Cross- und Up-Selling wird von IT-Unternehmen zu wenig angewandt. Dabei kann eine eingeführte Standardfrage den Umsatz bereits signifikant erhöhen. In Bäckereien wird das vorbildlich gemacht. Nach jeder Bestellung hört man die Standardfrage: «Darf es sonst noch etwas sein?» Diese Frage stellt keinen Aufwand dar, bringt aber bereits 10 bis 50 Prozent mehr Umsatz. Der ausschlaggebende Faktor in den Bäckereien ist, dass die Frage angenehm ist. Oft geht in der Hektik des Tages beim Kunden etwas unter und er wird subtil darauf aufmerksam gemacht, ob er nicht auch noch ein Getränk oder ein weiteres Brot kaufen möchte.
Doch nicht nur Bäckereien, auch Grosskonzerne haben sich die Macht von Zusatzverkäufen zunutze gemacht. Amazon zum Beispiel wurde unter anderem auch dadurch gross, dass bei jedem Produkt im Warenkorb darunter Waren angezeigt werden, die andere Kunden gekauft haben. Vergleichbares sieht man beim Fashion-Giganten Zalando, der unter jedem Kleidungsstück ähnliche Produkte empfiehlt.
Warum aber nutzen Verkäufer in der IT- und Beratungsbranche diese effektive Technik so selten? Einerseits fehlt das Wissen, wie die verschiedenen Methoden für Zusatzverkäufe richtig angewendet werden können. Anderseits besteht auch in vielen IT-Unternehmen irrtümlich die Meinung, dass die Verkäufer das richtige Gespür haben, ob ein Kunde weitere Produkte braucht. Oft wird fälschlicherweise angenommen, ein Kunde würde von sich aus alle benötigten Dienstleistungen beim bestehenden IT-Dienstleister beziehen. Die Regel ist aber, dass ein Kunde mit mehreren IT-Lieferanten zusammenarbeitet und dass regelmässig neue Lieferanten vorstellig oder eruiert werden. Es ist selten, dass ein Kunde all seine Bedürfnisse mit einem einzigen bestehenden IT-Dienstleister abdeckt und daher auch dessen ganzes Portfolio kennt. Wenn die Angebote seines IT-Dienstleisters dem Kunden nicht in ihrer ganzen Breite bekannt sind, passiert es rasch, dass dieser Kunde sich anderweitig umschaut und eindeckt. Oder dass ein anderer IT-Dienstleister proaktiv beim Kunden vorstellig wird, ihm empfohlen wird oder durch ihn gefunden wird, indem er zum Beispiel online eine Lösung für seine Herausforderung sucht. Viel sinnvoller wäre es aber, wenn der Verkäufer seines bisherigen IT-Dienstleisters proaktiv eine Lösung für die anstehenden Herausforderungen beim Kunden präsentiert. Denn so verhindert er, dass sein Kunde woanders kaufen wird.
Grosser Aufwand für Neukundenakquise
Um aufzuzeigen, wie aufwendig, schwierig und langatmig der klassische Vertriebsprozess bei Neukunden ist, lohnt sich ein genauer Blick auf ebendiesen Prozess. Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Im Vertrieb gibt es verschiedene Phasen und in all diesen Phasen muss das Gegenüber überzeugt werden, um letzten Endes verkaufen zu können. Bereits ein grober Fehler in einer der Phasen kann sämtliche Chancen verbauen.
In der ersten Phase definieren IT-Unternehmen ihre Verkaufs- und Marketingstrategie. Dabei wird das Produkt definiert. Es wird definiert, in welchem Segment es platziert wird und mit welcher Kommunikation. In der Phase zwei wird gezielt mit dem gewünschten Segment (Unternehmen) Kontakt aufgenommen. In dieser Phase geht es darum, den Kontakt zur Zielperson (Buyer Persona) aufzunehmen und Interesse zu wecken. Diese Phase ist bereits sehr zeitaufwendig und erfordert viel Fleiss. Obwohl Telesales-Tage teuer bezahlt werden, kommt es hier nicht selten vor, dass an einem Tag keine Termine herausschauen. Gute Akquise-Mitarbeiter schaffen durchschnittlich einen Termin pro Tag. Mehr ist möglich, wird aber selten erreicht. In der Phase drei nehmen Verkäufer den teuer bezahlten Termin wahr und präsentieren ihr Angebot. Die Vorbereitung auf einen Termin ist die halbe Miete und kostet Zeit, genauso wie die allfällige Hin- und Rückfahrt und die Präsentation selbst. Diese ganzen Aufwände inklusiv der Mitarbeiterlöhne während dieser Zeit wären umsonst, wenn Termine generiert werden, die nicht zu den Lösungen des IT-Anbieters passen und nicht abgeschlossen werden können. Es muss am Telefon sachlich und sorgfältig geprüft werden, ob grundsätzlich Interesse und Bedarf für die angebotene Lösung vorhanden ist. Dafür muss der Akquise-Mitarbeiter die Lösung gänzlich verstanden haben. Deswegen sollte in der Kaltakquise nie gespart und die Finger von Billig-Callcentern gelassen werden.
In der Phase vier überdenkt der Interessent das Angebot. In dieser Phase ist der potenzielle Kunde nicht beeinflussbar und das wichtige Bauchgefühl, ob eine Zusammenarbeit mit dem neuen Anbieter sinnvoll ist, wird sich in dieser Phase festigen. Mit der Phase fünf erfährt man, ob eine Zusammenarbeit grundsätzlich gewünscht wird. Falls ja, gibt es weitere Meetings, technische Themen werden geklärt und im besten Fall wird dann auch der Vertrag unterschrieben. In Phase sechs schliesslich geht es darum, das volle Potenzial mit Zusatzverkäufen zu nutzen, also Cross- und Upselling zu machen sowie Empfehlungen zu weiteren potenziellen Interessenten einzuholen.
Die Aufwände von der Verkaufsstrategie (Phase eins) bis zum Vertragsabschluss (Phase fünf) sind enorm und das Fehlerpotenzial ist riesig. Wenn IT-Dienstleiter jedoch direkt bei Phase sechs beginnen, können alle fünf Phasen übersprungen werden. Das bedeutet nicht nur viel weniger Aufwand, sondern bringt auch weitere Vorteile mit sich. Der Grund ist einfach: Bei Bestandskunden ist bereits ein Grundvertrauen vorhanden. Verkäufer müssen nicht stundenlang telefonieren, um einen Termin zu erhalten. Oder teuer einen durch ein Callcenter vermittelten Termin bezahlen, der oft nichts wert ist. IT-Dienstleister erhalten bei ihren Bestandskunden einfach und schnell Termine, um eine neue Lösung vorzustellen. Weil das Vertrauen in den bekannten Lieferanten bereits vorhanden ist und das IT-Unternehmen als Lieferant gelistet ist, ist der Sales-Zyklus auch kürzer. Zusammengefasst ergeben sich fünf signifikante Vorteile aus dem Cross- und Up-Selling:
- Die Aufwände vom Termin zum Vertragsabschluss sind geringer.
- Ein neues Produkt zu verkaufen, geht viel schneller, der Sales-Zyklus ist kürzer.
- Es ist viel einfacher zu verkaufen und man braucht keine Fachleute in der Akquise.
- Die Kosten für den Vertrieb sind kleiner.
- Der Umsatz erhöht sich schneller.
Natürlich gibt es bei dieser Verkaufsstrategie auch Nachteile. So kann man als Anbieter nicht mehrere hundert oder tausend Adressen einkaufen und angehen, sondern muss sich auf seinen Kundenstamm und dessen Netzwerk an Potenzial verlassen. Fakt ist aber, dass fast alle Unternehmen über ein Potenzial an Zusatzverkäufen bei Bestandskunden verfügen, dieses aber nicht annähernd nutzen. Würden Unternehmen das tun, wäre bei den meisten keine Neukundenakquise mehr notwendig.
Cross- und Up-Selling bei bestehenden Kunden
Zusatzverkäufe können im Wesentlichen in drei Kategorien unterteilt werden. Mit allen kann die mühsame Neukundenakquise umgangen werden.
- Up-Selling
- Cross-Selling
- Empfehlungsakquise
Beim Up-Selling verkaufen IT-Dienstleister die qualitativ höhere Variante oder höhere Menge zum bestehenden Dienst dazu. Dafür wird der Kunde überzeugt, dass die teure Variante für ihn die bessere ist. Das kann eine höhere Menge des bestehenden Artikels oder eine zusätzliche Option sein und in vielen Fällen durchaus Sinn machen. Ein einfaches Beispiel: Der Kunde möchte ein iPhone mit 256 GB kaufen. Beim Gespräch darüber, wie er sein iPhone nutzen möchte, stellt sich heraus, dass viel Videobearbeitung gemacht werden soll. Wodurch ein Upgrade auf höhere Speicherkapazitäten wie 512 GB oder 1 TB begründet werden.
Beim Cross-Selling wird neben der verkauften Lösung zusätzlich eine weitere Lösung aus dem Portfolio angeboten. Jedermann kennt die Situation aus dem Restaurant. Es gibt Gastronomen, die einfach nur das Essen abräumen, während andere Gastronomen fragen, ob es «sonst noch etwas sein darf?», und wieder anderes sagen: «Zum Dessert empfehle ich Ihnen unseren beliebten Cappuccino und dazu ein sehr leckeres hausgemachtes Tiramisu.» An diesem Beispiel zeigt sich, dass Verkauf nichts anderes ist als gute Kommunikation. Auch IT-Dienstleister haben die Möglichkeit, weitere Lösungen zu offerieren und nach einem Verkauf eine zusätzliche Lösung mitanzubieten. In der Praxis kann das so aussehen, dass man nach dem Verkauf einer End-Point-Security-Lösung fragt, ob allenfalls eine Firewall auch ein Thema ist. Verkäufer können zu jedem verkauften Produkt zusätzlich immer das nächstbeliebteste Produkt erwähnen, und so ganz einfach den Umsatz erhöhen.
Cross- und Up-Selling mit Hilfe einer Checkliste
Es gibt aber noch weitere Varianten, um einfacher mehr zu verkaufen im Bereich von Cross- und Up-Selling – und zwar ohne Druck zu erzeugen und zum Wohle des Kunden. Dafür versetzt man sich am besten in eine Situation, die jedermann kennt. Man kauft sich ein neues Elektronikgerät im Fachhandel und merkt zu Hause, dass das Kabel nicht genug lang ist, der Anschluss zum Bildschirm nicht passt oder die Antivirensoftware noch fehlt und so weiter. Wäre es nicht wünschenswert gewesen, hätte der Verkäufer oder die Verkäuferin schon beim Verkauf des Geräts geprüft, ob der Kunde alles hat, was er braucht? Ähnlich wie es die eingangs erwähnten Bäckereien machen, mit Aussagen wie: «Darf es sonst noch was sein?», oder in diesem Fall «Haben Sie damit alles, was Sie brauchen, um den Laptop zu Hause zu bedienen?»
Allerdings denkt der Kunde auch nach dieser Frage oft nicht an alles. Um sicherzustellen, dass wirklich nichts vergessen geht, gibt es die Möglichkeit, mit dem Kunden eine Checkliste durchzugehen. Dieses Vorgehen ist für den Kunden angenehm und die Möglichkeiten an Zusatzverkäufen sind unzählig. Kauft der Kunde ein Notebook, besteht die Möglichkeit, ihm zusätzlich eine externe Maus und Tastatur, ein Mauspad, Software, eine Kamera, eine Garantieverlängerung und vieles mehr zu offerieren. Hierzu kann zum Beispiel folgender Satz verwendet werden: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass oft etwas Passendes zum Gerät vergessen wird und es meist ärgerlich ist, wenn das im Nachhinein auffällt. Um diesen Ärger zu vermeiden und damit wir gleich alles Notwendige haben, würde ich gern eine Checkliste mit Ihnen durchgehen, ist das in Ordnung? Es geht auch rasch.» Auf diese Weise verkauft man ganz ohne Druck genau dort, wo ein Mehrwert für den Kunden entsteht. Grundsätzlich sollte das gesamte Portfolio im CRM oder auf einem Excel zu finden sein, damit die Checkliste daraus abgeleitet werden kann. Pro Kunde ist dann zu sehen, welche Lösungen er bereits vorgeschlagen bekommen hat. Ziel ist es, jede Lösung mindestens einmal mit jedem Kunden geprüft zu haben. Die Erfahrung zeigt, dass IT-Dienstleister, die das zuverlässig umsetzen, mit den kleinen Aufwänden der Checkliste deutlich mehr Umsatz generieren.
Zusatzverkäufe dank einer Bedarfsanalyse
Stellen IT-Dienstleister ihren Kunden zusätzliche Lösungen blind vor, können diese das Interesse der Kunden treffen oder auch nicht. Viel besser wäre es, wenn IT-Dienstleister wüssten, wo die Kunden Bedarf haben, und erst dann eine Lösung präsentieren. Eine Glaskugel hat kein IT-Unternehmen. Allerdings wird in der Regel die Macht der Bedarfsanalyse unterschätzt. Mit einer solchen erfahren IT-Dienstleister, wo beim Kunden die nächsten Investitionen anstehen und auch, was erfüllt sein muss, damit der Kunde diese bei ihnen tätigt. Ein wichtiger Trick, um Glaskugel-ähnlich alle Bedürfnisse zu erfahren, sind offene Fragen. Eine Variante hierbei ist, den Kunden nach seinen Zielen für das nächste Jahr zu fragen. Dabei sollen Kunden gern auch Dinge nennen, die ihnen nicht so wichtig erscheinen. Mit diesen Fragen erfahren die Verkäufer von ihren Kunden Ziele, von denen sie nichts wussten. Alles, was sie nun machen müssen, ist, dem Kunden mitzuteilen, dass sie hier einen Lösungsansatz haben und ob es für ihn spannend wäre, mehr darüber zu erfahren. Damit haben die Verkäufer die Möglichkeit, für mehrere Herausforderungen seitens des Kunden, von denen sie bislang nichts wussten, Lösungen zu präsentieren. Es kann sanft und kundenorientiert dort verkauft werden, wo der Kunde Bedarf hat.
Natürlich gibt es viele weitere Fragestellungen, etwa zum Entscheidungsprozess oder worauf der Kunde in einer Zusammenarbeit wert legt. Das Schönste an diesem Vorgehen mit offenen Fragen ist, dass diese Fragen für den Kunden sehr angenehm sind, weil sie ja nichts anderes bedeuten, als dass sich jemand für ihn interessiert.
Die innovative Weiterempfehlungsmethodik
Ein weiterer Weg, mit geringem Aufwand mehr zu verkaufen, sind Empfehlungen. Allerdings gilt es hier, das richtige Vorgehen, die richtige Technik, zu wählen. Oftmals versuchten Verkäufer in Vergangenheit zu Empfehlungen zu kommen, indem sie auf den Kunden zugingen und diesen salopp nach einer Empfehlung fragten. Das Problem dabei ist, dass die Belastung damit auf das Gegenüber – also den Kunden – fällt, ihm in der Hektik häufig kein geeigneter Kontakt einfällt und die Sache versandet. In der Regel funktioniert diese Methode somit nicht, weshalb Verkäufer sie nicht mehr ausüben und das Potenzial der Empfehlungsakquise verloren ging.
Dabei ist der Trick bei der Empfehlungsakquise relativ einfach. Als Verkäufer soll man nicht nach einer Empfehlung fragen, sondern sich bereits vor dem Treffen potenzielle Namen aus dem Netzwerk des Kunden aufschreiben – Linkedin ist hierbei hilfreich. Beim Treffen wird somit nicht nach einer Empfehlung gefragt, sondern der Verkäufer informiert seinen Kunden lediglich darüber, dass es ein paar Adressen in seinem Netzwerk gäbe, die man gerne kontaktieren würde, dass aber die Kontaktdaten fehlen und ob der Kunde hier kurz helfen könnte.
Das Ausüben dieser Technik in der Praxis hat gezeigt, dass es kaum eine Person gibt, die die Empfehlungen respektive den Kontakt verweigert. Vielmehr werden im Verkaufsalltag damit Unmengen an Empfehlungen generiert und der Umsatz letztlich deutlich gesteigert. Es empfiehlt sich also, jedes Verkaufsteam auf diese Methodik hinzuweisen, weil allein sie schon in der Lage ist, die teurere, klassische Akquise komplett zu ersetzen. Die Vorteile liegen auf der Hand – Verkäufer, die mit klassischer Akquise Mühe haben, sind hier erfolgreich. Es gibt viel weniger Widerstand, wenn im Gespräch auf Empfehlungen eingegangen wird. Es ist bereits ein Grundvertrauen da, was den Sales-Zyklus verkürzt und ein Verkauf kann einfacher abgeschlossen werden.
Cross- und Upselling ersetzen die klassische Akquise
Cross- und Upselling gehören zu den Umsatzbeschleunigern im Verkauf und sind ein stark unterschätztes Mittel, schneller und einfacher mehr Umsatz zu generieren – mit dem Nachteil im Vergleich zur Neukundenakquise, dass die Adressen in begrenztem Mass zur Verfügung stehen. Die Praxis bei IT-Dienstleistern zeigt allerdings, dass durch die Nutzung des vollen Potenzials von Cross- und Up-Selling sowie der Empfehlungsakquise gar keine klassische Neukundenakquise mehr nötig ist und die Vertriebs-Pipeline bereits übervoll wird. Der Hauptgrund, warum Cross- und Up-Selling sowie die Empfehlungsakquise generell zu wenig genutzt wird, ist schlicht die Einstellung und das fehlende Wissen über deren Möglichkeiten. Verkäufer denken bei Zusatzverkäufen zu oft, dass Kunden sich von sich aus melden. Des Weiteren fehlt es an den richtigen Techniken, um Zusatzverkäufe spielerisch und einfach zu tätigen. Folglich werden unnötige Aufwände über klassische Akquise betrieben und es geht viel Umsatz verloren.
Der Autor
Jérôme Fischer hat mehrere Unternehmen mitaufgebaut. Er ist Gründer der Firma
Sales4IT sowie Trainer & Keynote Speaker für das Thema «erfolgreich verkaufen». Sein Unternehmen Sales4IT bietet ICT- und Beratungsunternehmen Gesamtlösungen für die Vertriebsunterstützung, und zwar genau dort, wo sie es brauchen. Mit einem intelligenten Sales-Mix werden ICT-Unternehmen dabei unterstützt, planbar zu wachsen.
Er ist Gründer der Firma Sales4IT. (Quelle: Sales4IT)