Die Unlust vor dem Neukunden

Viele Verkäufer scheuen den Erstkontakt bei potentiellen Neukunden. Doch ohne Kaltakquisition kann heute kein Unternehmen mehr auf Dauer existieren. Vertriebsmitarbeiter müssen die Angst überwinden und neue Kunden gewinnen – ob sie wollen oder nicht. IT Reseller gibt konkrete Tips, wie man sich auf Erstkontakte vorbereitet und wie man am besten vorgeht, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/15

     

Es ist immer wieder interessant festzustellen, wie ungern viele Verkäufer den Erstkontakt zu einem potentiellen Neukunden herstellen. Dieses Unbehagen kommt häufig auch in Beratungsgesprächen mit Vertriebsmitarbeitern zum Ausdruck, die einen Stellenwechsel in Betracht ziehen.
Auf die Frage, wie denn ihre neue Verkaufstätigkeit aussehen soll, erhält man vielfach die Antwort, dass sie in den letzten Jahren hauptsächlich neue Kunden akquirieren mussten, was an den Kräften zehre und sehr anstrengend sei. «Die Pflege bestehender Kundenbeziehungen ist meine grosse Stärke. Ich sehe mich darum künftig nur noch als Key ­Account Manager», sagen viele.

Farmer vs. Hunter

Der Einwand, dass ein Key Account Manager heute primär nicht ein Administrator, sondern in erster Linie ein Verkäufer sei, wollen viele nicht gelten lassen. Sie glauben, es sei damit getan, bestehende Kundenkontakte zu pflegen, ab und zu mit ihren langjährigen Geschäftspartnern Mittagessen zu gehen oder sie an ein Golfturnier, die «Zürimetzgete» oder den Spenglercup einzuladen.
Um nicht missverstanden zu werden: Eine solide Beziehungspflege ist sehr wichtig und gehört zweifelsohne zur Aufgabe eines erfolgreichen Verkäufers – gerade Schlüssel-Kunden wollen und sollen gepflegt und «gehätschelt» werden.
Doch daneben muss ein Vertriebsmitarbeiter ständig neue Kontakte knüpfen und sein Beziehungsnetz kontinuierlich ausbauen.
Nur so hat man einigermassen Gewähr, auch künftig der «Preferred Supplier» eines Unternehmens zu sein, obwohl der Entscheidungsträger, zu dem man beste Beziehungen gepflegt hat, das Unternehmen verlassen hat. Wenn also ein Verkäufer sagt, er sei ein Farmer und kein Hunter, so muss man sich fragen: Wie wird jemand mit dieser Einstellung künftig die immer ambitionierteren Umsatz­vorgaben erreichen wollen?
Wie bitte schön wollen Firmen mit einer «Farmer-Kultur» ihre Ziele erreichen, wenn gemäss der Prognose von Morgan Stanley das Gewinnwachstum für die IT-Branche in diesem und im nächsten Jahr bei 10 Prozent liegt, im Gegensatz zu den neunziger Jahren, als das Gewinnwachstum bei satten 14 Prozent lag?
An dieser Stelle darum einige konkrete Vorschläge, wie Vertriebsmitarbeiter den Erstkontakt erfolgreicher gestalten und ihr Unbehagen vor dem Erstgespräch verringern können:

Rufen Sie an

Es klingt so banal und ist für viele doch so schwer: Nehmen Sie den Hörer in die Hand und rufen Sie die Kontaktperson an, mit der Sie ins Gespräch kommen wollen.
Ein Schritt, der für viele äusserst unangenehm und auch mit Ängsten verbunden ist; obwohl man dies im Kollegenkreis natürlich nie so zugeben würde. Schliesslich ist man doch ein Verkäufer.
Verunsichert wird man zusätzlich zur Angst, vom Kunden abgewiesen zu werden, vor allem auch durch die Tatsache, dass man beim Telefon­gespräch die Reaktion seines Gegenübers nicht anhand seiner Körpersprache ablesen kann. Das Auge wird sozusagen durch das Ohr ­ersetzt, mit Hilfe dessen man die ­Reaktionen seines Gegenübers erspühren muss. Das erfordert viel Konzentration und verunsichert, fällt doch die Visualisierung und Qualifizierung des Gesprächspartners durch unser Auge weg. Man ist sozusagen blind.
Und trotzdem: Verkäufer kommen nicht darum herum, die Mehrzahl ihrer Erstkontakte via Telefon aufzugleisen!
Die Chance, das Ergebnis des Telefonats positiv zu beeinflussen, lässt sich oftmals erhöhen, indem man den Anruf und das Anliegen in einem
E-Mail kurz vorankündigt!
Das eigentliche Telefonat sollte dann möglichst knapp gehalten werden und sich aufs Wesentliche beschränken.Grosse Erklärungen über Produkt, Dienstleistung und Firma verwirren vielfach und überfordern den potentiellen Kunden, zumal er den Anrufer gar nicht kennt und darum nicht weiss, ob er ihm vertrauen kann oder nicht.
Ziel eines telefonischen Erstgespräches sollte darum in erster Linie die Vereinbarung eines persönlichen Termins vor Ort sein. In einem solchen weiterführenden persönlichen Gespräch können dann Fragen geklärt, Vertrauen aufgebaut und Details besprochen werden.

Bezug auf gemeinsame Bekannte nehmen

Mit die besten Ergebnisse bei der Akquisition von Neukunden habe ich persönlich damit erzielt, wenn man sich bei der Erstkontaktaufnahme auf einen gemeinsamen Bekannten beziehen kann. Und noch besser ist es, wenn der gemeinsame Freund die zu kontaktierende Person über Sie und Ihr Anliegen vorinformiert.
Wenn ich selbst eine wirklich wichtige Person auf C-Level kontaktieren möchte, so benutze ich heute ausschliesslich diese Technik und verbringe zunächst häufig mehrere Stunden damit, mein eigenes Beziehungsnetz nach einem gemeinsamen Bekannten zu durchforsten. Mit einiger Kreativität wird man irgendwann meistens fündig.
Bisher hat sich dieser zeitliche Aufwand im Vorfeld des eigentlichen Gespräches mehr als bezahlt gemacht.
Der psychologische Erfolg dieser Strategie hat vor allem damit zu tun, dass ein Dritter für Sie beim potentiellen Neukunden bürgt. Damit wird gleich von Beginn weg eine Vertrauensbasis geschaffen, die Sie so bei einem Erstkontakt ohne «Vitamin B» nur schwer erreichen können.

Misserfolge gehören zum Geschäft

Wie auch immer Sie vorgehen: Es wird Kunden geben, die Sie beim Versuch des Erstkontaktes abwimmeln wollen, Sie unhöflich oder sogar feindselig behandeln.
«Wenn ein Skispringer stürzt, muss er am besten am selben Tag nochmals springen, sonst verliert er das Vertrauen.» Diese Aussage stammt von Walter Wölfe, Sportpsychologe des deutschen Leichtathletik-Verbandes.
Adaptiert auf den Erstkundenkontakt heisst dies: Seien Sie sich bewusst, dass Sie bei der Kaltakquisi­tion nicht immer Erfolg haben können und auch mal auf die Schnauze fallen. Doch suhlen Sie sich dann nicht in Selbstmitleid, sondern glauben Sie an sich und machen Sie weiter. Dann wird über kurz oder lang der Erfolg nicht ausbleiben.
Gerade nach einem Misserfolg sollte darum für Sie gelten, was Anita Weyermann 1997 als Erfolgsrezept für den Gewinn ihrer Bronzemedaille an der Weltmeisterschaft einem Journalisten sagte: «Gring ache u seckle!»

Der Autor

Markus Schefer (38) verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland und war bei namhaften Unternehmen wie IBM oder Reuters im Verkauf tätig. Heute ist er selbständiger Personal- und Unternehmensberater und Dozent an der Fachhochschule beider Basel für das Fach Key ­Account Management. www.scheferpersonal.ch


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