Aus bei Steg, Zusammenlegung von Microspot mit Interdiscount, Stellenabbau bei Fust und nun Verkauf von Melectronics – die Konsolidierung im Schweizer Elektrofachhandel schreitet mit grossen Schritten voran. Das liegt nicht zuletzt an einem hierzulande besonders hohen Digitalanteil im Consumer-Electronics-Bereich. Mit über 50 Prozent hat die Schweiz die Nase im Europavergleich teils deutlich vorn. Das stationäre Geschäft avanciert hingegen zusehends zur Herausforderung, immer mehr namhafte Anbieter verschwinden. Umso kontraintuitiver mutet es an, dass Media Markt Schweiz 20 der insgesamt 37 Melectronics-Standorte von Migros zusammen mit 200 Mitarbeitenden übernehmen will. Die Kette setzt im Gegensatz zur Konkurrenz auf Ausbau statt Eindampfen. Es ist – die Zustimmung der Wettbewerbshüter vorausgesetzt – auf einen Schlag nahezu eine Verdopplung des eigenen Filialnetzwerks, das bisher 25 Standorte umfasste. "Jede Investition birgt gewisse Risiken, doch wir sehen gleichzeitig auch die Chancen. Der Schritt ist Teil unserer Omnichannel-Strategie, über die wir auch vom anhaltenden Push in Richtung online profitieren können", erklärt Jan Niclas Brandt, seit Oktober 2023 für das Geschäft in Österreich und seit Anfang April 2024 auch für Media Markt Schweiz verantwortlich, auf Nachfrage. Immerhin würden viele Menschen die Produkte nach wie vor im Laden erleben und ausprobieren wollen. "Wir sehen hier eine klare Chance, neues Wachstum generieren zu können." Und Fläche spielt in dieser Strategie eine zentrale Rolle.
Media Markt betreibt parallel selbst seinen Online-Shop, der mittlerweile über 20 Prozent des Schweizer Gesamtgeschäfts ausmacht. Er soll jedoch nicht in Konkurrenz zu den Filialen stehen. Stattdessen will der Händler beide Kanäle eng verzahnen. Omnichannel bleibt weiterhin das entscheidende Schlagwort. "Die Nähe zum Kunden und eine starke Omnichannel-Positionierung haben auch heute einen hohen Wert im Handel", so Brandt. Daher auch die Investition in die Melectronics-Standorte. Zum einen kann Media Markt weisse Flecken in der Schweiz abdecken, an denen die Kette bisher noch nicht vertreten war, in den Kantonen Zug, Schwyz, Nidwalden, Thurgau, Schaffhausen und Jura. Zum anderen werden Hot Spots, also hochfrequentierte Standorte wie Zürich, Bern, Basel und Genf weiter gestärkt. Das schafft nicht nur regionale Kundennähe, sondern darüber hinaus Markenpräsenz, von der auch das Online-Geschäft profitieren kann.
Wenig überraschend plant die Kette daher keine weiteren Grossmärkte mit Flächen von bis zum mehreren Tausend Quadratmetern, sondern, "Klein- und Kleinstformate" mit 100 bis 900 Quadratmetern, wie der CEO erklärt. Zudem befinden sich die 20 Melectronics-Standorte alle in "überregional bedeutenden Einkaufszentren". In diesen neu hinzugewonnenen Stores soll künftig nur noch ein "relevanter Teil" des eigenen Portfolios abgebildet werden über alle Preisklassen hinweg. Weniger weisse Ware, Waschmaschinen und Tumbler haben hier schlicht keinen Platz. Dafür aber beliebte Produkte wie Smartphones und Mobilfunkzubehör, Tablets sowie weitere IT-Produkte. Und wenn etwas nicht vorrätig ist, dienen die Läden ohnehin als Servicepunkte für kanalübergreifende Bestellungen und andere Dienstleistungen wie beispielsweise Reparaturen. "Wir haben gelernt, mit kleinen Filialen zu arbeiten", bekräftigt der CEO mit Blick auf die Erfahrungen in anderen Ländern. Im Zentrum stehe die Frage, wie man Kundinnen und Kunden beispielsweise auch auf dem Arbeitsweg für einen schnellen Besuch im Shop begeistern kann. Ein kleines, serviceorientiertes Geschäft wirkt hier sicherlich attraktiver als eine XXL-Flächenfiliale.
Weiterhin gültig: Digital first
Aber auch für Media Markt Schweiz selbst verändern sich mit dem neuen Konzept einige Rahmenbedingungen. Nicht nur aufgrund des schlagartigen Wachstums und der regionalen Expansion. Die Warenbestückung von kleinen Shops in Innenstadtlage erfordert eine angepasste logistische Planung, neue Abläufe. Immerhin steht in den kleinen Läden meist deutlich weniger Lagerfläche zur Verfügung als in den grossen Märkten in der Peripherie. Der Anbieter will daher auf neue Prozesse setzen, die Belieferungsfrequenz erhöhen. Zudem wurde im vergangenen März der hiesige Logistikpartner gewechselt (auf Also folgt Fastlog). Und dann gilt es laut Brandt, zeitnah und sukzessive zu optimieren.
Doch trotz Flächenexpansion: An der vor Jahren von der Media-Markt-Mutter Ceconomy definierten Omnichannel-Strategie mit Online-Schwerpunkt soll sich auch mit der Melectronics-Übernahme nichts ändern, weiterhin gilt das Mantra "Digital first". Die neuen Filialen sind wichtiger Baustein dieses Ansatzes und sollen dabei helfen, den Marktanteil auszubauen und stationär eine starke Positionierung unter den Top 3 zu sichern – bei gleichzeitigem Wachstum im Online-Bereich. "Ich bin überzeugt, dass dieser Schritt unsere Marktposition nachhaltig stärken wird", so der CEO. Dabei hofft Media Markt nicht zuletzt, von der Konsolidierung und den strauchelnden Wettbewerbern zu profitieren. Das Umfeld ist und bleibt aber herausfordernd, wie auch Brandt betont. "Euphorisch ist der Markt noch nicht. Trotzdem sehen wir in gewissen Produktsegmenten eine positive Entwicklung, insbesondere im Bereich TV und Equipment – natürlich auch getrieben durch die Europameisterschaft." Gleichzeitig bleibt der Preisdruck im Consumer-Eletronics-Umfeld sehr hoch, vor allem getrieben durch den Online-Handel. Nicht überall will sich Media Markt aber auf den Preiskampf mit den Online-Pure-Playern einlassen. Stattdessen steht der Service im Fokus, ein Aspekt, den die Online-Konkurrenz laut Brandt schlicht nicht in dieser Form abdecken kann. "Hier haben wir viel zu bieten" und mit dem richtigen Angebot seien Konsumenten dann oft auch bereit, etwas mehr zu zahlen.
Vorerst steht für Media Markt nun aber die Umgestaltung der Melectronics-Filialen an. Läuft alles wie geplant, werden Rebranding und Umbau bis November 2024 abgeschlossen sein – rechtzeitig zum diesjährigen Black Friday.
(sta)