Mit der Schweiz verbindet
Enreach eine lange Historie. Bereits seit über 20 Jahren arbeitet der UC-Anbieter, damals noch unter dem Namen
Swyx, mit dem Horgener Distributor
Primenet zusammen, der als enger Partner hierzulande wie eine "verlängerte Werkbank" agiert. In diesem Gespann ist das Geschäft stets gut gelaufen, berichtet Ralf Ebbinghaus, Geschäftsführer von Enreach Deutschland, im Interview. Sicher, Höhenflüge gab es keine, wie sich zwischen den Zeilen erahnen lässt. Aber die rund 100 lokalen Partner haben zusammen mit Primenet für stabile Umsätze gesorgt (Zahlen nennt das Unternehmen nicht) und die PBX und andere Kommunikationslösungen auch in den hiesigen Markt getragen.
Aber Wachstumspotenzial gibt es ohne Frage. Denn ein dediziertes regionales Team hatte Enreach bisher nicht und auch gezielte Investitionen in den Ausbau des Schweizer Geschäfts standen bis vor kurzer Zeit nicht auf der Agenda des Teams aus Dortmund, das seit einigen Jahren zur niederländischen Enreach-Gruppe gehört. Das verwundert jedoch wenig. Immerhin gab es anderenorts alle Hände voll zu tun. Nach der Akquisition im Jahr 2018 erfolgten 2021 die Umfirmierung von Swyx zu Enreach und parallel weitere Übernahmen des Mutterhauses – unter anderem von DSD Europe, Centile, Botsquad, M Mobility und Herobase. Anschliessend hiess es, die zugekauften Technologien in das eigene UC-Portfolio sowie die neuen Kolleginnen und Kollegen in die bestehenden Strukturen zu integrieren. Langweilig dürfte es den Dortmundern unterdessen also nicht geworden sein.
Neuer Ansprechpartner
Jetzt rückt der Schweizer Markt aber wieder stärker in den Fokus der internationalen Wachstumsbemühungen. Nicht zuletzt aufgrund von Lukas Hilke, der vor rund einem Jahr den Posten als Key Account- und Channel Account-Manager für die Schweiz, Österreich und Italien übernommen hat. Er treibt das regionale Geschäft voran, fungiert als direkter Ansprechpartner für den Channel und soll in dieser Rolle neue Partner gewinnen und letztlich die Umsätze steigern. Mit Erfolg, wie Ebbinghaus berichtet. Hierzulande würden sich die Zahlen bereits sehr positiv entwickeln. Für weitere Sprünge sollen dann künftig neue Partner und Kunden sorgen.
Produktseitig setzt
Enreach vor allem auf das Thema Künstliche Intelligenz. Unter anderem mit der Übernahme des niederländischen Unternehmens Botsquat hatte sich die Gruppe entsprechendes Know-how an Bord geholt und eigene Bots für den Kundenservice entwickelt, die als fertig konfigurierte Pakete unter anderem auf die Anforderungen von Werkstätten, Arztpraxen und Restaurants abgestimmt sind. Sie sollen in der Kundenkommunikation helfen, indem sie einfache Aufgaben wie beispielsweise Terminanfragen übernehmen, bevor sich gegebenenfalls ein menschlicher Mitarbeiter zuschaltet.
Im Enreach-Portfolio spielt KI eine tragende Rolle. Dabei war das Feedback aus dem Markt kurz nach der Übernahme von Botsquad und den ersten Produktvorstössen noch verhalten, wie Ebbinghaus berichtet. Es sei schlicht zu früh für das Thema gewesen. Nach dem Siegeszug von ChatGPT und Co. sieht das hingegen ganz anders aus. Der Enreach-Geschäftsführer sieht mittlerweile eine enorme Geschäftschance für Partner rund um den gesamten KI-Bereich. Die Bot-Apps getauften Voicebots seien zwar kein hochkomplexes technisches Hexenwerk, aber gezielt auf ihren Einsatzzweck abgestimmt und somit praxisorientierte Lösungen, um Prozesse zu automatisieren und Teams zu entlasten. Zudem sind die Bots nicht nur als Bausteine für die UC-Systeme des Herstellers erhältlich, sondern auch als Stand-alone-Angebote. Damit können sie laut Ebbinghaus ein spannendes neues Geschäftsfeld für Partner und ein potenzieller Türöffner auch bei Unternehmen sein, die bereits Kommunikationslösungen von anderen Anbietern im Einsatz haben.
"Die Reibung für uns nutzen"
Ohnehin zeigt sich Enreach offen in Richtung Wettbewerb – vor allem bei Microsoft und der omnipräsenten Kommunikationslösung Teams. "Teams ist mittlerweile eine Basistechnologie", bekräftigt der Enreach-Geschäftsführer. Statt also auf Konfrontation mit dem Redmonder Riesen zu gehen, setzt Enreach stattdessen auf Integration. Das Geschäft mit Konnektoren, mit denen Unternehmen Teams unter anderem um Telefonie-Funktionen und DECT-Einbindung erweitern können, laufe hervorragend. Mit seinem eigenen UC-System positioniert sich Enreach aber gleichzeitig als direkter Wettbewerber zu Microsoft sowie anderen grossen, vor allem US-amerikanischen Anbietern – und das als europäische Alternative. Immerhin bleibt der Datenaustausch mit den USA weiterhin eine rechtliche Grauzone. "Als europäischer Händler würde ich immer auf die sichere Lösung setzen", so Ebbinghaus.
Hinzu komme die grundsätzliche Verunsicherung im Markt: ein potenzieller Wachstumstreiber für
Enreach. Denn das noch vor einigen Jahren von wenigen grossen internationalen Anbietern dominierte UC-Segment hat sich zuletzt entscheidend verändert. Die Übernahme von Unify durch Mitel, das Insolvenzverfahren von Avaya, der Verkauf von Alcatel-Lucent Enterprise nach China: "Es gibt eine Orientierungskrise bei den Partnern. Wir hören, dass die Zusammenarbeit mit den etablierten Herstellern immer schwieriger wird", berichtet Ebbinghaus. Das will der Hersteller gezielt adressieren und verunsicherte Partner abholen. "Auf diesen Hilferuf wollen wir reagieren und die Reibung für uns nutzen."
Bei dieser Differenzierungsstrategie spielt auch das Thema Bereitstellungsmodelle eine entscheidende Rolle. Während viele Wettbewerber in Richtung Cloud-only drängen, setzt Enreach auf Flexibilität und Wahlmöglichkeit. Zwar steigt auch beim niederländischen UC-Anbieter die Cloud-Nachfrage, mittlerweile macht sie 50 Prozent des Neugeschäftes aus. Zusätzlich bietet Enreach aber auch weiterhin klassische Kauflizenzen sowie das Mietmodell Flex für den Betrieb auf der eigenen Infrastruktur oder der Infrastruktur des Partners an. "Es gibt immer noch genug Kunden, die Lizenzen einfach kaufen wollen", erklärt Ebbinghaus. "Und so lange werden wir das auch anbieten." Zudem gehe auch eine Kauflizenz stets mit der Chance einher, dass der Kunde zu einem späteren Zeitpunkt in die Cloud migriert. "Und am Ende bin ich glücklich über jeden Kunden", so der Geschäftsführer. Auch wenn Enreach selbst ebenfalls in Richtung Cloud tendiert.
Es ist ein Gesamtpaket, das der UC-Anbieter jetzt auch verstärkt Schweizer IT-Dienstleistern schmackhaft machen möchte. Konkrete Zielwerte bei Partner- oder Umsatzzahl gibt es dabei nicht (zumindest werden sie nicht kommuniziert), Chancen für den Anbieter dafür umso mehr, wie Ebbinghaus unterstreicht. Immerhin sei der Schweizer Markt mittelständisch geprägt und passe somit ideal zur Ausrichtung von Enreach. Zudem waren die nunmehr strauchelnden US-amerikanischen UC-Riesen hierzulande stark vertreten. Nun ist es an Lukas Hilke und
Primenet, den hiesigen Channel ebenfalls vom eigenen Angebot zu überzeugen.
(sta)