Vor einem Jahr sprach die Credit Suisse Group von einem weltweiten Investitionsschub von über 150 Milliarden Dollar, den die neuen Eigenkapitalvereinbarungen auslösen werden.
Zumindest im IT-Bereich lassen die Auswirkungen jedoch noch auf sich warten. Jürg W. Stutz, Präsident des Swico: «Für manche unserer Mitglieder, die Finanzsoftware-Produkte entwickeln, entsteht bestimmt Potential für das Erstellen neuer Applikationen.
Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob sich die Inhalte von Basel II bereits heute konkret in zu erstellende Software integrieren lassen.» Letztlich sei es jedoch Sache der einzelnen Unternehmen, Marktbedürfnisse zu erkennen: «Der Swico bearbeitete Sachgeschäfte und Themen, die auf Verbandsebene kostengünstiger gelöst werden können als durch einzelne Mitglieder.
Er sieht seine Aufgabe aber nicht darin, sich ins Marketing der Mitglieder einzumischen.»
Zurückhaltend gibt sich auch Rudolf Walser, als Mitglied der Geschäftsleitung von Economiesuisse für Wirtschaftspolitik und KMU zuständig: «Momentan klopfen fast täglich IT-Firmen bei uns an, die sagen, sie hätten Basel II-taugliche Software.
Da aber die Regeln frühestens im nächsten Jahr definiert sein werden, und deren Einführung nicht vor 2007 zu erwarten ist, warne ich vor allzu schnellem Vorprellen.» Eine gemeinsame Umfrage von Economiesuisse und des Seco, die in den nächsten Tagen präsentiert werden soll, zeige, dass die Schweizer Banken den Übergang zu risikoorientierten Zinsen bereits weitgehend vollzogen hätten, «teils aus Weitsicht, teils auch, weil sie gebrannte Kinder sind».
«Natürlich», fügt Walser bei, «sollen Unternehmen sich mit Basel II befassen. Aber eher dahingehend, grundsätzlich ein modernes, zukunftsträchtiges Finanzwesen aufzubauen.»
«Erbarmungslose» Banken
Patrick Lucca, Mediensprecher des Schweizerischen Gewerbeverbandes SGV, stellt fest, dass Basel II im Schweizer Gewerbe überraschend wenig Angst ausgelöst habe. Er erklärt sich das damit, dass grosse Teile des traditionellen Gewerbes die Risiko-Bewertung bereits hinter sich habe: «Die Vorwegnahme der risikoabhängigen Kreditvergabe, aber auch die diversen Zusammenschlüsse im Finanzsektor, haben dazu geführt, dass die Banken in den letzten Jahren gegenüber dem Gewerbe geradezu erbarmungslos agierten.
Höchstens für die IT-Branche gab’s noch vergleichsweise optimistische Kredite. Dies wird nun aber zumindest teilweise berichtigt.»
Das weiss auch Stutz: «Wir sehen, wie Banken immer öfter von bereits zugesagten Engagements abgehen und Kreditlimiten herabsetzen. Das steht aber in keinem direkten Zusammenhang mit Basel II. In der wirtschaftlichen Situation, in der wir uns befinden, kann nicht genügend Umsatz und Ertrag generiert werden und das wiederum beeinflusst die Kreditvergabe – ein Teufelskreis.»
Bei der Frage, wie man sein Unternehmen präsentieren muss, um auch nach den Regeln von Basel II an günstige Bankkonditionen zu kommen, bietet der Swico seinen Mitgliedern allerdings keine Verbandsdienste an: «Gemäss einer Recherche unseres Verbandes stehen von verschiedenen Institutionen umfassende Beratungsangebote zu Basel II zur Verfügung. Da müssen wir das Rad nicht noch einmal erfinden.»
Lucca weist darauf hin, dass sich vor allem kleine und Einzelfirmen stark auf ihren Treuhänder verlassen und meist auch mit ihm zusammen zur Bank gehen, wenn es gilt, um einen Kredit nachzusuchen. Der SGV als nationaler Verband überlässt die Basel-II-Orientierung weitgehend den kantonalen Sektionen. Der Spielraum, meint Luca, halte sich für kleine Unternehmen so oder so in ziemlich engen Grenzen.
Die Folgen
In einer aktuellen Studie stellte Credit Suisse kürzlich fest, dass rund die Hälfte aller KMU durch Bankkredite mitfinanziert seien. Es gebe aber in der Schweiz durchaus Firmen und Selbständigerwerbende, die aufgrund ungenügender Bilanzsolidität und Marktfähigkeit Schwierigkeiten beim Zugang zu Bankkrediten hätten.
Lucca präzisiert, dass davon vor allem Neugründungen aus den letzten fünf Jahren und Firmen mit weniger als fünf Mitarbeitern betroffen sind. Darin sieht er eine Gefahr, da Unternehmen mit wenig Reserven meist die Pensionskassengelder der Inhaber einsetzen. «Die Folgen werden wir in 15 Jahren sehen.
Wenn das Geld verbrannt ist, bleibt den Betroffenen nur noch die AHV.» Walder hält dem entgegen, es sei schliesslich nicht die Aufgabe von Basel II, KMU zu retten, sondern die Kredite sicherzustellen. Dazu brauche es die Bonitätsprüfung: «Für gut geführte Unternehmen dürfte das Geld sogar günstiger werden. Andere bekommen allerdings schlechtere Konditionen. Eine Quersubventionierung wird es nicht mehr geben.»
Doch Lucca hält fest: «Basel II wird Folgen haben. Aber wir sind Schlimmeres gewohnt. Bereits heute sind 40 Prozent aller Working Poor Kleingewerbler.» (fis)
Auftakt zu IPO-Reigen in Deutschland
Die neuen Basel II-Eigenkapitalrichtlinien sollen in Deutschland zu einer Zunahme der Börsengänge von mittelständischen Firmen führen. Zu dieser Einschätzung gelangen die deutsche Bundesregierung und das Deutsche Aktieninstitut (DAI).
Die Rechnung, die von den beiden Institutionen angestellt wurde, ist dabei einfach: Da Basel II dazu führen wird, dass sich die Kapitalbeschaffung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit einem Bankkredit erschweren wird, werden die betroffenen Firmen versuchen, auf anderen Wegen an Geld zu kommen.
Das DAI hat eine Befragung unter 900 KMU mit einem Mindestumsatz von 35 Mio. Euro gemacht. Dabei zeigte sich, dass 20% der befragten Firmen mögliche Börsengänger wären. Zwar habe im September keine der befragten Firmen einen Börsenhang tatsächlich vollzogen, 1,8% der befragten Unternehmen verfolgen jedoch konkrete IPO-Pläne. Für immerhin 8,1% ist dies unter den jetzigen Bedingungen grundsätzlich vorstellbar, während 8,6% warten, bis sich der Markt für die Kapitalbeschaffung verbessert.
Trotzdem gehen die Experten davon aus, dass diese Voraussetzungen allein nicht genügen werden, um die Firmen zum IPO zu ermutigen. Deshalb werden spezielle Rahmenbedingungen bzw. ein separates Börsensegment gefordert, das den Firmen den Gang an die Börse erleichtert. (map)