IAS oder US GAAP – welche Rechnungslegung kommt auf kotierte Schweizer Unternehmen zu?

Durch die jüngsten Unternehmenskollapse in den USA treten die Bilanzierungsmethoden wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. Die anstehende Änderung der Vorschriften kann auch börsenkotierte Schweizer Firmen treffen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/15

     

In den Zeitungen tauchen im Zusammenhang mit Skandalen à la Worldcom, Global Crossing oder Enron immer wieder die Begriffe IAS (International Accounting Standards) und US GAAP (United States Generally Accepted Accounting Principles) auf.
Der Zweck der Rechnungslegung ist bei beiden die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragsgrundlage. Dabei ist das europäische IAS vorrangig auf Investoren ausgerichtet, während US GAAP sowohl für Investoren als auch für Kreditgeber Relevanz haben soll.
US GAAP ist an sich sehr konkret, aber nur, wenn die sehr detaillierten Regeln richtig angewendet werden. Durch den hohen Druck auf die Unternehmen, ständig steigende Aktienkurse vorzuweisen, war aber die Versuchung für manche zu gross, den Bleistift etwas schräger anzusetzen. Momentan sehen darum die amerikanischen Börsengesetze ihrer grössten Überarbeitung seit 30 Jahren entgegen.

Schwur der Bosse

Externe Rechnungsprüfer dürfen beispielsweise nur noch maximal fünf Jahre auf dem gleichen Account arbeiten und keinesfalls dort gleichzeitig andere Beratungsleistungen erbringen. Manager müssen persönlich attestieren, dass die Bilanz korrekt ist, der «Schwur der Bosse» hat «nach bestem Wissen» zu erfolgen. Die US-Börsenaufsicht bekommt wesentlich mehr Mittel und Personal, die Konsequenzen bei Betrug werden schmerzhafter und das Regelwerk noch straffer.
Anfang 2002 wurde ausserdem die Bewertung von Goodwill neu geregelt. Goodwill entsteht, wenn der Kaufpreis den Bilanzwert einer übernommenen Firma übersteigt. Er bleibt in der Bilanz dauerhaft bestehen und muss nicht mehr über die Jahre hinweg abgeschrieben werden. Der Goodwill wird jetzt aber jedes Jahr neu bewertet. Eine Korrektur muss vorgenommen werden, wenn sich der Wert verringert hat, also eine einst übernommene Firma tiefer bewertet werden muss. Dadurch sind künftig stärkere Kursschwankungen zu erwarten als bisher, denn Abschreibungen werden nicht mehr kontinuierlich und somit vorausberechenbar vorgenommen.

Machtkampf IAS – US GAAP

In der Schweiz bilanzierten bisher ABB, Adecco, Biomarin, Ciba, Day Interactive, Gavazzi, Inficon und Logitech nach US GAAP. In den letzten zwei bis drei Jahren haben praktisch keine multinationalen Schweizer Unternehmen US GAAP neu angewandt. Dafür steigen die Erwartungen an IAS als weltweiten Standard. Es zeichnet sich eine Art Konkurrenzkampf der beiden Systeme ab. Mit IAS versucht die EU, dem US-Übergewicht im Finanzmarkt entgegenzuwirken. Dem will sich die USA wie gewohnt nicht beugen. Man ist ja nicht umsonst Weltmacht, auch in der Finanzwelt.
Für US-Kapitalmärkte muss daher weiterhin US GAAP angewendet werden. An den EU-Börsen aber ist IAS ab dem Jahr 2005 zwingend anzuwenden. Gleichzeitig wird ab 2007 an den europäischen Börsen eine Bilanz, die nach US GAAP erstellt ist, nicht mehr anerkannt. Die Auswirkungen auf die Schweizer Börse SWX sind noch nicht klar. Ob nun weiterhin Swiss GAAP genügt, oder auch IAS und US GAAP dazukommen, muss sich noch zeigen.
Buchprüfer vergleichen US GAAP mit einem «Kochbuch». Denn die Amerikaner haben lieber für alles ein Regel, als sich über Einzelfälle selbst Gedanken zu machen. Das hat zur Folge, dass US GAAP ein dickes, hochkomplexes Regelwerk geworden ist, das für jeden Fall eine explizite Regel enthält. Der Anwender hangelt sich so mehr oder weniger von Regel zu Regel ohne nach dem Sinn zu fragen. Für jedes Teilgebiet gibt es explizite Experten, die etwa nichts anderes machen als «Stock options» zu verbuchen.
IAS ist wesentlich übersichtlicher, da prinzipienbasiert. Dafür ist es aber etwas zu breit angelegt, detailliertere Geschäftsfälle könnten zum Teil nicht schaden, findet etwa Daniel Suter, Wirtschaftsprüfer bei Pricewaterhousecoopers. Ab 2003 werden daher diverse IAS-Standards verbessert. Suter: «Dann gibt es eben nicht mehr eine ‘vorgeschriebene’ und eine ‘auch erlaubte’ Variante.» Ziel ist es, bis zum Jahr 2004 Konvergenz mit verschiedenen nationalen Standardsetters zu erreichen, rechtzeitig vor der Umstellung der Finanzberichterstattung an den EU-Börsen. Das ist auch nötig, um die Chancen für globale Akzeptanz zu erhöhen.

Und die Schweiz?


Für Schweizer KMU ist IAS schlicht zu kompliziert, sie sollten besser auch künftig Swiss GAAP anwenden. Momentan genügt das für eine Kotierung an der SWX. Auf grössere börsenkotierte Unternehmen kommen aber einige Änderungen zu. Sie werden ab 2005 wohl oder übel mindestens in IAS bilanzieren müssen. Ob das genügt, um auch in den USA kotiert zu sein, ist fraglich. Zumindest eine Überleitung auf US GAAP wird wohl zwingend werden. (ava)


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