Fujitsu richtet das Channel-Geschäft
Quelle: Fujitsu

Fujitsu richtet das Channel-Geschäft

Nach dem Abschied aus dem Client-Business packt Fujitsu an: Mit einer klaren Datacenter-Fokussierung und einem neuen Partnerprogramm will der Hersteller den eingebrochenen Channel-Anteil wieder ausbauen.
9. Juli 2024

     

Fujitsus Client-Geschäft ist Geschichte. Zumindest in Europa. Wie im vergangenen Jahr angekündigt, hat der japanische Hersteller seinen Notebooks und PCs Anfang des Jahres den Stecker gezogen. Seit April 2024 sind entsprechende Geräte nicht mehr erhältlich, jedoch Service und Support für die kommenden fünf Jahre gesichert (gegebenenfalls länger im Rahmen grösserer Rahmenverträge). Es ist ein Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie Tim Deutschmann berichtet, der als Head of Platform Business bei Fujitsu Schweiz auch für den regionalen Channel verantwortlich zeichnet: "Ja, die Entscheidung wird im Partnerkanal nach wie vor bedauert, trifft jedoch auch auf Verständnis." Die Client-Produkte des Herstellers hätten stets einen sehr guten Ruf genossen, der Channel habe mit ihnen über lange Jahre gutes Geschäft gemacht. Aber nicht nur die Partner trauern den Geräten hinterher. Auch im eigenen Team habe es viele wehmütige Reaktionen gegeben, sagt Deutschmann, vor allem unter den langjährigen Mitarbeitenden. "Intern musste das neue Setup ebenfalls erst verstanden werden. Aber dieser Prozess ist abgeschlossen."

Für den japanischen Hersteller steht fest: Das Client-Geschäft bietet in Europa heutzutage keine Perspektive mehr. Immerhin seien Desktop-PCs und Notebooks mittlerweile Commodity, wie der Head of Platform Business erklärt, die Hardware allein biete meist keine Differenzierungspotenziale mehr. Er geht daher davon aus, dass der Notebook- und Desktop-PC-Markt künftig weltweit von wenigen grossen Playern bespielt werden wird. Fujitsus Zukunft gehört hingegen ganz dem Datacenter. Hier gebe es grundsätzlich ein anderes Marktgefüge, es komme bei Storage und Servern viel mehr darauf an, was in den Produkten und Lösungen steckt. "Und hier spielen wir als Fujitsu in der obersten Liga", zeigt sich Deutschmann überzeugt.


Trotz Oberliga muss der Hersteller aber vorerst einiges an Basisarbeit leisten. Immerhin sind mit dem Client-Ausstieg allein in der Schweiz 10 bis 15 Prozent der Partner abgesprungen. Zudem gab es auch in der Distribution eine wichtige Veränderung: Hatte Fujitsu zuvor in der Schweiz mit Ingram Micro und Also zusammengearbeitet, wurde die Partnerschaft mit Also aufgekündigt. Laut Deutschmann sei das Geschäftsvolumen nach dem Client-Aus mittlerweile zu klein für zwei grosse Distributoren. Mit Ingram Micro pflege der Hersteller wiederum eine enge, sehr leistungsfähige Partnerschaft und erhalte die notwendige Unterstützung beispielsweise bei Build-to-order-Bestellungen. Zwar gab es auch Partner, die ausschliesslich bei Also bestellt hätten. Die Zahl sei allerdings überschaubar. Hier komme es nun vor allem auf Kommunikation und auch Umgewöhnung an, so der Manager.

Jetzt will der Anbieter den Channel wieder auf- und ausbauen. Dieser umfasst hierzulande derzeit noch 96 Partner. Zu wenige, bekräftigt Deutschmann. "Ich bin aktuell noch nicht mit der Grösse unseres Partnernetzwerks zufrieden", auch wenn es bereits eine positive Entwicklung gebe. Fujitsu hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Geschäftsjahres zwischen 20 und 25 neue Partner zu gewinnen. Zudem will der Anbieter auch mit bestehenden Partnern skalieren. Über ein Viertel des eigenen Channels sei laut Deutschmann bereits tief in den jetzt fokussierten Themenfeldern drin – viele weitere Partner wären sehr aktiv, aber teils noch mit Entwicklungsbedarf. Wo es an Fokus oder den nötigen Skills für das Datacenter-Geschäft fehlt, bietet Fujitsu Up-Skilling-Massnahmen und Trainings an. Passen Ausrichtung und Strategie hingegen nicht zusammen, kann es jedoch dazu kommen, dass sich die Wege trennen, "auch wenn dies nicht aktiv von uns getrieben wird und wir jeden Partner-Wegfall natürlich bedauern".

Drei Stellen abgebaut

Im ersten Schritt hatte das Unternehmen jedoch die eigene Organisation optimiert und seine europäische Struktur angepasst. Aus zuvor fünf Regionen sind nun drei Cluster geworden: Deutschland, Nord-West-Europa und Süd-Ost-Europa. Die Schweiz und auch Österreich zählen zu Letzterer. "Simplifizierung" war dabei das Ziel. Und wie im vergangenen Jahr ebenfalls angekündigt, kam es im Zuge der Neuausrichtung auch zu einem Stellenabbau. Allerdings sei dieser hierzulande überschaubar ausgefallen, wie der Fujitsu-Manager im Interview erklärt. Statt aus 30 besteht das Schweizer Team nunmehr aus 27 Mitarbeitenden. Betroffen waren dabei Positionen, die ausschliesslich auf das Client-Computing-Devices-Geschäft ausgerichtet waren. "Ansonsten befinden sich ohnehin alle in hybriden Rollen."


Diese internen Anpassungen sind nun abgeschlossen. Jetzt geht es an die Partnerarbeit. Dabei galt es, die neue Strategie überhaupt erst zu vermitteln und zu erklären, dass es sich nicht nur um eine fixe Idee handelt, sondern um die gut durchdachte Datacenter-fokussierte Zukunft des Unternehmens. Und die Bemühungen fruchten laut Deutschmann. Das eigene Team sei aktuell mehr auf der Strasse als je zuvor, spreche, zeige auf, überzeuge. Auch Events wie die Experience Days hätten dazu einen Beitrag geleistet – "und mittlerweile sind die Partner weniger skeptisch. Sie wollen sehen, was hinter der Strategie steckt". Es sind vielfältige Themen, die von Hybrid-Cloud über Datensicherheit und das SAP-Umfeld bis hin zu Künstlicher Intelligenz reichen. Dabei hatte sich Fujitsu bisher noch nicht als federführender Anbieter im KI-Umfeld hervorgetan. Doch das könnte und soll sich nun ändern. Denn Fujitsu hält eine enorm hohe Zahl an KI-Patenten und hat zudem vor wenigen Monaten einen Dienst namens Private GPT auf Basis eines eigenen Large Language Models auf den Markt gebracht. Dieser arbeitet ähnlich wie OpenAIs prominentes Online-Angebot, läuft aber ausschliesslich On-Premises und bietet somit hohe Kontrolle über die eigenen Daten – und das auch komplett abgekapselt vom Internet.
Die Nachfrage ist gross. Derzeit laufen bereits über 110 Proof of Concepts, auch Unternehmen in der Schweiz sind schon sehr aktiv, berichtet Deutschmann. Für ihn steht zudem fest: "AI kann bereits Channel-Geschäft sein", vor allem mit einer Out-of-the-Box-Lösung wie Private GPT, die sich sowohl direkt beim Kunden als auch mandantenfähig beim Partner selbst betreiben lässt. Allerdings nur, wenn der Dienstleister auch über das nötige Skillset verfügt. "Aber eine Menge Partner bringen das schon mit", allein hierzulande 20 bis 25 der aktuellen Fujitsu-Partner. Und wer noch nicht soweit ist, den will Fujitsu im Rahmen der eigenen Academy beim Know-how-Aufbau unterstützen, um das KI-Potenzial gemeinsam schnell heben zu können.

Grösste Veränderung seit 15 Jahren

Der Wandel des Partnerkanals in Richtung Lösungsgeschäft soll vor allem auch vom neuen, vor wenigen Wochen vorgestellten Partnerprogramm gestützt werden, das der heutigen Ausrichtung des Konzerns Rechnung trägt und das bisherige Select Partner Program ablöst. Es ist die "umfangreichste Veränderung seit 15 Jahren", trommelt der Anbieter in seiner Ankündigung. Auch hier stand vor allem Vereinfachung im Fokus. Aus den ehemals vier sind nur noch drei Partnerlevel geworden: Essential, Advanced und Strategic. Partner erhalten im Gegenzug für ihre Qualifizierung verschiedenste Vorteile wie bei Essential-Partnern beispielsweise Projektpreise bereits bei Kleinstmengen, Kickbacks für verschiedene Produktlinien (Rising Stars) sowie umfangreiche MDF-Unterstützung. Für das Advanced-Level ist wiederum ein separater Bonusvertrag erforderlich, dafür gibt es aber auch Projektpreise, Dealregistrierung, erweiterten Zugriff auf das Partnercockpit mit verschiedensten Metriken sowie einen Neukundebonus über 5 Prozent und bis zu 4 Prozent Bonus auf das Jahresvolumen beziehungsweise 8 Prozent für Strategic-Partner. Auf höchstem Level sind somit bis zu 13 Prozent Bonus möglich.

Voraussetzung für die Advanced-Stufe ist ein Fujitsu-Umsatz ab 75'000 Franken aufwärts. Das Strategic-Level setzt hingegen satte 2,5 Millionen Franken voraus, was sich laut Deutschmann vor allem aus der grenzübergreifenden Gültigkeit des Partnerprogramms und den entsprechend grossen Partnern beispielsweise in Deutschland ergibt. Es handle sich daher auch um die "Goldliga" mit lediglich zwei entsprechenden Partnern in der Schweiz. Advanced-Partner soll es wiederum etwa 40 bis 45 geben, allerdings ist der Qualifizierungsprozess hier noch nicht abgeschlossen.


Alles in allem verspricht Deutschmann ein enorm attraktives Paket und eine üppige Investition in die Partnerlandschaft und deren Ausbau. Eine straffe Aufgabe. Denn im Zuge des Client-Abschieds ist der Anteil des indirekten Geschäftes von ehemals 80 Prozent auf 60 Prozent abgesackt, 40 Prozent werden somit direkt gemacht. Fujitsu arbeitet seit jeher zwar "Channel prefered", aber eben nicht "Channel exclusive". Der hohe Direktanteil sei allerdings lediglich ein Übergangszustand, verspricht Deutschmann. Das Ziel sei ganz klar, den Channel-Anteil wieder auf mindestens 80 Prozent hochzufahren. 100 Prozent kann und will der Hersteller hingegen nicht ins Auge fassen. So sei es bei einigen grossen Legacy-Kunden schlicht nicht möglich, Partner mit an Bord zu holen. Neukunden werden jedoch ausschliesslich über den Channel betreut und auch geeignete Bestandskunden sollen an Partner übergeben werden.

In Verbindung mit der Ansprache neuer Partner erhofft sich Fujitsu somit, das indirekte Geschäft auch im reinen Datacenter-Umfeld schnell wieder auf den bisherigen Stand zu bringen. Und erste Ergebnisse sind vielversprechend. Nicht nur das Feedback fällt laut Deutschmann positiv aus. Von den angepeilten 25 zusätzlichen Partnern bis Ende des Fiskaljahres konnte das Team bereits fünf gewinnen. Und der Fokus liegt dabei mittlerweile nicht mehr nur auf IT-Dienstleistern und klassischen Resellern, wie der Manager berichtet. Sondern gerade im KI-Umfeld auch auf Consulting-Firmen, die sich zusehends auf Business-Prozesse konzentrieren. "Mit diesen Partnern können wir neue Märkte entwickeln."

Zusätzliche Partner finden, bestehende Partner skalieren – Fujitsu gilt seit jeher unter den grossen Hardware-Herstellern als besonders Channel-orientierter Anbieter. Diesen guten Ruf will das Unternehmen auch nach dem für viele IT-Dienstleister beklagten Abschied aus dem CCD-Geschäft offensichtlich nicht aufs Spiel setzen.

Fujitsus Abschied aus dem Client-Geschäft

Im August 2023 hat Fujitsu angekündigt, das Client-Geschäft in Europa komplett einzustellen. Noch bis Anfang 2024 lieferte der japanische Hersteller Produkte wie Desktop-PCs, Notebooks, Thin Clients, Workstations und Peripheriegeräte – seit vergangenem April ist nun aber offiziell Schluss. Wartungs- und Garantieleistungen wird Fujitsu aber auch darüber hinaus erfüllen. Ersatzteile für die betroffenen Geräte liegen noch für weitere fünf Jahre auf Lager.

Fujitsu hatte im globalen PC-Markt aber bereits zuvor nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt. Während der Gesamtmarkt seit Jahren rückläufig ist, konnten sich zuletzt vor allem Dell, HP und Primus Lenovo im Spitzenfeld positionieren. Fujitsu reagierte wiederum Schritt für Schritt auf die rückläufige Nachfrage: ein Joint Venture mit Lenovo sollte ab 2018 Synergien in Forschung, Entwicklung und Produktion eröffnen, 2020 schloss der Hersteller dann sein Werk am Standort Augsburg und lagerte die Fertigung nach Asien aus. Gefruchtet haben die Massnahmen nicht. Mit dem CCD-Aus konzentriert sich Fujitsu in Europa nun komplett auf das Datacenter- und Plattform-Geschäft.


Viele Partner sehen die Entscheidung jedoch mit gemischten Gefühlen. "Schade, dass es wieder Europa trifft. Schade, dass der Rest der Welt von diesen perfekten Endgeräten profitieren kann – nicht aber der europäische Markt", erklärte Patrick Wyss, CEO von IT-Dienstleister BWO, im vergangenen Jahr. Gleichzeitig gibt es aber auch Verständnis im Channel: "Das Ganze ist unerfreulich, aber es zeigt, dass die Bedeutung Europas im weltweiten Geschäft nicht die Priorität hat, die wir Europäer uns gerne vorstellen – das wird bei Fujitsu nicht das letzte Mal sein, dass wir das erleben werden", so Kabera-Geschäftsführer Markus Kammermann.


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