"IT Reseller": Herr Fanzun, wie waren Ihre ersten Wochen in neuer Rolle?Jon Fanzun: Die ersten Wochen waren auf jeden Fall sehr spannend. Immerhin durfte ich gleich mit einer grossen Feier zum 30-jährigen Jubiläum unseres Recycling-Systems starten. Diese und weitere Gelegenheiten boten mir die Möglichkeit, bereits viele wertvolle Kontakte zu knüpfen. Verbandsarbeit ist im Kern ein People Business. Es geht darum, die Bedürfnisse der Unternehmen zu verstehen, im Dialog zu bleiben und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die für alle optimale Rahmenbedingungen schaffen. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen, die Branche kennenzulernen.
Sie kommen aus der Politik, die Branche ist sicher in vielen Bereichen neu für Sie. Sind es noch viele unbekannte Gesichter und Themen?Die Branche ist in der Tat vielfältig. Insofern ist einiges neu. Dennoch sind mir die meisten Themen, welche die Branche beschäftigen, durchaus vertraut. Zudem habe ich mich im Aussenministerium mehrere Jahre mit digitalen Themen beschäftigt und ich durfte die Schweiz in diesen Themen auf internationaler Ebene vertreten. Diese Erfahrung hat mir bereits ein gutes Verständnis für technologische Entwicklungen und ihre wirtschaftliche Bedeutung vermittelt. Aber natürlich lerne ich jeden Tag etwas dazu.
Ist das auch Vorteil? Ein ungetrübter Blick auf die Branche?Kann sein. Ich bin ein neugieriger Mensch und stelle vielleicht Fragen, die man nicht stellt, wenn man seit 20 Jahren in der Branche tätig ist. Das führt oft zu wertvollen Diskussionen, da es die Menschen dazu bringt, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Kommentare wie «So habe ich das noch gar nicht gesehen» höre ich dann häufiger. Gleichzeitig bin ich jedoch sehr dankbar für mein erfahrenes, tolles Team. Dessen Branchenkenntnis ist unverzichtbar. Ohne mein Team wäre ich verloren (lacht).
Was hat Sie nach über 20 Jahren Politik eigentlich dazu bewogen, die Stelle bei Swico anzunehmen?Der rote Faden, der sich seit meinem Studium durch meinen Werdegang zieht, ist ganz klar die Politik. Auch in einem Wirtschaftsverband wie Swico spielt Politik eine zentrale Rolle. Es geht darum, die Interessen unserer Mitglieder in einem komplexen und oft herausfordernden politischen Umfeld zu vertreten. Meine über 20 Jahre Erfahrung im politischen Bern helfen da, um zwischen den unterschiedlichen Akteuren – sei es in der Politik, der Wirtschaft oder der Gesellschaft – erfolgreich zu navigieren. Aber zur Frage: Swico ist ein toller Verband und als ich sah, dass die Stelle frei wird, habe ich mich umgehend beworben. Swico vereint die Themen Innovation und Nachhaltigkeit auf eine einzigartige Weise. Diese Kombination macht die Arbeit hier so spannend. Es geht um zukunftsweisende Lösungen, die nicht nur den technologischen Fortschritt fördern, sondern auch nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen.
Der Berner Politikbetrieb fehlt Ihnen also noch nicht? Oder sind sich die Aufgaben ohnehin so ähnlich?Der Berner Politikbetrieb wird mich weiterhin beschäftigen, nun in einer anderen Rolle. Es ist wichtig, dass wir politisch Gehör finden und die Anliegen unserer Mitglieder in Bern platzieren können. Es gibt Parallelen zu meinen früheren Tätigkeiten. Dazu gehört das Management oder auch die Interessenvertretung. Neu ist, dass ich das Gesicht oder die Stimme des Verbands bin und Interviews wie dieses gebe.
Ziehen Branche und auch Verbände denn stärker an einem Strang, als das in der Politik der Fall ist?Nicht unbedingt. Auch in der Verbandslandschaft gibt es verschiedene Interessen. Das führt zu divergierenden, manchmal gegensätzlichen Positionen, ähnlich wie in der Politik. Für die politischen Entscheidungsträger ist es dann oft schwierig, den Überblick zu behalten und zu verstehen, wer welche Interessen vertritt. In einer Demokratie sind unterschiedliche Meinungen selbstverständlich legitim und wichtig. Was die Digitalbranche und das Recycling angeht, wünsche ich mir aber, dass wir mit einer starken Stimme sprechen. Das hat mehr Wirkung. Und dort, wo es unterschiedliche Meinungen gibt, ist eine Rollenteilung sinnvoll. Denn eine Kakophonie bringt uns nicht weiter. Und das gilt nicht nur für die Digitalbranche.
Was ist also Ihr Vorschlag?Es gilt, stärker mit anderen Wirtschaftsverbänden zusammenzuarbeiten. Da darf es auch keine Trennung zwischen Old Economy und New Economy geben. Die Zukunft gehört der Vernetzung. Es geht nicht nur darum, die eigenen Brancheninteressen zu verfolgen, sondern gemeinsam für den gesamten Wirtschaftsstandort Schweiz Strategien zu entwickeln, die unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Das bringt auch unsere Branche vorwärts. Meine Vision ist, dass wir gemeinsam über Branchengrenzen hinweg agieren, um Synergien zu nutzen und nachhaltige Standortvorteile zu schaffen. Einzelne Initiativen in diese Richtung gibt es bereits, aber hier besteht noch erhebliches Potenzial für eine intensivere Zusammenarbeit.
Sie werden also den Dialog suchen, auch mit anderen Verbänden wie Digital Switzerland und Swiss ICT?Selbstverständlich. Dieser Dialog ist wichtig und wird gepflegt. Dank meiner bestehenden Netzwerke habe ich bereits zahlreiche wertvolle Kontakte, die ich gezielt nutzen werde, um Kooperationen zu fördern und eine stärkere gemeinsame Stimme zu entwickeln. Natürlich ist das nicht immer einfach, da unterschiedliche Prioritäten berücksichtigt werden müssen.
Geht es also darum, Kompromisse zu finden, anstatt allein Swico-Positionen durchzudrücken?Natürlich gibt es zentrale Themen, bei denen wir keine Kompromisse eingehen dürfen, da sie von grundlegender Bedeutung für die ICT-Branche sind. Gleichzeitig gibt es aber auch weniger kritische Bereiche, in denen Kompromisse Teil eines konstruktiven politischen Prozesses sind. Wichtig ist dabei, dass wir von Anfang an klar und transparent kommunizieren, was machbar ist und was nicht. Ein Kompromiss darf nicht zu Lasten der Branche gehen oder Lösungen hervorbringen, die nicht tragfähig sind.
Swico hat sich traditionell immer für Selbstverantwortung und Wirtschaftsfreiheit stark gemacht. Einer unserer Grundsätze ist, der Branche so viel Freiheit wie möglich zu gewähren. Als liberaler Mensch bin ich fest davon überzeugt, dass unnötige Gesetze vermieden werden sollten. Oftmals erweisen sich branchenspezifische Lösungen als effektiver und praxistauglicher als staatliche Regulierungen.
Gleichzeitig hat die Vergangenheit aber auch gezeigt, dass es nicht immer funktioniert, der Wirtschaft einfach möglichst viel Spielraum zu lassen. Ein aktuelles Beispiel ist sicher Künstliche Intelligenz. Das Thema Künstliche Intelligenz ist tatsächlich ein gutes Beispiel. Die Diskussion verfolge ich sehr aufmerksam, und es wäre meines Erachtens ein Fehler, die Regulierung der EU einfach zu kopieren. Vielmehr sollten wir nach dem Motto vorgehen: Lose, luege und dann erst laufe. Viele Experten plädieren dafür, zunächst technologieneutral zu beobachten und nicht voreilig Massnahmen zu ergreifen, die Chancen behindern könnten. Die Schweiz hat im KI-Bereich noch einige Trümpfe in der Hand, die wir spielen sollten, bevor wir unnötig stark regulieren. Auch deshalb haben wir im Swico unser KI-Positionspapier veröffentlicht, das genau auf diese Balance abzielt: Innovation ermöglichen und gleichzeitig potenzielle Risiken im Blick behalten. Wir erwarten von der Auslegeordnung des Bundesrates, die Ende des Jahres kommt, dass man vor allem abwartet, punktuell prüft und gezielt handelt, wo es nötig ist. Das bedeutet nicht, dass Regulierung per se schlecht ist. Ein klarer rechtlicher Rahmen kann Rechtssicherheit schaffen und positive Entwicklungen fördern. Aber ich bin überzeugt, dass im ersten Schritt die Selbstverantwortung der Unternehmen im Vordergrund stehen sollte – und die Regulierung dann folgen muss, wenn es wirklich erforderlich ist. Sprich: es braucht smarte Regulierung.
Hat die Schweiz also mit dem richtigen Rahmen noch die Chance, gerade mit Blick über den Atlantik, eine Führungsrolle beim Thema KI einzunehmen? Absolut. Die Schweiz hat hervorragende Voraussetzungen, um in der KI-Entwicklung eine zentrale Rolle zu spielen. Unsere international führenden Universitäten und Hochschulen, das starke Innovationsumfeld und viel führende Unternehmen, die hier massiv in Forschung und Entwicklung investieren, sind echte Vorteile. Es müssen nicht immer Schweizer Firmen sein – entscheidend ist, dass wir ein attraktiver Standort bleiben, an dem wichtige Akteure in Zukunft auf KI setzen. Die Rahmenbedingungen stimmen bereits und diese Chance sollten wir unbedingt nutzen, anstatt uns durch unnötige Regulierungen auszubremsen. Allerdings braucht es dafür auf der politischen Ebene die Bereitschaft, in wichtigen Themen tragfähige Lösungen zu finden. Ich denke hier an die Sozialwerke, die Energiepolitik oder auch die Europapolitik.
Wie bewerten Sie denn vor diesem Hintergrund den aktuellen Status quo der Schweizer IT-Branche?Trotz gewisser Unsicherheiten bleibt die Schweizer ICT-Branche eine der dynamischsten und wachstumsstärksten Sektoren des Landes. Viele innovative Unternehmen nutzen bereits heute erfolgreich die Potenziale von Künstlicher Intelligenz und treiben so ihre Wettbewerbsfähigkeit voran. In unserer Kommunikation legen wir grossen Wert darauf, diese positiven Beispiele hervorzuheben – sie zeigen eindrucksvoll, wie KI gewinnbringend eingesetzt werden kann, um Prozesse zu optimieren, Produkte zu verbessern oder neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Was sind mit Blick auf dieses wirtschaftliche wie politische Spannungsfeld aus Ihrer Sicht die Kernaufgaben des Swico?Im Zentrum unserer Arbeit stehen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für unsere Mitglieder, denn ein Verband ist nur so stark wie seine Mitgliederbasis und deren Interessen. Ein Anliegen ist darum, die Mitgliederzahl weiter zu erhöhen. Mehr Mitglieder bedeuten auch mehr Gewicht in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. In den letzten Jahren haben wir hier bereits signifikante Fortschritte erzielt. Eine ebenso zentrale Aufgabe ist es, gegenüber politischen und gesellschaftlichen Stakeholdern klar zu vermitteln, welchen entscheidenden Beitrag die ICT-Branche zu unserem Wohlstand leistet. IT wird in vielen Unternehmen oft noch als reiner Kostenfaktor gesehen, dabei ist sie ein wesentlicher Treiber für unsern Wohlstand in der Schweiz.
Welches Erbe übernehmen Sie dabei auch von Ihrer Vorgängerin Judith Bellaiche? Gab und gibt es Baustellen?Der Verband ist in sehr guter Verfassung. Das ist das Verdienst des Vorstands, meiner Vorgängerin sowie meines Teams. Judith hat einen tollen Job gemacht und konnte als Nationalrätin bei Abstimmungen gleich selber auf den richtigen Knopf drücken. Aber selbstverständlich gibt es Herausforderungen zu meistern. Ich denke, dass die Bedeutung der digitalen Wirtschaft sowie die Transformation, die wir derzeit erleben, in Gesellschaft und Politik nach wie vor unterschätzt wird.
Sie haben es angesprochen: Judith Bellaiche war Nationalrätin. Haben Sie denn ähnliche politische Hebel, die Sie für den Verband nutzen können?Ein Vorteil meiner Rolle ist mein tiefes Verständnis der politischen Prozesse in Bern und das umfassende Netzwerk, das ich über 20 Jahre hinweg aufgebaut habe. Durch meine enge Zusammenarbeit mit Bundesräten und relevanten Lobbyisten kenne ich die wichtigen Akteure und weiss, wie, wo und wann man strategisch vorgehen muss, um die Interessen erfolgreich zu vertreten. Diese Erfahrung ermöglicht es mir, die Anliegen unserer Mitglieder gezielt und mit einem klaren Plan in die politischen Diskussionen einzubringen. In Kombination mit der Expertise meines Teams und den bestehenden Netzwerken sind wir bestens aufgestellt, um die Interessen der Branche effektiv voranzutreiben.
Und welche Couleur bringen Sie als Person mit in Ihre Position ein? Wie sieht Ihr persönlicher Pinselduktus aus?Ich sehe mich als pragmatischen Menschen, der Klartext schätzt. Meinem Team habe ich von Anfang an gesagt: Wenn ich mal falsch liege, dann sagt es mir direkt. Allgemein ist mir dieser Teamgedanke wichtig. Das ist nicht nur ein dahingesagtes Wort. Natürlich bin ich als Geschäftsführer das Gesicht nach aussen. Aber mir ist es wichtig, dass wir als Team auftreten agieren. Eine meiner Stärken ist, dass ich auch meine Schwächen kenne. Darum braucht es ein Team, bei dem jeder seine Stärken einbringt. Beispielsweise masse ich mir nicht an zu sagen, wie der Recycling-Bereich im Detail laufen soll. Da habe ich Teammitglieder, die sich seit 20 und mehr Jahren und mehr damit auskennen. Ich bringe nur ab und zu eine neue Idee mit ein.
(sta)