Microsoft-Partnerprogramm: Grosse Hürden für kleine Partner
Quelle: Leuchter IT Solutions

Microsoft-Partnerprogramm: Grosse Hürden für kleine Partner

Seit der Einführung des neuen Partnerprogramms von Microsoft sehen sich besonders kleinere Partner mit hohen Hürden konfrontiert, um ihre Partnerstatus zu halten. Der Unmut ist gross.
1. März 2023

     

Im Schweizer Microsoft-Channel brodelt es derzeit. In den Worten von Daniel Jäggli, Vorstand der IAMCP (International Association of Microsoft Channel Partners) und Verwaltungsratspräsident bei Leuchter IT Solutions, klingt das so: "Spätestens im Herbst 2023 wird es übel. Wenn Microsoft sich nicht dazu entscheidet, etwas zu ändern, wird in der Schweiz die Anzahl der ursprünglich Silber- und Gold-zertifizierten Partner signifikant einbrechen." Dabei hat Microsoft zum Start des laufenden Fiskaljahres Mitte 2022 doch sein Partnerprogramm neu aufgestellt. Ändern sollte sich damit laut Microsoft Schweiz in diesem Zuge nicht allzu viel ("Swiss IT Reseller" berichtete). Das scheint sich nun als Trugschluss herauszustellen, zumindest für die kleineren hiesigen Partner.

Neues Programm, neue Regeln

Im Sommer 2022 wurde bekannt, dass Microsoft sein Partnerprogramm umbaut und unter dem Namen Cloud Partner Program neu lanciert. Zusammengefasst sieht das folgendermassen aus: Die traditionellen Certified-, Silver- und Gold-Status weichen themen- und lösungsspezifischen Partner Levels mit den Stufen Solutions, Specialist und Expert. Die Status sollen laut Microsoft eher aufzeigen, worin ein Partner gut ist und nicht nur ausweisen, wie gut er ist. Dazu wird auf ein Punktesystem umgestellt, mit dem ein solcher Status erlangt werden kann. Werden bei dieser Partnerkompetenzbewertung 70 Punkte (maximal 100) in einer Sparte erreicht, gibt es den entsprechenden Solutions-Level-Status. Vergeben werden die Punkte pro Lösungskategorie jeweils in den Bereichen Leistung, Qualifikation und Kundenerfolg.

So viel vorweg: Hinter diesen drei Begriffen verstecken sich recht sportliche Grenzwerte. Diese muss ein Partner, der statt den bisherigen Silver- und Gold-Status nun einige neue Lösungs-Status ausweisen will, erreichen. Hinter dem Messwert "Leistung" steht dabei der Neukundenzuwachs (verlorene Kunden werden dabei abgezogen), hinter "Qualifikation" verstecken sich wenig überraschend Microsoft-Zertifikate in der Mitarbeiterschaft und mit dem Messwert "Kundenerfolg" sind etwas vereinfacht Upselling-Leistungen gemeint. So weit, so sinnvoll. Zumindest in der Theorie.


Für viele Microsoft-Partner steht die Uhr derzeit auf Fünf vor Zwölf: Die Frist bis zur endgültigen Umstellung verstreicht für viele Partner noch 2023, dann wird der Wechsel endgültig vollzogen. Somit werden Partner, die die neuen Bedingungen nicht erfüllen können, ihren Microsoft-Partnerstatus 2023 endgültig verlieren.

Laut der obigen Aussage von IAMCP-Vorstand Jäggli könnte der Schweizer Microsoft-Channel im laufenden Jahr also noch gehörig durchgerüttelt werden. Innerhalb des Verbands ist das definitiv ein präsentes Thema, wie Jäggli berichtet: "Wir alle glauben, dass sich etwas ändern muss."

Zu viele Zertifizierungen

Wie verschiedene Quellen berichten, ist das neue Programm schlicht zu wenig auf den KMU-Markt Schweiz zugeschnitten. Das wird nun besonders für KMU-Partner zum Problem. Stellvertretend für die kleineren Schweizer Microsoft-­Partner kommentiert Yannic Graber, Azure Solutions Expert, Founder & MVP bei Joker IT: "Die Schweiz ist ein KMU-Markt. Das gilt sowohl für die meisten Partner als auch für die Endkunden. Die Ziele, die von Microsoft gesetzt werden, sind als KMU schwierig zu erreichen. Der Fokus scheint im Wesentlichen auf der Grösse – also der Anzahl der zertifizierten Mitarbeiter – des Partners zu liegen." Auch Daniel Jäggli sieht die Zahl der notwendigen Zertifizierungen als ­eines der zentralen Probleme. "Für kleine Partner ist die Zahl der nötigen Zertifizierungen kaum erreichbar", wie er ausführt. Im Fall von Joker IT sieht es konkret folgendermassen aus: Statt der 4-fachen Gold- und der 5-fachen Silver-Partnerschaft kann man mit dem neuen Modell nur noch zwei Solutions-Partnerschaften halten. "Zurückzuführen ist das hauptsächlich auf nicht genügend Mitarbeiter in den jeweiligen Solution-Kategorien", so Yannic Graber. Wie er anfügt, weiss auch er von diversen kleinen Partnern, welche die neuen Solutions-Status nur sehr schwer oder gar nicht erreichen können.

Unrealistische Umsatzziele

Neben den Zertifizierungen sind auch die Umsatzziele so gestaltet, dass sie gewissen Partnern den Einstieg ins Programm verwehren. "Die kleinen Partner schaffen die geforderten Umsatzzahlen teilweise nicht annähernd. Und selbst wenn sie es erreichen – sie werden im Jahr darauf ein Wachstum ausweisen müssen. Und dann wird es richtig schwierig", so Daniel Jäggli. Diese Ziele sind je nach Geschäftsmodell eines Partners eine fast unüberwindbare Hürde. Wenn ein Dienstleister sich etwa auf Consulting-Leistungen in Grossprojekten spezialisiert hat, wird er kaum Lizenzen verkaufen, denn diese werden von Grosskunden über grössere Reseller bestellt. Faktisch hat ein hochspezialisierter Partner damit gegebenenfalls nicht einmal den Hauch einer Chance, die Ziele in der Kategorie "Leistung" zu erreichen.


In Kombination erschwert das den Partnern schliesslich auch den Einstieg in neue Geschäftsfelder, wie Jäggli ausführt: "Ein neues Kompetenzfeld zu erschliessen, ist so gut wie unmöglich. Nehmen wir die Security-Kompetenz als Beispiel: Bei dieser sind alleine die Zertifizierungen schon sehr schwer. Aber wenn man nicht heute schon viel Umsatz mit Defender for Endpoint oder Azure Sentinel macht, sind die Umsatzziele kaum erreichbar." Die Entwicklung der Partner werde damit ein Stückweit unterbunden. Weiter steigt mit dem neuen Programm auch der Aufwand für das Reporting und für das gesamte Management des Programms in der Firma, wie er ergänzt.

Sinnvolle Kategorisierung

Tatsächlich ist vonseiten der grösseren Partner die Kritik weniger laut – für sie scheint das Programm deutlich besser zu passen. So kommentiert David Schneider, Partner und CTO bei Isolutions: "Die Solution Areas sind teilweise an hohe Ziele bezüglich Neukunden, Deployments und Usage Growth geknüpft. Für uns war das zu Beginn eine Herausforderung, welche sich aber mittlerweile eingependelt hat. Uns hat geholfen, dass wir uns früh mit der Umstellung auseinandergesetzt haben." Aber auch er räumt ein, dass die Vorbereitung und Durchführung der Anforderungen viel Zeit in Anspruch nimmt und die Assessments teilweise anspruchsvoll sind. Daniel Jäggli von der IAMCP weiss: "Für grössere Partner ist das alles machbar. Aber diese Partner mit einer Grösse ab 200 Mitarbeitern haben mittlerweile auch eine bis zwei Personen, die ausschliesslich für das Microsoft-Partnerprogramm verantwortlich sind."

Vonseiten des ebenfalls grösseren Microsoft-Partners Netcloud heisst es derweil: "Die Anpassungen von Microsoft am Partner-Programm sind eine Herausforderung und von vielen kleineren Microsoft-Partnern wohl kaum mehr zu stemmen. Wir selbst haben uns bewusst auf Infrastruktur- und Security-Themen und die entsprechenden Zertifizierungen für die Solution-Partner-Status fokussiert."


Positiv – ob gross oder klein – finden die meisten Partner, dass der Kerngedanke hinter dem Programm sehr gut ist. "Grundsätzlich bin ich Unterstützer der Umstellung, da das alte Programm schon lange im Einsatz war und Anpassungen nötig waren. Das neue Programm ist mit den Solution-Partnerschaften eine positive Entwicklung und trifft den heutigen Markt und Kompetenzen besser", kommentiert etwa Yannic Graber von Joker IT. David Schneider von Isolutions pflichtet dem bei: "Für Endkunden sind die Solutions Areas und Advanced Specializations einfach verständlich und transparent. Der Leistungsausweis eines Partners sowie dessen strategische Ausrichtung lässt sich mit dem neuen Partnermodell viel besser ablesen." Und auch vonseiten IAMCP wird der Grundgedanke – die klare Einordnung der Kompetenzen – gutgeheissen.

Der Geist wäre willig

Aber – auch hier sind sich die Partner mehrheitlich einig – die Anpassung des Programms an lokale Gegebenheiten wurde versäumt. "Microsoft Schweiz steht hier natürlich zwischen den Fronten und versucht, das Programm für die Schweiz zu adaptieren", so Daniel Jäggli und ergänzt: "Das aktuelle Programm ist ein erster Anlauf. Wir glauben aber, dass sich das noch ändern wird."

Auf den ersten Aufschrei aus der Partnerlandschaft hat Microsoft denn auch wohlwollend reagiert und Events von IAMCP-Chapters in verschiedenen Ländern gesponsert. Im Rahmen derer konnten die Mitglieder ehrliches Feedback abgeben, das von IAMCP an Microsoft weitergeleitet wurde. "Ergebnisse daraus gab es vonseiten Microsofts bisher aber noch nicht", so Jäggli. Seine Hoffnung ist, dass man in Redmond zum Start des kommenden Fiskaljahres Anfang Juli 2023 das Thema nochmal angeht.


Dieser aktive Dialog mit Microsoft ist zentral, wie auch David Schneider von Isolutions betont: "Gerade in Zeiten von Unsicherheiten, verursacht durch ein Sparprogramm und eine Restrukturierung, ist es wichtig, den persönlichen Kontakt zur Local Subsidiary aber auch zum Hauptquartier von Microsoft aufrecht zu erhalten." Doch auch dieser Kanal ist für die grossen Partner aufgrund ihrer Relevanz sowie den erwähnten und speziell dafür abgestellten Ressourcen wohl deutlich einfacher zu pflegen.

Microsoft bleibt wortkarg

"Swiss IT Reseller" konfrontierte Microsoft Schweiz mit einer Reihe von Fragen zu den oben beschriebenen Bedenken und Sorgen der Partner. Von den zu grossen Hürden, die das Programm aufstellt, über den unter Umständen bevorstehenden Einbruch der Partnerzahl bis hin zur Frage, wie kleinere Partner künftig an die angestrebten Solution-Status kommen können. Weiter wurde nach einem Ausblick für die betroffenen kleinen Partner gefragt.


Zu den einzelnen Fragen wollte Microsoft keine Stellung nehmen, stattdessen äusserte sich Microsoft Schweiz auf unsere Anfrage wie folgt: "Partner haben heute andere Anforderungen, um die Bedürfnisse unserer gemeinsamen Kunden zu erfüllen. Aus diesem Grund haben wir das neue Microsoft Cloud Partner Program entwickelt. Das Programm richtet sich sowohl an Grossunternehmen als auch an KMU. Für Reseller und Servicepartner, die sich auf KMU konzentrieren, gibt es beispielsweise einen eigenen Pfad innerhalb der Bezeichnungen Solutions Partner for Business Applications und Modern Work. Wir arbeiten weiterhin eng mit unseren Partnern auf der ganzen Welt zusammen und schätzen ihr Feedback, um unser Programm weiter zu verbessern. In der Schweiz stehen wir seit Anfang in engem Kontakt mit dem IAMCP und haben gemeinsam Informationsveranstaltungen durchgeführt, um die Partner bei der Einführung des neuen Programms zu unterstützen, aber auch um ihr Feedback einzuholen. Selbstverständlich laden wir alle Partner ein, laufend ihre Vorschläge direkt mit uns zu teilen. Für Microsoft sind alle unsere Partner in der Schweiz von zentraler Bedeutung." (win)


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Kommentare
Auch wir machen im Bereich Modern Work weit über 100K Umsatz im Jahr. Sind durchzertifziert, sogar mehr als notwendig. Aber da zu wenig Neukunden und bei den Bestandeskunden zu wenig Wachstum, erreichen wir die notwendige Punktzahl nicht. Wie stellt sich das Microsoft vor? Ich hoffe, da kommt noch eine Einsicht.
Donnerstag, 2. März 2023, Renato Casati

Ich bin beruhigt dass ich nicht der einzige Partner bin der mit dem neuen System nicht einverstanden ist. Über 100k Azure Umsatz im Jahr und trotzdem keinen Status mehr. So hat man auch keine Motivation mehr etwas zu erreichen.
Mittwoch, 1. März 2023, Dominik Rauber



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