Keine Familie, sondern eine Fussballmannschaft
Quelle: Alao

Keine Familie, sondern eine Fussballmannschaft

Der Vergleichsdienst Alao ist das Anti-Beispiel für den Trend, seine Mitarbeiter wieder ins Büro zurückzuholen. Statt auf Kontrolle und physische Nähe setzt man auf maximale Freiheit. Diese hat aber bekanntlich einen Preis.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2024/12

     

Gerade im Kontext von Firmenkultur hört man – manchmal fast schon etwas dogmatisch – das Wort «Familie». Viele Unternehmen wollen ein Zusammenschluss von Freunden respektive Familienmitgliedern sein. Man soll sich im Büro wohl oder im besten Fall eben sogar zuhause fühlen.

Dieser Ansatz ist gut gemeint und funktioniert für viele dieser Unternehmen offenbar auch, hat aber natürlich Schwächen. Schliesslich soll die Arbeitsstelle nicht nur eine Wohlfühloase sein, sondern auch der Ort, an dem man Leistung abruft, sich gegenseitig antreibt und von seinen Kollegen aus konstruktiver Kritik und speziellen Herausforderungen lernt.


Walter Salchli und Karim Mohr sind CEO respektive COO/CFO des 2018 gegründeten Mobile- und Internetabo-Vergleichsdiensts Alao und haben bezogen auf ihre Unternehmenskultur eine etwas andere Herangehensweise als den Family-Ansatz. «Wir sind keine Familie, sondern eine Fussballmannschaft», wie Salchli im Gespräch mit «IT Reseller» klarstellt. Statt familiärem Zusammenhalt will man bei Alao also vielmehr die Mannschaftsleistung fördern. Die Freude an der Arbeit soll vor allem durch gemeinsam hart erarbeitete Erfolge entstehen.

Vertrauen gegen Leistung

Die Firma zählt derzeit 42 Angestellte, etwa die Hälfte davon arbeitet im IT-Ressort. Die restlichen rund 20 Angestellten übernehmen Kundendienst, Operations, Marketing, Go-to-Market-Strategie und Management. Die grosse Besonderheit am Alao-Arbeitsmodell: Der Grossteil der Belegschaft werkelt nicht im Büro in Zürich, in dem wir Salchli und Mohr zum Gespräch treffen. Alao zählt in der Schweiz, Salchli und Mohr mitgerechnet, gerade einmal vier Angestellte, der Rest verteilt sich über mehrere Kontinente. Darunter finden sich auch einige Auslandschweizer, die etwa in der Karibik oder in Südafrika leben. Statt in einem physischen Büro arbeitet man über die Kommunikationsplattform Slack zusammen.

Im Unternehmen herrscht also eine hundertprozentige Remote-Work-Politik, das Erscheinen im Zürcher Büro ist freiwillig. «Unser Motto ist: Trust is Freedom», so Salchli. Laut dem CEO baut die gesamte Personalpolitik auf diesem Credo auf, dass die Angestellten selbst für ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort verantwortlich sind. «Unsere Kultur dreht sich um Freiheit und Vertrauen. Es geht im Kern immer nur um die Frage, was gut für die Firma, die Kunden und vor allem für unsere Mitarbeitenden ist, denn sie sind der Schlüssel zum Erfolg», wie er ausführt.


Die Gründer sind überzeugt, dass damit eine spannende und produktive Dynamik entsteht. Die Mitarbeiter sind maximal flexibel, werden gleichzeitig aber mit herausfordernden und zeitkritischen Aufgaben konfrontiert. Das passt laut Salchli für die Angestellten gut. Er berichtet zudem, dass diese Kultur eine gewisse selbstregulierende Wirkung habe – denn das Alao-Modell passt für Mitarbeitende, die diese Selbstregulierung auch schätzen. Ist das nicht der Fall, passt es naheliegenderweise überhaupt nicht, womit das Arbeitsverhältnis dann auch nicht von langer Dauer ist. «Um ihre Freiheit beizubehalten, reagieren die Mitarbeitenden sehr schnell auf jemanden, der beispielweise seine Freiheit ausnutzt», so Salchli. Das passiere aber selten – die Fluktuation sei allgemein sehr tief.

Die Mischung machts

Dass Alao damit einfach eine hoch kompetitive High-Performer-Leistungsgesellschaft pflegt, sieht er jedoch nicht: «Wenn jemand nicht ständig ein High Performer, dafür aber engagiert und hilfsbereit ist, wird es immer einen Platz für ihn bei uns geben.» Was hingegen nicht toleriert werde ist, wenn sich jemand ausklinkt und versucht, sich hinter der Arbeit der anderen und der angebotenen Freiheit zu verstecken.

In diesem Kontext fällt auch die oben bereits zitierte Aussage des CEOs, dass man die Dynamik einer Fussballmannschaft anstrebt. «Man braucht beim Fussball diese elf Menschen, die zusammenarbeiten und das Maximum leisten. Sonst funktioniert das Ganze nicht», so seine Parallele zur eigenen Unternehmenskultur.


Laut dem Gründer liessen sich die Angestellten in die beiden Kategorien «High Performer» und «Connector» unterteilen. Während die Rolle der ersten Gruppe selbsterklärend ist, liegt die Stärke der sogenannten Connectors in der Förderung der Zusammenarbeit und des Mannschaftsgefühls. Die Frage, wie man für die passende Mischung sorgt, lässt Salchli aber offen. Glück oder gutes Händchen? Schwer zu sagen.

Kameradschaft dank Herausforderungen

Viele andere Unternehmen in der Schweiz sehen das Thema Home- respektive Remote-Office sehr viel kritischer. Das wohl meistgenannte Argument gegen die Arbeit aus der Ferne ist die Mitarbeiterbindung, die laut vielen Chefs abhandenkommt oder gar nicht erst aufgebaut werden kann.

Walter Salchli und Karim Mohr winken ab. Zum einen würden die oben genannten «Connector»-Mitarbeiter viel zum Mannschaftsgefühl beitragen, das man bei Alao anstrebt. Und zweitens wachse man vor allem an den gemeinsamen Herausforderungen. «Challenges zwingen die Leute aus ihrer Komfortzone», so Salchli. «In diesen Herausforderungen entstehen die richtigen Kameradschaften.» Während entspannteren Phasen beobachtet er hingegen sogar eine leichte Lockerung des Zusammenhaltes.


Hier bietet sich erneut der Vergleich zur Fussballmannschaft an: Das Ziel ist der gemeinsam erreichte Sieg, mehr zählt im Moment des grossen Spiels nicht. Und das schweisst zusammen – weil man eben nur gewinnen kann, wenn man gut zusammenspielt.

Goooooal!

Um noch einen Moment bei der Metapher zu bleiben: Das Feiern der Tore ist für Alao ebenfalls eine zentrale Mechanik, um Zusammenhalt zu schaffen. Salchli: «Bei uns dreht sich alles um den Kunden. So werden auch die Erfolge rund um die Kundenzufriedenheit bei uns am meisten gefeiert und verbinden alle Abteilungen miteinander.» Wenn beispielsweise gute Reviews via Google reinkommen, werden diese in den entsprechenden Slack-Channels geteilt, Komplimente vergeben und sich gemeinsam gefreut.

COO Mohr betont dabei auch die Hilfsbereitschaft innerhalb der Mannschaft, speziell in Bezug auf den Kundensupport: «Für uns wichtiger als die Berufserfahrung sind das Denken und die Kultur eines Bewerbers. Die Frage ist etwa, wie jemand für das gemeinsame Ziel einsteht, wie engagiert er oder sie ist und ob jemand eine Aufgabe von einem Kollegen übernimmt und diese bearbeitet, als ob es der eigene Fall wäre.»


Die Sorge, ob diese doch recht leistungsgetriebene Kultur zu internen Konkurrenzkämpfen und Vergleichen führen könnte, weisen Salchli und Mohr entschieden von sich. Es sei eher sogar andersrum, wie Salchli ergänzt: Die Connectors seien seiner Erfahrung nach die Leute, welche die Erfolge – ihre eigenen und die der anderen – am meisten feiern und den grössten Stolz für das Unternehmen hinaustragen.

Recruiting auf dem Weltmarkt

«Wir haben viele Leute, die sogar mehr Drive in die Firma bringen als ich, der das aufgrund meiner Rolle vor allem strategisch einbringen kann. Ich bin überzeugt, dass diese Magie nur wegen der Freiheit und dem Spielraum bei uns entsteht», so der CEO. Neben dieser Überzeugung gibt es natürlich aber auch messbare und klare Vorteile der Alao-Personalstrategie. «Unsere Talentsuche beschränkt sich nicht auf ein kleines Gebiet wie beispielsweise Zürich. Damit finden wir viel einfacher Fachleute, auch für sehr komplexe Themen.»

Der grosse Nachteil daran ist aber natürlich auch, dass man bei Alao je nach Rolle und Abhängigkeiten auch mal Kompromisse bei der Arbeitszeit eingehen muss, weil die Kollegen in anderen Zeitzonen sitzen. Flexibilität wird also zwar grosszügig angeboten, aber je nach Workload und Projektphase auch eingefordert.


Ein weiterer Vorteil, wenn man sein Recruiting auf den ganzen Erdball ausweitet, ist ausserdem, dass man nicht zwingend von Schweizer Lohnniveaus abhängig ist. Die erwähnten Auslandschweizer verdienen zwar nach Schweizer Standards, wie Salchli versichert, allen anderen bezahle Alao derweil einen für ihre Region überdurchschnittlichen Lohn. Am Beispiel Argentinien rechnet Salchli etwa vor, dass man einem Entwickler dort rund 80 Prozent mehr bezahlt, als dieser lokal verdienen würde.

Persönliches nicht auf der Strecke lassen

Hier kommt ein weiterer Punkt ins Spiel, der ebenfalls gerne von Chefs genannt wird, die Home Office kritisch sehen: Das Onboarding und die Integration in die Gemeinschaft sei unmöglich ohne physische Anwesenheit. Auch hier winken die beiden Gründer ab – das sei alles eine Sache der Organisation. «Man muss sich klar Zeit nehmen für diese Leute», so Karim Mohr. «Uns ist der Respekt und die Wertschätzung gegenüber einem neuen Angestellten wichtig. Wir wollen klar zeigen: Wir investieren in dich. Das ist ein enorm relevanter Faktor, damit eine Person performen kann.»

Und damit diese so etablierte Bindung nicht abhandenkommt, werden mit den Mitarbeitenden regelmässige 1-on-1-Meetings mit Vorgesetzten abgehalten. Mohr: «In diesen können sie ihre Ideen, Sorgen oder auch alle anderen Themen einbringen.» Das führe zu viel Innovation im Unternehmen und hat zur Folge, dass das Persönliche nicht aussen vor bleibt.


Was bei der konsequent gelebten Remote-Kultur von Alao aber selbsterklärend nicht möglich ist, sind Aktivitäten in Person. Dies versuchen die Gründer durch die Unterstützung entsprechender Online-Events aber zu kompensieren. So gibt es etwa einen wöchentlichen Yoga-Kurs, der via Slack abgehalten wird oder Game-Nights, die Mitarbeiter gemeinsam organisieren.

Weitere Benefits umfassen etwa bezahlte Englischkurse oder Zuschüsse für Weiterbildungen. Und für die Kundenservice-Mitarbeiter gibt es Boni für zusätzliche verkaufte Leistungen.

«Klingt grossartig, aber…»

«…führt das alles zu einer gesunden Unternehmenskultur? Wird das nicht zu einer Ellbogengesellschaft?» wird sich nun der eine oder andere wohl fragen. Maximale Flexibilität und Freiheit heisst einerseits, dass man an einem schönen Sommernachmittag locker freinehmen kann. Andererseits aber auch, dass die Flexibilität auch von Unternehmensseite eingefordert wird, was wiederum Crunch-Time bis Mitternacht bedeuten kann.


Alao agiert mit einem freien, aber teilweise eben auch leistungsgetriebenen, fordernden Start-up-Vibe, was dem Unternehmen viele Vorteile einbringt. Wer auf Seite der Mitarbeiter diese Freiheit haben will, muss im Gegenzug bereit sein, ab und zu auf «9 to 5» zu verzichten. Ob das für eine Person passt, ist letztlich wohl vor allem Charaktersache. Aus dem Erfolg und dem mehr als fünfjährigen Bestehen des Unternehmens lässt sich aber schlies­sen, dass Alao offenbar eine für sich stimmige Strategie und eine schlagkräftige Mannschaft gefunden hat, die gut zusammenspielt und damit durchaus torgefährlich ist. (win)
Alao – zum Unternehmen
Alao, gegründet 2018 von Walter Salchli und Karim Mohr, bietet einen Online-­Vergleichsdienst für Mobile- und Internetabos. Walter Salchli hat seinen Hintergrund in der Telekommunikationsbranche (Sunrise und UPC), während Karim Mohr einen Hintergrund aus den Berichen Consulting und Finanzen mitbringt. Die über 40 Mitarbeiter von Alao haben keinen festen Büroplatz und keine Anwesenheitspflicht, sondern arbeiten von mehreren Kontinenten aus für das Schweizer Unternehmen.


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