-Gewerkschaft Syndikat, ärgert sich über den Brief so, dass er rechtliche Schritte prüfen will, denn «Microsoft tritt wie eine Untersuchungsbehörde auf. Das grenzt an Nötigung.» Und das ärgste, findet er, sei «dass Microsoft eben nicht eigene Kunden anschreibt, sondern gekaufte Adressen.» Die halbe Schweiz stehe so unter Generalverdacht, selbst wenn sie gar keine MS-Produkte einsetze.
Quellen nun die Briefe der eingeschüchterten, brav lizenzierenden Schweizer dem Walliseller MS-Hauptsitz schon aus den Fenstern? Schliesslich hat man gleich ein Antwortkuvert beigelegt, in dem alle Listen und Lizenzkopien Platz finden sollen.

«Wir merken nichts»

Holger Rungwerth, MS-Pressesprecher stellt erstaunt fest, dass es weniger Rücklauf gebe als erwartet. Die meisten Kunden gingen «überraschenderweise direkt zum Händler, um mit diesem die Lizenzierung abzuklären».
Grund für den IT Reseller, sich bei den ja vermutlich von Kundenanfragen überschwemmten Händlern ein wenig umzuhören, so sie denn vor lauter Stress überhaupt noch Zeit finden, Auskunft zu geben. Wie so oft, wenn es um Microsoft geht, sind viele Reseller vorsichtig und erkundigen sich: «Wollen Sie mich etwa zitieren?» Wenn ja, dann würde man halt die Antworten anders formulieren... Häufigster Kommentar der Händler jedoch war schlicht: «Wir merken von der Aktion noch nichts.»
«Wir merken noch keine Reaktionen der Kunden bisher», so auch Nils Amlehn, von Paninfo. Persönlich findet er den Brief völlig unangemessen, denn «wenn ich ein Auto kaufe fragt mich doch später auch niemand, ob ich später etwa noch ein neues Teil eingebaut hätte.»

«Den meisten stinkt’s»

Auch bei T-Systems ist es noch ruhig: «Bisher gab es noch keine Reaktion. Die Kunden wissen, wie sie das Schreiben verstehen müssen. Die grossen Firmen sind meist sowieso richtig lizenziert, bei manchen stellt sich sogar heraus, dass sie überlizenziert sind. Die anderen machen sich jetzt vielleicht Gedanken. Aber es herrscht ja ohnehin eher Jammern auf dem Markt wegen der Lizenzierung», so Claudia Nolle von der Lizenzvergabe.
Stefan Mittner, Geschäftsführer der Glaronia Informatik, erzählt: «Den meisten stinkt’s natürlich, das Formular auszufüllen. Die finden das eine Frechheit.» Aber immerhin kämen einige um zu fragen «was sie da draufschreiben sollen. Wir sagen dann, wenn sie genug Lizenzen haben brauchen sie das nur «in globo» zu bestätigen, eine detaillierte Liste kann keiner verlangen.» Aber grundsätzlich findet Mittner das einen «cleveren Schachzug von Microsoft. Man hätte den Brief aber diplomatischer schreiben können.»
Nach längerem Suchen wurden wir doch noch fündig: Ruth Odermatt von Arnel Informatik hatte schon mehrere Bestellungen von Lizenzen aufgrund der MS-Briefe. Sie findet die Aktion «grundsätzlich nicht ganz schlecht, denn wir haben einige unserer Kunden schon öfter angemahnt. Für uns ist es gut und eine Unterstützung.» Aber natürlich seien die Kunden empört über den groben Ton des Briefes. Und dann ergänzt sie noch: «Ich sage unseren Kunden immer, solange ihr nicht lizenziert, braucht ihr auch nicht immer über Microsoft zu fluchen.»
Exakt das scheint auch der Tenor vieler Schweizer zu sein: Entweder man hat ohnehin schon Lizenzen gekauft und harrt ruhig der Dinge, oder man lässt den Brief im Altpapier verschwinden. MS-Marketingchef Urs Wermelinger versichert, der Kunde müsse zwar nicht reagieren, «aber Microsoft wird die Lücken abarbeiten» – viel Arbeit für die Walliseller. (ava)


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