Schlammschlacht im Winware-Fall

Die Streithähne Sage und Selectline machen sich selbst, ihren Händlern und Kunden das Leben schwer. Sage ist gezwungen, Winware neu zu entwickeln.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/13

     

In der Angelegenheit um den Vertrieb der Winware-ERP-Software herrscht bei Händlern und Kunden höchste Verunsicherung. Sage sagte noch vor vier Wochen, man werde unverändert liefern können, und widersprach damit Pfaff, der meinte, ab dem 1. Juli werde es das Produkt nur noch bei Selectline Schweiz zu kaufen geben.
Was tut nun also ein Händler, der Installationen auf dem Markt hat und neue Lizenzen braucht? Oder einen Neukunden an Land zieht? «Wir können Händler mit Lizenzen beliefern, für die sie vor dem 30. Juni Offerten abgegeben haben», sagt Marc Ziegler, Marketing- und Verkaufsleiter bei ­Sage. Dass Sage tatsächlich aus vertraglichen Gründen für alle Fälle, die ab dem 1. Juli offeriert wurden, die Hände gebunden sind, habe nun dazu geführt, dass Händler unter Umständen ihre Kunden nicht beliefern können. Denn laut Ziegler sei Selectline nicht in der Lage, Auslieferungen vorzunehmen. Der Hersteller habe zwar das Recht für den Vertrieb auf die Anwendung, nicht aber auf die für die Schweiz lokalisierte Version. Eine solche stünde aber von seiten Hersteller nicht zur Verfügung. «Viele Händler sind nur wenig erfreut, dass wir nicht mehr liefern dürfen und Selectline auch nicht liefern kann.»

Pfaff: «Wir sind bereit!»

Dem widerspricht Bernd Pfaff vehement: «Wir konnten Patrick Ryser, der damals auch für Winware tätig war, wieder als technischen Produktmanager verpflichten und haben bereits alle Druckvorlagen, Muster- und Vorlagemandanten, Dokumentationen und Installationen für die Schweiz angepasst. Das Produkt ist fixfertig und lieferbar.» Sage aber würde trotzdem unerlaubt weiter verkaufen. «Wir kennen Kunden, an die Sage direkt und unerlaubt ohne Lizenzen verkauft hat.»
Stiftet Sage also bewusst Verunsicherung? Sicher ist: Sage darf die Selectline-Version nicht mehr vertreiben und muss deshalb Winware von Grund auf neu entwickeln. In einem Schreiben, das letzte Woche an die Partner versandt wurde, kündigt man die neue Version 2008 an, die im ­Okto­ber bereit sein soll. Ziegler: «Wir hätten ohne die rechtlichen Komplikationen mit Selectline Winware nicht neu entwickelt.» Ziegler zufolge soll auch das Angebot an die Händler angepasst werden, er verspricht ein «attraktives Package».

Unmut im Channel

Derweil ärgern sich Partner und Kunden. Ein nicht genannt wollender ­Sage-Partner, der mehrere hundert Installationen im Markt realisiert hat, ist stinksauer: «Was da abgeht, ist ­eine riesige Schweinerei. Wir sind von Sage sehr abhängig und können andererseits unmöglich zwei Produkte unterstützen, dazu fehlen uns die Ressourcen.» Darüber, dass Sage für die neue Version Migrationshilfen anbieten will, kann er nur lachen, denn bei Installationen, die schnittstellen­basiert auf die Kundenbedürfnisse angepasst wurden, nütze ein Migra­tionstool «einen feuchten Dreck». Der Händler vermutet, dass sich mindestens ein Viertel der Händler und Kunden von Sage abwenden werde. «Was wir brauchen, ist ein gutes Produkt, mit Marketing allein ist es nicht getan.» Andere Händler hingegen befürchten, dass bei Selectline der Support leiden könnte. «Als Pfaff damals noch für Winware zuständig war, musste man froh sein, wenn einen jemand zurückrief.» (mh)


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