Der grosse Saal im Regensdorfer Hotel Mövenpick war praktisch bis auf den letzten Platz besetzt, als Martin Kündig, seines Zeichens der Chef der KMU-Abteilung von
SAP Schweiz, die «Business One Resellertagung» eröffnete. Tatsächlich macht der Walldorfer Software-Riese offensichtlich ernst mit dem Unterfangen, einen Schweizer Channel für seine KMU-Business-Software aufzubauen.
«The market according to SAP»
«Wenn, dann richtig» scheint man sich in Walldorf gesagt zu haben und hat vor der Lancierung der KMU-Standardsoftware ausgiebig (und teuer) Marktforschung betrieben. In Frankreich und Deutschland, zum Teil auch in der Schweiz, wurden Hunderte von Telefoninterviews geführt, um die Bedürfnisse von Firmen zwischen 10 und 250 Mitarbeitenden zu eruieren.
Die von der Boston Consulting Group durchgeführte Untersuchung ergab einige interessante Erkenntnisse. So ist nicht etwa der Preis das erste Entscheidungskriterium, sondern die einfache Anwendbarkeit einer Software. An zweiter Stelle folgt die regelmässige Pflege und Anpassung einer betriebswirtschaftlichen Lösung, dann die Angepasstheit an die Betriebsgrösse.
Die überwiegende Mehrheit der KMUs bevorzugt eine voll integrierte und bereits von Anfang an fertig konfigurierte Lösung. Finanzen, HR und eine Verkaufslösung stehen an erster Stelle der Bedürfnisse, erst bei grösseren Betrieben (50 bis 250 Angestellte) werden Module für Logistik, PPS und CRM öfter verlangt.
Ehrgeizige Ziele
Falsche Bescheidenheit kann man den SAP-Leuten gewiss nicht vorwerfen. Sie zielen in der Schweiz auf einen Markt von 45’000 Betrieben. Davon, so die Schätzung, implementieren etwa 10% jährlich eine neue Lösung. Angepeilt wird in diesem stark zersplitterten Markt bis 2005 ein Marktanteil von glatt 20%, also 800 SAP-Neukunden pro Jahr. Etwa 80 sollen sich, so Martin Kündig, für mySAP All-in-One (die vertikalisierte und standardisierte Version von mySAP.com) entscheiden, etwa 240 für die ASP-Services und 480 für Business-One.
Diese Ziele mögen ehrgeizig erscheinen und haben auch da und dort schon zu Hohngelächter geführt, das bis in unsere Redaktionsstube gedrungen ist. Doch Marketing-Mann Daniel Renggli führt ein gewichtiges Argument ins Feld: Gegen 40% aller KMUs sind Niederlassungen oder Töchter von Grossfirmen.
SAP will Schnittstellen (SAP Exchange Technology) zu den «grossen» SAP-Systemen anbieten. Ein Punkt, der wohl vor allem die Controller in den Mutterkonzernen überzeugen wird.
«Höhere Umsätze, höhere Gewinne...»
Waren einige Ausführungen zum Schweizer KMU-Markt vielen Zuhörern an der Resellertagung wohl schon bekannt, so stiegen Aufmerksamkeit und Spannung, als SAPs «Channel-Entwickler», Michel Bohren (Bil), das SAP-Channel-Konzept vorstellte.
«Wir bewerben uns bei Ihnen und nicht umgekehrt» – wurde Bohren nicht müde zu betonen – und warf mit Versprechungen nur noch so um sich: Zukünftige SAP-Partner sollen mit höheren Umsätzen, höheren Gewinnen und einer starken Unterstützung durch
SAP rechnen können. Die Walldorfer würden ihre ganze Marketing-Power und ihren starken Brand in die Waagschale werfen und aktiv Leads für die Partner generieren. Bohrens Channel-Schwur: «Der Schweizer KMU-Markt bedeutet fein strukturierte Märkte, flexible Arbeitsweise, schnelle Entscheidungen und eine schlanke Organisation. Das ist nicht die Welt von SAP – das ist Ihre Welt!»
Von Preisen und Margen
SAP Business One wird pro «Named User» 3750 Franken kosten, minimal muss der Kunde vier Lizenzen kaufen. Die Entwicklungsumgebung gibt es gratis dazu. Abhängig vom Jahresvolumen gibt es Reseller-Margen ab 35%, dazu kommen Mengenrabatte von 10%. Die jährliche Wartungsgebühr für 2nd Level Support, Upgrades und Updates beträgt 10%. Preisbindung gibt es nicht.
HP nicht Vertriebspartner
Die Frage-Antwort-Session an der SAP-Reseller-Tagung zeigte konkretes Interesse auf. Viele Fragen bezogen sich auf die Funktionalitäten der Software: «Sind Stücklisten integriert – Nein, Business One bietet nur rudimentäre Produktestrukturen». «Warum sind keine HR-Funktionen eingebaut? – Empfehlen Sie dem Kunden SAPs ASP-Modell ‘HR easy-to-go’».
Eine klare Antwort gab es auf unsere Frage, ob die Vertriebspartnerschaft mit
HP in der Schweiz nun zustande käme oder nicht. Nein, lautet das Verdikt. Anders als in Deutschland wird
SAP in der Schweiz die Beziehungen zu den SSPs (Sales & Service-Partner) ausschliesslich selbst managen. Hingegen wird es auch in der Schweiz Hardware-Software-Bundles mit
IBM und HP geben. (hc)
Partners Partner
Das an der Resellertagung vorgestellte Partnerkonzept sieht ein geografisch verteiltes Netz von vielleicht 20 sogenannten SSPs (Sales & Service-Partner) vor, die ihrerseits nach Belieben wieder ein Netz von Resellern und/oder Implementierungspartnern (sogenannte PoP – Point of Presence) unterhalten.
Die Anforderungen an SSPs sind hoch: Sie müssen Erfahrung mit der Implementierung von Business-Lösungen vorweisen sowie eine eigene Verkaufsmannschaft und ein bestehendes Kundennetzwerk haben. Die Infrastruktur für regelmässige Kundenschulung und für den 1st Level-Support muss vorhanden sein. Potentielle SAP-Partner müssen investieren: Eine eigene Geschäftseinheit von mindestens vier dedizierten Mitarbeitern muss aufgebaut werden und der Partner sollte nächstes Jahr mindestens 10 bis 20 Projekte vorweisen können. Ein SSP muss mit Initialkosten von 15’000 Franken für Schulung und jährlichen Gebühren von etwa 1500 Franken rechnen.
Die Rolle der «Partner der Partner», der PoPs, ist weniger genau definiert.
SAP «erlässt keine Vorschriften». Vorstellbar sind Entwicklungspartner, die beispielsweise die nötige Supportinfrastruktur nicht unterhalten wollen oder auch Infrastruktur-Spezialisten (VARs) die Business One empfehlen und mit einer Sales-Fee abgegolten werden.
Pferdefüsse
SAP kommt mit Business One für viele Player zum richtigen Zeitpunkt mit einem interessanten Angebot. Gespräche an der Resellerkonferenz zeigten, dass sehr viele unabhängige, kleine Software-Entwickler sich Alternativen zur Eigenentwicklung der Basis-Funktionen überlegen müssen. Und der Druck auf VARs, ihren Serviceanteil zu vergrössern, ist nicht kleiner geworden...
Doch es gibt einige Pferdefüsse: Business One ist (noch?) keine komplette Business-Software. Kein PPS, relativ schwache Finanz-Funktionen (es gibt z.B. nur rudimentäre Kostenstellenrechnungen, wie Experten sagen) und die Lokalisierung steht erst am Anfang. Und ausgerechnet HR-Funktionen, die gemäss Boston Consulting Group am zweitmeisten nachgefragt werden, sind nicht integriert. Dem Kunden die SAP-eigene ASP-Lösung anzubieten dürfte für viele Integratoren keine Alternative sein.
Wer sich zu Business One verpflichtet, muss sowohl viel eigene Entwicklungspower und Know-how mitbringen wie auch «Luft» haben, um die ersten ein, zwei Jahre zu überstehen.
Ausserdem glauben wir nicht an das 2-Tier-Partnerkonzept. Spätestens wenn der erste PoP Konkurs geht und die Kunden anfangen,
SAP verantwortlich zu machen, wird Walldorf auch die 2nd Tier-Partner stärker an die Kandare nehmen wollen.
Christoph Hugenschmidt