"IT Reseller": Herr Haeser, was waren eigentlich Ihre Gründe, zu Sunrise zu wechseln? Sie waren zuletzt in einem anderen Bereich, für ein Fintech-Unternehmen und für Hapag-Lloyd tätig. Thorsten Haeser: Einer der wesentlichen Gründe ist sicherlich Sunrise selbst. Sunrise ist ein spannendes Unternehmen, – auch spannend positioniert im Schweizer Markt als Challenger von Swisscom. Und ich war immer sehr gerne bei Unternehmen, die sich so positionieren. Man kann viel gewinnen, kennt die Richtung und ich finde, es ist viel schöner, Marktanteile zu gewinnen als diese zu verteidigen. Zudem sind der Spin-off und der Börsengang für den Herbst geplant. Das heisst, wir befinden uns gerade in einer sehr spannenden Phase. Und da meine Wurzeln ohnehin in der Telekommunikation liegen – ich habe ja viele Jahre lang für O2 Telefónica gearbeitet –, heisst es für mich back to the roots.
Sie leiten seit September den Business-Bereich. Warum sind Sie der Richtige für diesen Job?Das muss man andere fragen (lacht). Aber ich bin seit über 20 Jahren im B2B-Bereich tätig und bringe sehr umfassende Erfahrung mit ein, national und international. Zudem habe ich rund 15 Jahre lang in der Telekommunikation gearbeitet. Die Aufgabe passt daher sehr gut zu meinem Profil. Ich habe immer Wachstum gemanagt, das macht mir Spass und darum geht es letztlich auch: Wir wollen wachsen!
Ist das eine Kampfansage an den Wettbewerb? Gerade auch in Richtung Swisscom?Das ist immer eine Kampfansage an den Wettbewerb (lacht). Aber das muss man auch sportlich sehen. Wer, wie ich, in der Jugend viel Sport getrieben hat, weiss, dass es toll ist, an grossen Gegnern zu wachsen. Ich freue mich darauf, dem Wettbewerb mit dem Team zusammen das eine oder andere Schnippchen zu schlagen und Kunden zu Sunrise zu holen beziehungsweise von anderen wegzuholen. Das muss einem Spass machen, sonst ist man wohl in der falschen Rolle.
Sehen Sie im B2B-Bereich vor allem die anderen Netzbetreiber als Konkurrenz oder mittlerweile auch IT-Dienstleister?Im ICT-Bereich empfinde ich das eher als Partnerschaft. Das muss man technisch etwas trennen. Denn am Ende des Tages sind wir ein Netzbetreiber, der Festnetz, Mobilfunk, Connectivity und FMC anbietet und on top, also auf Basis des Netzwerkes, zudem ICT-Lösungen. Und das meistens zusammen mit Partnern. Ob das nun Microsoft, Accenture, Cisco, Huawei oder AWS ist. Das sind alles Partner, mit denen wir Hand in Hand zusammenarbeiten und die wir als Experten nutzen, um den Kunden Lösungen aus einer Hand anzubieten. Und dann gibt es die vielen kleineren IT-Partner, die beispielsweise Software-Lösungen anbieten und mit denen wir gemeinsam die KMU bedienen. Auch das sind unsere Partner und weniger Wettbewerber.
Ist denn für diese kleineren Partner Platz im indirekten Vertrieb? Ihr Vorgänger Robert Redeleanu wollte den Fokus vor allem auf grössere, zentrale Partner legen.Sicher, wenn man wachsen will, dann muss man den ganzen Markt ansprechen. In der Vergangenheit haben wir bewiesen, dass wir die grossen Kunden, unsere Flagship Customer, gut bedienen können. Beispielsweise die Migros, die UBS und die Post. Das hilft uns im Mittelstand beziehungsweise im KMU-Bereich. Hier gibt es vielleicht die eine oder andere Sorge, ob wir der richtige Partner sind, weil wir kleiner als die Swisscom sind. Jetzt haben wir aber gezeigt, dass wir eben grosse Unternehmen und somit auch den Bedarf eines mittelständischen Kunden bedienen können, der weit weniger Komplexität mit sich bringt. Daher kann ich nicht sagen, dass wir uns nur auf grosse Enterprises oder nur auf kleine Kunden konzentrieren wollen. Wir wollen den gesamten Markt bearbeiten und haben für jeden die richtige Lösung.
Sunrise ist also der richtige Partner für ein Unternehmen mit beispielsweise 200 Mitarbeitern? Oder muss der Kunde Angst haben, dass er in der Hotline hängt, wenn die IT mal hakt? Wir sind sicherlich der richtige Partner für den Mittelstand. Natürlich kann ich nicht ganz ausschliessen, dass jemand mal in der Service-Hotline hängt, nobody is perfect. Wir haben für verschiedene Partner verschiedene Zugänge und für die KMU einen entsprechenden Kanal mit passender Hotline, Service-Levels und weiterem Support, den Partner und Kunden nutzen können und über den wir sie dediziert bedienen. Wir haben grundsätzlich die richtigen Lösungen, um mit Unternehmen von klein bis gross wachsen zu können. Und das muss unser Anspruch sein. Wir wollen Unternehmen auf ihrer digitalen Transformations-Reise begleiten und haben uns so aufgestellt.
Sie positionieren Sunrise also gezielt als ICT-Provider, der alle Bereiche der Digitalisierung von A bis Z abdeckt?Wir müssen und tun das auch. Das macht fast jeder grosse Netzbetreiber im B2B-Bereich. Und wir bieten die gleichen Leistungen an wie eine Deutsche Telekom, Vodafone oder eine Swisscom, weil wir dort auf ähnliche Partner setzen und die gleichen Kompetenzen im Haus haben wie andere Unternehmen.
Sind diese Kompetenzen bereits aufgebaut? Robert Redeleanu hatte von einer weitreichenden internen Transformation gesprochen. Auch wir sind aktuell dabei, uns zu transformieren. Eine sichtbare Transformation findet durch den angesprochenen Börsengang statt. Das verändert ein Unternehmen, ohne Frage. Aber es geht um die Frage, wie man heute Vertrieb macht. Das ist ein anderer Vertrieb als noch vor fünf oder zehn Jahren. Es sitzt nicht auf der einen Seite ein Verkäufer, der auf der anderen Seite einfach einem Einkäufer etwas verkaufen will. Unternehmen haben heute professionelle Buying Center. IT-Leiter, Ingenieure, Techniker versuchen, gemeinsam mit den kommerziellen Kollegen die richtige Lösung zu finden. Die Welt, in der wir leben, ist an vielen Stellen komplexer geworden und wird immer komplexer. Das muss sich auch im Vertrieb widerspiegeln.
Kommt dieser lösungs- und beratungsorientierte Vertrieb von Sunrise oder von Partnern?Das sehe ich bei unseren Vertriebsteams genauso wie bei unseren Partnern. Es kommt auch immer auf das Produkt an. Wenn wir einem Kunden mit Tausenden Filialen eine komplexe SD-WAN- oder Connectivity-Lösung anbieten, dann ist das mit uns genau das gleiche wie mit einem Partner. Diese Lösung verkaufen wir zusammen mit Ingenieuren und Technikern. Das wird heute im Markt erwartet und das liefern wir schon. Wir stecken mitten in dieser Transformation und mein Vorgänger hat einen sehr guten Job gemacht. Gleichzeitig ist die Transformation noch nicht abgeschlossen – ich bin mir nicht sicher, ob sie das je sein wird. Immerhin wollen wir uns stetig weiterentwickeln und keinen Stillstand.
Wie verhindern Sie Reibereien unter den Kanälen, wenn indirekt und direkt im selben Teich gefischt wird?Kanalhygiene ist ein Thema, das so alt wie der Vertrieb selbst ist. Da mache ich es mir mal kurz einfach: Wenn man 20 bis 30 Prozent Marktanteil hat, dann hat man deutlich mehr zu gewinnen als zu verlieren. Reibereien sind also nicht meine Kernsorge. Das kommt sicherlich hier und da mal vor, aber am Ende sind es zwei Vertriebseinheiten, die getrennt agieren. Sicher schlagen mal ein Partner und ein direkter Vertriebler beim Kunden auf, aber dann trifft am Ende der Kunde die Entscheidung. Das ist das, was ich meinen Vertriebsleuten immer sage: Wenn der Partner besser ist, dann verliert ihr den Kunden, weil ihr das nicht hingekriegt habt. Wenn der Partner einen besseren Pitch gemacht hat, dann ist das in Ordnung.
Also gibt es keine klare Trennung nach Unternehmensgrösse oder Produktbereichen?Nein, ich finde das falsch. Wir haben einen ganzen Markt zu gewinnen und diesen Markt muss ich sowohl direkt als auch indirekt bearbeiten. Ich kann mir nicht erlauben, zu sagen: Nö, das machen wir jetzt nur direkt oder indirekt.
Das ist also nicht Ihre Kernsorge. Was ist dann Ihre grösste Sorge?(lacht) Da habe ich jetzt gar nicht so viele. Es gibt aber viele Ideen und Dinge, die ich umsetzen will. Und die kosten alle Zeit und es gilt, alles in die richtige Reihenfolge und Priorisierung zu bringen. Aber wie vieles im Leben geht das nicht alles sofort und unmittelbar.
Und was sind die wichtigsten Projekte mit der höchsten Priorität?Wir schauen uns gerade unser Produktportfolio an, was wir wie optimieren und standardisieren können. Wir schauen uns die Themen Digitalisierung, Portal und Service an. Und wir prüfen, wie wir den Partnern ein besseres Interface bieten können. Wir haben also viele Themen, die wir aktuell parallel angehen. Das geht, wie gesagt, nicht alles sofort, aber wir verfolgen einen guten Plan und ich bin optimistisch, dass wir diesen auf die Strasse bringen.
Gab es zu Ihrem Start denn Baustellen oder war es ein fliessender Übergang?Ich habe wirklich die beste Übergabe bekommen, die ich je in meinem Leben hatte. Mein Vorgänger Robert war noch drei Wochen mit mir gemeinsam hier und hat die Themen wunderbar übergeben und stand auch danach noch zur Verfügung. Und ich habe nichts gesehen, was ich komisch finde oder wo ich sage «Um Gottes willen, jetzt müssen wir einen Kursschwenk machen» oder «Das ist alles ganz falsch». Also strategisch ändert sich die Richtung nicht, wir führen das fort, was wir angefangen haben, und passen gegebenenfalls etwas nach links oder rechts an. Aber das ist ja ganz normal.
Sie haben bereits das Produktportfolio angesprochen: Wo sehen Sie bei einem wachsenden Angebot die Kernkompetenzen von Sunrise?Wir müssen immer sagen: Wir sind ein Telekommunikationsanbieter – und das gemäss regelmässigen Benchmarks mit einem der besten Mobilfunknetze und besten Festnetze in Europa. Das können wir offensichtlich also gut und besser als viele internationale Kollegen. Das ist unsere Kernkompetenz. Und wir sagen gleichzeitig nicht, dass wir alles selbst machen müssen. Sondern wir suchen die richtigen Partner, um unsere Kompetenzen um die des Partners zu ergänzen. Da haben wir die richtige Richtung gewählt, denn ich sehe keinen Sinn darin, mit Microsoft in den Wettbewerb zu treten. Da nutze ich die Zeit lieber, um Microsoft von uns als Partner zu überzeugen, um dem Kunden gemeinsam eine gute Lösung anzubieten.
Sind Sie denn zufrieden mit der Performance Ihrer Schweizer Vertriebspartner? Das ist eine schwierige Frage. Es gibt Hunderte, um nicht zu sagen Tausende Vertriebspartner in der Schweiz. Das lässt sich schlecht pauschalisieren. So vielfältig wie unser Vertrieb ist, so unterschiedlich sind die Partner. Aber grundsätzlich bin ich zufrieden mit der Partnerlandschaft. Sie spiegelt das wider, was im Schweizer Markt erforderlich ist, und bedient einen grossen Teil unserer Kunden ausgezeichnet. Ich glaube sogar, an vielen Stellen muss sich Sunrise anstrengen, ein guter Partner für die Partner zu sein. Das können wir sicher noch besser machen.
An welchen Hebeln wollen Sie genau ziehen?Wir müssen Interfaces bieten, die es unseren Partnern leicht machen, mit uns zusammenzuarbeiten. Stichwort Portal und Digitalisierung. Da können wir auf jeden Fall noch besser werden. Das müssen wir auch. Das gebe ich offen zu. Es geht um Service-Konzepte und wie wir besser zusammen auf den Kunden zugehen. Was sind dabei die Propositions, die man gemeinsam verkaufen möchte? Je mehr Zeit und Energie man mit dem Partner in die Vorbereitung steckt, umso besser ist das Ergebnis und umso enger die Zusammenarbeit mit dem Partner. Hier müssen wir uns zusammensetzen und besprechen, wie wir das intensivieren und ein besseres Ergebnis für den Kunden erzielen können. Das ist wohl der nächste Schritt für mich: Ich will auf die Partner in der Schweiz zugehen und gemeinsam überlegen, was wir besser machen können.
(sta)