Roland Apelt, Konzernschmied

Seit dem 1. Juli amtet Roland Apelt (Bild) als CEO der COS-Gruppe. Im Exklusivgespräch mit IT Reseller sagt der anerkannte Distributionsfachmann, wie er den Turnaround bei der börsenkotierten IT-Gruppe herbeiführen will. Fazit: Aus dem mehr oder weniger zusammengewürfelten Konglomerat soll ein Konzern entstehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/14

     

IT Reseller: Seit dem 1. Juli stehen Sie nun der ganzen COS-Gruppe vor. Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger und Verwaltungsratspräsident Kurt Früh?
Roland Apelt: Grundsätzlich sind keine grossen Veränderungen zu erwarten. Ich werde in den ersten 100 Tagen unsere drei Divisionen analysieren. Ich kenne zwar das Distributionsbusiness sehr gut, etwas weniger aber das Geschäft mit Systemintegration und Remarketing.
Meine wichtigste Aufgabe ist es, einen Qualitätssprung im Konzern anzuzetteln. Wir müssen COS zu einem ganzheitlichen Handelskonzern umbauen. Kurt Früh ist ein klassischer Aufbau-Manager. Er hatte gar nicht die Möglichkeit, aus den Divisionen einen Konzern zu schmieden.
Was bedeutet Ihre Aussage konkret? Die Synergien zwischen Distribution, Systemintegration und Remarketing scheinen mir beschränkt.
Es geht um die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den Länderverantwortlichen innerhalb der Divisionen und um das konzernweite Key-Account-Management. Wir müssen den Sprung von Quantität zur Qualität schaffen. In schweren Zeiten muss man nicht expandieren, sondern die Strukturen innerhalb eines Konzerns haltbarer machen.
Aber ich habe eine grosse Abneigung gegen Zentralismus. Die Holding soll nicht die alles bestimmende Zentrale sein. Die Synergiepotentiale kommen aus Strukturen wie Finanzwesen, HR und IT. Der Handel aber ist immer lokal und bewegt sich schnell. Da hat Zentralismus nichts zu suchen, weshalb wir flache Hierarchien schaffen werden.

Da ist die konzernweite Einführung von SAP zentral.

Nicht unbedingt. SAP ist kein Medikament mit dem man Strukturen kurieren kann. Erst muss die Organisation stimmen, erst dann kann SAP nützlich sein. Der Vorteil der SAP-Einführung ist, dass wir uns unsere Organisation ganz genau anschauen müssen.
Wir teilen die SAP-Einführung in zwei Phasen auf. Zuerst stellen wir Finanzwesen und Controlling um, erst dann die Warenwirtschaft für die Distribution und die Systemintegration. Mit SAP im Controlling haben wir klare, vergleichbare Indikatoren für den ganzen Konzern und können so schneller Veränderungen herbeiführen. Die SAP-Warenwirtschaft haben wir deshalb erst in Österreich eingeführt.
Gegenüber der Finanzpresse hat Kurt Früh an der Bilanz-Pressekonferenz dieses Frühjahr eine neue Vision für COS vorgestellt. Er sagte, er wolle COS für Grossfirmen als «Alles-aus-einer-Hand»-Lieferant positionieren. Wir halten diese Vision für realitätsfremd, denn es drohen Channelkonflikte.
Ich halte es für sehr missverständlich, diese Vision einfach so stehen zu lassen. Die Chance für die Systemintegration liegt in einer sehr hohen Spezialisierung. COS Concat muss sich klar von den Märkten und vom Know-how unserer Distributionskundschaft fernhalten.
Ein Beispiel: Ein Distributionskunde assembliert und baut Netzwerke. Sein Kunde will aber auch Betreuung im High-end Storage-Management. Da könnte COS-Concat als 3rd-party-Lieferant Know-how beisteuern, wovon der Distributionskunde profitieren kann.
Ich bin mir aber der Gefahr von Channelkonflikten sehr bewusst. Wenn COS Concat auch nur einmal versucht, Commodity-Produkte zu verkaufen, kommt der betroffene Distributionskunde nie mehr zu uns. Ein Konflikt zwischen unserer Division Systemintegration und den Kunden der Distribution wäre tödlich.
Der Channel beklagt sich in letzter Zeit verstärkt über die Konkurrenz durch Hersteller. Ein Problem auch für die COS-Gruppe?
Die Hersteller wollen möglichst direkt sowohl an Privatanwender wie auch an Firmenkunden herankommen. Alles Gerede über zweistufige Vertriebsmodelle ist eine Feigenblatt-Diskussion. Wenn die Hersteller könnten, würden sie alles selber machen. Aber ein Hersteller hat Horror davor, Tausende von Fachhändlern selbst beliefern zu müssen. Da ist unser Platz.
Die Division Remarketing kann die Versprechungen seit Jahren nicht erfüllen. Auch wir vom IT Reseller waren vom Konzept von Auctionline überzeugt, aber COS Remarketing kommt und kommt nicht aus den roten Zahlen heraus... Hat Remarketing überhaupt eine Zukunft im Konzern?
Machen wir einen kurzen historischen Exkurs. Vor fünf Jahren steckten wir mitten im Dot-Com-Boom. Man glaubte an die Umkehr der Handelskanäle und an den Siegeszug von E-Commerce. Das war die Geburtsstunde von Auctionline.
Die Idee war genial, aber die Praxis hat sich gegen die Unzulänglichkeit der virtuellen Welt gewehrt. Das Problem von Auctionline waren die hohen Logistikkosten bei sehr kleinen Losgrössen. Wir konnten beispielsweise die Kosten für Inkasso oder die Erfassung der Kundendaten bei diesem Geschäftsmodell nicht decken.
Heute gehen wir in Richtung Full-Service-Remarketing. Das heisst, wir gehen zu Grossfirmen und bieten ihnen die Rücknahme der alten Geräte an. Wir stellen sicher, dass die Daten gelöscht sind und alle Normen erfüllt sind. Dann stellen wir die Geräte dem Grosskunden zum Inhouse-Verkauf wieder zur Verfügung. Unsere Dienstleistungen gehen bis zum Asset-Management, denn der Kunde weiss manchmal gar nicht, welche Altgeräte er uns gibt.
Wir produzieren Also eine Dienstleistung anstelle des klassischen Broker-Geschäfts. In der Schweiz ist COS Remarketing mit diesem Konzept erfolgreich.

Trotzdem verliert COS Remarketing konzernweit Geld.

In Deutschland haben wir es noch nicht geschafft, eine leistungsfähige und gewinnbringende Organisation aufzubauen. Zudem bleibt in einer Rezession jeder auf seinen Geräten sitzen. Der Beschaffungsmarkt ist völlig ausgetrocknet. Wir brauchen eine bestimmte Basismenge, um die Fixkosten zu decken.
In der Distribution ist Grösse, sprich Einkaufsmacht, wichtig. Ist COS Distribution in der Schweiz überhaupt noch gross genug, um zu überleben?
Absolut – das ist keine Frage. Das Tragische an der Schweiz ist, dass dieses kleine Land eine besondere Häufung von leistungsfähigen Distributoren hat. COS ist heute der kleinste der Broadliner. Mit Acer sind wir beispielsweise nach Ingram die Nummer 2.
PCs werden ein Geschäft bleiben und nicht so schnell verschwinden, wie man gedacht hat. Wir spezialisieren uns in der Distribution auf das Marktsegment der kleinen und mittleren Reseller. Und dieses Segment will auch PCs. So haben wir in Deutschland den Vertrag für HP-PCs bekommen.

Wann also wird das Dauerproblem Distribution Schweiz gelöst sein?

Der Break-Even ist für 2004 geplant. Dazu braucht es Verträge mit A-Brands, der KMU-Markt will auch bekannte Marken. In den schwierigen letzten Jahren bekamen wir diese natürlich nicht – aber das ändert sich nun. Wir haben wieder Verträge mit Druckerherstellern und der Vertrieb von Hyundai-Bildschirmen ist ein Erfolg.
Wir müssen uns konsequent aus dem Brokering-Geschäft verabschieden und noch mehr gute Lieferanten wie Linksys oder D-Link unter Vertrag nehmen.
Die Sanierung des Distributionsgeschäfts in der Schweiz dauert wesentlich länger als einst angekündigt...
Ja, die Realität ist härter, als ich ursprünglich vermutet hatte. Aber die Probleme sind nicht unlösbar. Ich versuche, mich so weit als möglich von Wunschdenken zu befreien und Leute zu holen, die keine Schönwetterkapitäne sind. Mit Peter Becker (ehemals Peacock / Actebis – Red.) als Leiter der Division Distribution habe ich einen Anfang gemacht.
Ein wesentliches Problem der Distribution in der aktuellen Wirtschaftslage sind die Debitorenverluste und die steigenden Versicherungsprämien. Wie geht COS damit um?
Tatsächlich hat sich die Zahlungsmoral extrem verschlechtert. Gutes Debitoren-Management ist heute für das Überleben wesentlich. Die Kreditversicherer haben stark gelitten, und von den Banken ist in unserem Geschäft nichts zu erwarten. Die Kreditversicherer sollten lernen, nicht nur immer die Bilanz der Reseller anzuschauen, sondern die Zahlungshistorie, Also die aktuelle Zahlungsmoral in ihre Bonitätsbewertung einzubeziehen.
Konkret haben wir bei COS zwei Arten von Kreditversicherungen: Benannte für Grosskunden und unbenannte für die Menge der kleinen Kunden. Wir werden die Kreditlimite für die unbenannten Accounts erhöhen und das Risiko dafür selbst tragen. Darüber müssen wir aber auch mit den Herstellern sprechen, zum Beispiel über eine Gegenfinanzierung.
Sie haben ja einige Erfahrung in der Distribution. Wagen Sie für uns doch eine Prognose, wie es weitergeht im Schweizer Disti-Business generell. Wer überlebt, wer nicht?
Vom Geschäftsmodell her haben Subdistributoren keine Chance. Doch es kommen immer wieder neue Leute ins Geschäft, die es versuchen. COS ist sicher nicht zu klein, um zu bestehen. Wir haben zwar beispielsweise den Microsoft-Vertrag verloren.
Aber dieser Entscheid kam von oben, nicht aus der Schweiz und stand weder mit unserer Grösse noch mit der Qualität unserer Arbeit in Zusammenhang. Schliesslich wurden wir kurz vor der Kündigung des Vertrages zum «Disti of the Year» ernannt.
Trotzdem: Sogar die übermächtige Also ABC schliesst sich mit anderen europäischen Distis zusammen, um paneuropäische Verträge abschliessen zu können. Kann eine COS da noch mithalten?
Da kann ich Ihnen ein Gegenbeispiel geben. Hewlett Packard hat uns einen Distributionsvertrag gegeben, weil wir einen guten Fokus auf KMU haben. Wir prügeln uns nicht mit den anderen um die Large Accounts.
Der Vertrag kam zustande, weil wir HP beweisen konnten, dass wir sehr viele Händler erreichen, die HP noch gar nicht kennt und über die anderen Distributoren auch nicht erreichen kann.
(Interview: hc)


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