Das Wetter während der Euro 08 sorgte bei den Bierbrauern und Wurstverkäufern für Enttäuschung und das frühe Ausscheiden der Schweizer Nati für Depressionen in der Fan-Gemeinde. Doch was brachte die Fussball-Europameisterschaft eigentlich dem Handel? IT Reseller hat sich im IT-, CE- und UE-Channel umgehört. Das Ergebnis ist durchwachsen wie die Leistungen mancher Mannschaft.
Bescheidene Erwartungen
«Gewinner des boomenden TV-Marktes ist ganz klar der traditionelle Fachhandel», liess drei Tage vor EM-Beginn Luca Giuriato vom Marktforscher IHK-GfK verlauten. Zudem orakelte er, dass ähnlich wie bei der WM 2006, die grössten Geschäfte erst während des Turniers abgewickelt würden. Ganz so kam es jedoch nicht. Ein Grossteil der Händler, die sich an der IT-Reseller-Umfrage beteiligt haben, hatte denn auch keine allzu grossen Erwartungen im Vorfeld der EM bedeutend mehr Umsatz zu generieren. Man gab sich eher bescheiden und freute sich über jeden Zusatz-Umsatz.
«Wir hatten keine Erwartungen, sagt Markus Wolf, Geschäftsführer der Fachgeschäfte A. Windlin und W.Albrecht, gegenüber IT Reseller. «Es ist seit längerem bekannt, dass nur wenige auf solche Events hin einen neuen Fernseher kaufen, wenn der alte nicht defekt ist», so Wolf. «Das Ersatzgeschäft bei einer Reparatur ist naheliegend. Wer nichts braucht, kauft auch nichts, wenn es billig ist», doppelt Ruedi Nohl, Inhaber von Radio TV Foto Bürgi, nach. «Heute werden neue TVs gekauft, wenn die alten defekt sind und nicht bei Sportveranstaltungen», bestätigt auch Rolf Bossart, technischer Leiter von Bossart-Radio-TV-Funk.
Wer im hochpreisigen Segment verkauft, wie beispielsweise Felix Rohner, Inhaber von EP: Rohner Radio-TV, hatte sowieso keine Umsatzsprünge erwartet: «Hier sind Spontankäufe nicht möglich», sagt Rohner. «Der Markt ist übersättigt», bringt es schliesslich Markus Hoser, Inhaber vom Electronic-Partner-Geschäft Hoser, auf den Punkt. Generell kann gesagt werden, dass der Schweizer Handel auf grossformatige LCD-Fernseher setzte und ansonsten hoffte, dass es keine Einbussen beim restlichen Sortiment gibt. Bei 65 Prozent der Umfrageteilnehmer haben sich die, wenn auch bescheidenen, Erwartungen hinsichtlich der TV-Abverkäufe im Vorfeld der Euro 08 erfüllt, 25 Prozent sind unzufrieden, der Rest kann sich noch nicht entscheiden.
Sonderaktionen ein Flop
Als Hauptgründe für eher enttäuschte Erwartungen wurde mehrfach fehlende Hersteller- oder Distributoren-Unterstützung und schlechtes Marketing angegeben. Zwar haben gewisse Hersteller und Distis für ihre Händler Euro-Spezialpakete geschnürt, doch bei Weitem haben nicht alle den Braten gerochen, mit auf die EM zugeschnittenen Angeboten von der Fussball-Euphorie zu profitieren. «Unsere Lieferanten haben nur vereinzelt Werbung gemacht», sagt ein anonym bleiben wollender Umfrageteilnehmer. Trotzdem haben viele Fachhändler versucht mit Spezialangeboten Extrakunden zu ködern. Die Einkaufsgenossenschaft Electronic Partners hat beispielsweise verschiedene Werbeaktionen für ihre Mitglieder durchgeführt,
Sony hat ein Cashback-Programm lanciert, andere haben TV/HDD/DVD-Recorder-Pakete oder Gratis-Lieferungen angeboten. Bruno Hasler, Inhaber von Radio-TV Hasler aus Oberriet, ist gar anderer Meinung: «Es wurden zu viele Angebote in allen Medien und zu allen Preisen gestreut. Der Kunde war sicher überfordert.»
Grundsätzlich scheinen sich die Aktionen, Spezialangebote und EM-Packages, die immerhin 50 Prozent der Befragten angeboten haben, nicht wirklich ausgezahlt zu haben: «Die Nachfrage war schwach», sagt Wolf von A. Windlin. «Hat nur Geld gekostet», wettert Nohl von Radio TV Foto Bürgi. Für Hoser von EP: Hoser kamen die LCD-Aktionen zwar gut an, jedoch sei damit, bei Margen von 8 bis 10 Prozent, kein Geld zu machen.
Flaute während der Euro
Beliebteste Produkte neben den grossen Flachen waren Set-Top-Boxen, DVD-Player/Recorder, Media Center, Zubehör und Satelliten-Anlagen. «Aufträge für Sat-Anlagen haben kurz vor der EM deutlich zugenommen», sagt Wolf. Auch Notebooks liefen nicht schlecht. Die Prophezeiung von GfK-Analyst Giuriato, demzufolge das Geschäft besonders in den zwei Anfangswochen der Euro nochmals explodieren werde, hat sich nur bedingt erfüllt. Beim Grossteil der Befragten lief das Geschäft während des Turniers eher schleppend. «An einer Messe Ende April war der Verkauf sehr gut, danach flaute das Geschäft ab», sagt Hasler von Radio-TV Hasler. «Das Tagesgeschäft hat teilweise gelitten», sagt Thomas Güdel, Inhaber EP: Güdel-Electronics. Das Beamer-Geschäft lief, entgegen mancher Erwartungen, unbefriedigend. «Wenige verkaufte Stücke», «Erwartungen waren höher», «keine grossartigen Abverkäufe» waren der Grundtenor. Auch die Vermietung scheint kein Thema mehr zu sein, wie Rohner von EP: Rohner Radio-TV, feststellt. Die Nachfrage nach mietbaren Beamern sei schwächer als während der WM gewesen, heisst es von anderer Seite.
Trotzdem haben 65 Prozent der Befragten zumindest keine Lagerüberbestände zu vermelden. Auch was Lieferengpässe seitens der Lieferanten betrifft, ist sich der Fachhandel uneinig: Ja, nein, teilweise, weiss nicht, wie immer um diese Zeit waren die nicht sonderlich aussagekräftigen Antworten auf diese Frage.
Dienstleistungen gefragt
Genau die Hälfte der Befragten konnte mehr Umsatz als üblich mit Dienstleistungen wie Montage-Arbeiten und Service-Verträgen generieren. «Dienstleistungen helfen die Schnäppchen aus dem Internet zum Laufen zu bringen oder dem geprellten Käufer seinen Frust abzunehmen», sagt Nohl von Radio TV Foto Bürgi. Im Schnitt generierten die befragten Händler zwischen 30 und 60 Prozent ihres Umsatzes mit Service-Leistungen. Bei allem Gezeter gaben abschliessend 57 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass die Euro 08 ihrem Unternehmen etwas gebracht habe.
Distis: TVs top, Beamer so so la la
Der Distributions-Kanal gibt sich verhalten optimistisch. Bei
Tech Data hatte man denn auch keine besonderen Erwartungen und hielt sich ans übliche Budget. Wie überall lief es im TV-Bereich sehr gut: «Bei den Fernsehern wurden unsere Erwartungen massiv übererfüllt, Beamer-Abverkäufe waren nicht berauschend», sagt Tech Data-CEO Manfred Steinhardt gegenüber IT Reseller. Im TV-Bereich ist der Abverkauf demzufolge gelungen, der Rest sei normales saisonales Business, sagt Steinhardt, Lagerüberbestände gäbe es jedoch keine.
«Zum Glück läuft die Euro ja noch und noch immer treffen schöne Bestellungen in der Distribution ein» fügt Daniel Bodmer, Head of Marketing und CE-Distribution von
Also, an. Aufgrund von möglichen Lagerüberbeständen im Retail geht Bodmer davon aus, dass nach der Fussball-EM die Preise noch einmal ins Rutschen geraten. «Grundsätzlich darf man zusammenfassen, dass die Euro ganz klar einen Boom hervorgerufen hat.
Flachbildschirme und auch Beamer - allerdings etwas weniger - haben sich verkauft, wie noch nie. Andere Geräte rund ums TV-Geschäft haben sich hinsichtlich der Euro nicht speziell anders verhalten als in anderen Jahren», sagt Bodmer. Allerdings räumt er ein, dass Ware zum Teil eventuell noch in den Läden liege. Also selbst sei jedoch sowohl mit dem Abverkauf als auch mit der derzeitigen Lagersituation sehr zufrieden. «Wir sind parat für die olympischen Spiele.»
Preiszerfall geht weiter
Der Preiszerfall bei grossformatigen Flachbild-TVs schreitet schnell voran. «Besonders vor medialen Grossanlässen wie der Fussball-Europameisterschaft werfen die Händler den Konsumenten die Geräte nach», sagt Guido Portmann, Einkaufsleiter von
Alltron. Der Mägenwiler Disti hatte während der gesamten Euro-Zeit eine «Alltron EM-Special»-Aktion laufen: Zu jedem 32-Zoll-LCD-TV bot der Disti eine Garantieverlängerung auf zwei Jahre an, inklusive Heimservice mit Reparatur beim Kunden, Stellung eines Leihgeräts und Übernahme aller Transportkosten. «Mit dieser Aktion bieten wir schweizweit einen einmaligen Service und die Konkurrenz guckt sprichwörtlich in die Röhre», witzelt Portmann. «Wie immer vor so grossen Turnieren wie der EM oder der WM, sind die Erwartungen schwer abzuschätzen», ergänzt Adrian Meier, Produkt-Manager TV/Beamer. «Durch die EM-Aktion konnten wir im TV-Bereich starke Verkäufe verzeichnen. Im Beamer-Sektor sind die Verkäufe ebenfalls sehr stark gestiegen», so Meier.
Retail frohlockt
Der Retail gibt sich geschlossen zufrieden, was die Geschäfte im Vorfeld der EM betrifft. «Wir haben erwartet, unter anderem weil der Anlass in der Schweiz durchgeführt wird, dass wir sehr gut verkaufen werden», sagt Sabine Weber, Assistentin des CEOs von Fust. «Dementsprechend haben wir auch unsere Ausliefer- und Installations-Equipe darauf vorbereitet.» Bei Fust wurden die Erwartungen übertroffen und man ist mit den Abverkäufen sehr zufrieden: «Vereinzelte Marken haben erkannt, dass ein grosser Fachhändler wie Fust eine kostendeckende Marge braucht und haben richtig reagiert», sagt Weber. «Diese Marken haben dann bei uns auch überdurchschnittlich profitiert. Im Service haben wir es geschafft, dass trotz der ungewöhnlich hohen Anzahl Lieferaufträge alle unsere Kunden das Eröffnungsspiel mit ihrem neuen TV sehen konnten», Weber stolz. «Die Erwartungen im Bereich der TVs wurden klar übertroffen. Im Bereich der Beamer sind wir zufrieden», doppelt Joos Sutter, CEO
Interdiscount, nach. Der Abverkauf sei, bis auf den Bereich Fanartikel, wo man gern noch mehr verkauft hätte, wie geplant gelungen. «Das Geschäft wurde primär bei den Geräten gemacht. Der Zubehör-Bereich lief entsprechend dem Volumen der Geräte. Überdurchschnittlich ist der Bereich DVB-T-Empfänger im Segment TVs und Notebooks gelaufen», erklärt Sutter. Die Migros konnte ein zweistelliges Umsatzwachstum im Bereich Flat-TVs verbuchen, lässt Monika Weibel, Mediensprecherin Migros, verlauten. «Am meisten waren Grossbild-Full-HD-LCD-TV’s in den Grössen 37 und 40 Zoll gefragt. Die Abverkäufe bei diesen Geräten haben unsere Erwartungen sogar übertroffen.» Auch im Bereich DVD-Recorder konnte der Grossverteiler die Umsätze deutlich steigern. Auch Mediamarkt verzeichnete bereits im April bei LCD- und Plasma-Fernsehern ein Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich. Neben LCD-TVs mit grossem Bildschirm lief es auch im PC- und Notebook-Bereich gut für den Retail. Fust konnte speziell bei den Notebooks hohe Absätze verzeichnen. «Auch hier gilt dasselbe wie bei den TVs: Die Marken mit einer klugen Markenführung und Premium-Produkten legen bei uns überdurchschnittlich zu», so Weber.
Lagerüberbestände
Von Herstellerseite ist zu vernehmen, dass der Retail-Kanal noch ziemlich viele Geräte an Lager habe, lässt Bodmer von
Also durchblicken. Interdiscount-Chef Joos Sutter will das nicht bestätigen. Bei der Retail-Kette seien die Lagerbestände abgebaut. Auch bei der Migros gibt es keine überfüllten Läger: «Aufgrund der Preiserosion haben wir die Mengen eher knapp eingekauft», sagt Weibel. Bei Fust gibt man zumindest zu, dass es vereinzelte Überlager-Bestände von Produkten und Marken gibt, die in der Preis-, Distributions- und Margengestaltung nicht optimal agiert haben. «Wir haben jedoch generell sehr gut disponiert, so dass wir zwar immer lieferfähig waren, uns aber kein Überlagerproblem eingehandelt haben», sagt Weber. Die Lagerüberbestände will Fust über diverse Promotionen abbauen. «Damit können wir aber auch reagieren, falls Mitbewerber ein grösseres Lagerproblem haben und diese Mengen zu Tiefstpreisen auf den Markt werfen sollten», so Weber. (Susann Klossek)