Die Konsolidierung im Schweizer Fotoentwicklungsmarkt geht weiter: Vergangene Woche hat
Fujifilm Schweiz über Umstrukturierungen informiert. Die Produktion des Labors in Dielsdorf wird nach Deutschland verlegt. Am Standort Dielsdorf verlieren per Ende September 51 Mitarbeitende ihren Job. Fujifilm wird weiterhin mit Labor-Dienstleistungen am Schweizer Markt aktiv bleiben. Die Kunden sollen die Verlegung der Produktion ins Nachbarland nicht spüren, heisst es.
Erst im März dieses Jahres hatte der Marktführer Photocolor Kreuzlingen das primär in der Westschweiz tätige Unternehmen Fotolabo Club von der Volara-Gruppe übernommen. Im Mai wurde dann die Produktion von Fotolabo in Montpreveyres eingestellt und nach Kreuzlingen verlegt. Rund 150 Mitarbeitende verloren ihre Stelle. «Der Schweizer Markt für Fotoentwicklung ist zu klein, um den Bestand von mehr als einer bedeutenden Produktionsstätte pro Anbieter zu garantieren», sagt Karsten Peters, Marketingleiter von Photocolor. Das Unternehmen habe durch die Übernahme von Fotolabo jetzt aber eine kritische Grösse erreicht, mit der immerhin der Fortbestand des Produktionsstandorts Kreuzlingen gesichert sei.
Abschied vom Film
Auslöser all dieser Umwälzungen ist ein verändertes Konsumentenverhalten: In Rekordzeit haben sich die Schweizerinnen und Schweizer von der klassischen Fotografie verabschiedet und der digitalen Fotografie zugewandt. Laut den Zahlen von
Fujifilm Schweiz ist das Kerngeschäft der Herstellung von Film-Abzügen zwischen 2002 und 2005 um 37,3 Prozent eingebrochen. Für das Jahr 2006 erwartet Fujifilm einen weiteren Einbruch um 35 bis 40 Prozent. Ähnliche Beobachtungen macht auch Peters von Photocolor Kreuzlingen: «Der analoge Markt geht rapide zurück und beträgt jetzt nur noch weniger als die Hälfte des Volumens von vor drei Jahren». Der Anteil des digitalen Geschäfts sei zwar enorm gewachsen, habe aber in Bezug auf die Anzahl hergestellter Fotos den Rückgang des analogen bei weitem nicht wettmachen können: «Die Menge aller Fotos aus digitalen und analogen Aufträgen ist während der vergangenen drei Jahre um rund einen Drittel zurückgegangen. Auch in Zukunft rechnen wir nicht mit einer signifikanten Umkehrung dieser Marktentwicklung», so Peters zu IT Reseller.
Hohe Investitionen nötig
Im Nachhinein macht es den Anschein, dass die grossen Fotoentwickler die Auswirkungen der Digitalfotografie auf ihr Geschäft teilweise unterschätzt haben. Marktführer Photocolor hat im Juli 2000 das Finishing von digitalen Formaten ins Angebot aufgenommen,
Fujifilm gar erst im Jahr 2001. Die Aufrüstung zum digitalen Finisher war für die Fotoentwickler mit hohen Investitionen verbunden: «Zwar ist die Basis-Marge bei der Verarbeitung von Digitalbildern etwas höher, doch die Investitionen und EDV-Kosten sind enorm hoch», sagt Jacques Staehli, Consultant von Fujifilm Schweiz. Wegen der durch den Einbruch der Nachfrage vorhandenen Überkapazitäten ist es zudem in den letzten Jahren zu einem extremen Preisrutsch gekommen: «Die Preise pro Foto bei der digitalen Verarbeitung sind schon heute auf dem tiefen Preisniveau der analogen Fotografie angelangt», meint Peters von Photocolor. Hinzu kommt, dass die Grosslabors ständig neue Produkte zu günstigen Preisen lancieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gefragt sind momentan etwa der Fotodruck auf T-Shirts oder gebundene Fotobücher. «Die für die Anbieter von Foto-Verarbeitungsdienstleistungen notwendigen Kenntnisse bewegen sich immer mehr hin zu den Bereichen Internet und Druck», sagt Peters.
Konkurrenz durch Neueinsteiger
Die Gunst der digitalen Stunde haben hingegen einige neue Player für sich genutzt: Im Dezember 1999 erkannten vier Mitarbeitende von Fotolabo Club das Potential der digitalen Verarbeitung. Sie gründeten in Vevey die Firma Colorplaza. Das Unternehmen betreibt kein eigenes Labor, sondern nutzt im Outsourcing-Verfahren Kapazitäten in einem deutschen Produktionsbetrieb in der Nähe von Basel. Darin liegt auch seine grosse Stärke: Weil die Labor-Leistungen nicht selber erbracht werden, stellen Schwankungen in der Nachfrage das Unternehmen nicht vor Probleme. Colorplaza ist schlank organisiert und beschäftigt nur gerade 12 Mitarbeitende. «Unsere beiden Dienste Colormailer und Fastlab werden in zehn Sprachen in verschiedenen europäischen Ländern angeboten», erklärt Marketingleiter Nico Lugt.
Als verhältnismässig kleiner Anbieter ist Colorplaza auf Kooperationen und Partnerschaften angewiesen: So wird der Colormailer-Dienst etwa im Sony-Kleid auf verschiedenen europäischen Sony-Homepages angeboten. Solche Co-Branding-Vereinbarungen machen sich natürlich auch die grösseren Finisher zunutze: Marktführer Photocolor kooperiert etwa mit Bluewin, Tages-Anzeiger Online und dem Partypics-Portal Till Late. Belcolor, neben Photocolor,
Fujifilm und Prociné der vierte grössere Schweizer Finisher, bietet seine Digitaldruck-Dienste unter anderem auf der Homepage der Neuen Zürcher Zeitung an.
Konkurrenz durch die Kunden
Ein Kuriosum stellt sicher auch dar, dass die Fotoentwickler von ihren ehemaligen Stammkunden konkurriert werden: Immer mehr Hobbyfotografen, die von der analogen zur digitalen Fotografie gewechselt haben, drucken ihre Schnappschüsse zuhause auf Fotodruckern aus. Diese Entwicklung freut IT-Firmen wie HP: «Die jährliche durchschnittliche Wachstumsrate im Geschäft mit Fotodruc-kern im Format 10 x 15 betrug zwischen 2004 und 2006 jeweils 85 Prozent», sagt Arnold Marty, Leiter der Imaging und Printing Group von HP Schweiz. Auch
Kodak nutzt die Gunst der Stunde: Der Fotoriese ist in das Geschäft mit Digitalkameras und Fotodruckern eingestiegen: «Wir können unseren starken Brand aus der traditionellen Fotografie nutzen und verkaufen im Home-Printing-Bereich sehr gut», sagt Gregory Bohren, Direktor Film & Imaging Systems von Kodak Schweiz.
Das Potential, das in zuhause angefertigten, übers Internet im Labor bestellten oder an Kiosken bezogenen Fotoausdrucken liegt, wird – zumindest von den Druckerherstellern – als gross beurteilt. So schätzt
HP, dass in Europa im Jahr 2008 rund 128 Milliarden Digitalfotos geschossen werden. Davon sollen 33 Milliarden via Home Printing, Finisher oder Retail-Kiosk ausgedruckt werden. Im Jahr 2003 hingegen wurden laut HP erst 19 Milliarden Bilder geschossen und 5 Mil-liarden ausgedruckt.
Was wird der Konsument tun?
Für Staehli von
Fujifilm bleibt aber vorerst abzuwarten, wie sich das Verhalten der Konsumenten entwickelt: «Heute sieht es so aus, als ob vor allem die jungen Konsumenten keinen oder wenig Bedarf für Papierbilder haben, weil die Digitalfotos bereits mehrmals auf dem Kameradisplay und später auf dem PC oder TV betrachtet wurden.»
Für Peters von Photocolor ist der grösste Konkurrent der Finisher auch nicht der heimische Drucker oder der Kiosk beim Retailer, sondern das «Vergessen» der eigenen Fotos auf digitalen Datenträgern: «Entweder der Konsument findet die Fotos nicht mehr wieder, weil er sich nicht an den Ort der Speicherung erinnert oder eine unüberschaubare Menge an digitalen Aufnahmen besitzt, oder er erleidet einen Totalverlust wegen Absturz oder physischer Zerstörung eines Datenträgers», so Peters.
Online-Bilderverwaltung im Zentrum
Für Kodak-Mann Bohren werden Online-Dienste, bei denen Benutzer kostenlos Speicherplatz zur Verfügung gestellt bekommen und ihre Aufnahmen ablegen und ordnen können, auch der Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Druck-Aktivitäten sein: «Von diesen Plattformen aus kann man sich heute Abzüge nach Hause bestellen oder selber zuhause Audrucke anfertigen. Schon morgen aber werden auch die Kioske bei den Retailern damit verbunden sein, so dass man dort Fotos aus seinem Online-Album aus dem Web aufrufen und an Ort und Stelle in hoher Qualität ausdrucken kann», sagt Bohren zu IT Reseller.
Deshalb setze
Kodak neben Home Printing auch auf Kioske in Fachhandel und Retail sowie auf die Internet-Plattform Kodakgallery.com. Diese soll in den Monaten September und Oktober auch in einer Schweizer Version online geschaltet werden, so Bohren abschliessend.
Hewlett-Packard: Frontalangriff auf das Foto-Business
Mit einer Reihe von Übernahmen in den vergangenen Monaten hat HP deutlich gemacht, dass das Unternehmen im grossen Fotokonzert nichts anderes als die erste Geige spielen will: Vor wenigen Wochen hat sich der PC- und Druckerriese das Westschweizer Unternehmen Silverwire geschnappt. Silverwire ist in über 30 Ländern aktiv und betreibt rund 23‘000 Foto-Kioske. An diesen können Konsumenten mit ihren mitgebrachten Speichermedien hochqualitative Abzüge von Digitalfotos anfertigen.
Im März 2005 hatte HP das US-Unternehmen Snapfish gekauft. Dieser Online-Dienst bietet den Benutzern kostenlos Speicherplatz für Digitalfotos an. Die Fotos können dort verwaltet und mit anderen Benutzern geteilt werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich Papierabzüge der abgelegten Bilder nach Hause zu bestellen. Im Dezember 2005 folgte die Übernahme von Pixaco. Dieses Unternehmen bietet eine ähnliche Dienstleistung wie Snapfish an, ist aber im Gegensatz zu Snapfish in elf europäischen Ländern aktiv – darunter in der Schweiz.
«Diese Übernahmen erlauben es
HP, ihre Kernkompetenzen im Printing-Bereich auf weitere Geschäftsfelder auszudehnen. HP ist bereits führend im Home Printing und erwirbt mit Snapfish und Pixaco bedeutende Marktanteile im Online-Bereich. Mit Silverwire kann HP zudem die Möglichkeit bieten, die Bilder an Kiosken beim Retailer auszudrucken», präzisiert Arnold Marty, Chef der Imaging und Printing Group von HP Schweiz. Man sei damit der einzige Hersteller, der den Kunden eine solche breite Palette an Wahlmöglichkeiten anbieten könne: «Von der digitalen Aufnahme über Kameras oder Scanner über die Speicherung und Verwaltung der Bilder mit der mitgelieferten Software oder auf unseren Online-Plattformen, über die Bearbeitung auf Desktops oder Notebooks bis hin zur physischen Ausgabe eines Bildes über Drucker, Heimlieferung von Abzügen durch die Online-Dienste oder neu auch den Ausdruck am Kiosk beim Retailer oder im Fachhandel wird HP alles anbieten können», so Marty zu IT Reseller.
Dass IT-Player wie HP im Digitalfoto-Bereich hervorragend positioniert sind und den Markt zum Ärger der traditionellen Player bereits heute gehörig aufmischen, steht ausser Frage. (bor)