Richter Thomas Jackson hat gestern die Zweiteilung von Microsoft verfügt, was eigentlich niemanden mehr verblüfft hat. Aber kann man deshalb jetzt zur Tagesordnung übergehen? "Nein", sagt US-Branchenintimus Jesse Berst ("Anchordesk"): "Die Effekte werden schon ab heute spürbar werden."
Bisher sind die meisten Beobachter davon ausgegangen, dass das Urteil wenig unmittelbare Wirkung haben wird, weil Microsoft sofort in die Berufung geht. Berst: "Vergessen Sie diese Leute. Wenn das Bundesgericht sein abschliessendes Urteil vorlegen wird, hat sich die Branche schon so massiv geändert, dass ein Breakup total irrelevant ist." Er sieht vier Gründe dafür:
1. Die vom Gericht auferlegten neuen VERHALTENSREGELN für
Microsoft: Bis auf den Fall, dass Microsoft in der Zwischenzeit doch noch einen anders gestimmten Richter findet, treten die neuen Regeln für den Konzern im September in Kraft. Nach ihnen müssen sich die Redmonder richten, solange der Fall in der Berufung ist. Das heisst
– MS darf keine Konkurrenzprodukte bedrohen oder schädigen, z.B. durch Entzug von Lizenzen oder technischem Support.
– MS darf Computerhersteller nicht mehr via Lizenzbestimmungen zwingen, andere MS-Produkte ebenfalls zu nehmen.
– MS darf Hersteller nicht mehr zur Promotion, Distribution oder Einsatz seiner Produkte zwingen.
– MS muss allen OEMs die gleichen Lizenzbedingungen anbieten.
Berst: "Damit können PC-Hersteller nun jede beliebige Software auf ihrem Desktop installieren, ohne Angst vor MS-Repressionen. Zudem werden andere Softwarehäuser zur Entwicklung von MS-konkurrierenden Produkten ermutigt." Der Effekt könnte für den Konsumenten schon bald spürbar sein.
2. Die MICROSOFT-AKTIE dürfte sich nach der Phase der Unsicherheit erholen. Aber, so Berst: "Die Aktie hat keine unlimitierte Zukunft mehr wie bisher – bis zur endgültigen Entscheidung gibt es eine Obergrenze." Und die könnte dramatisch auf die Motivation der MS-Angestellten drücken, die zu einem hohen Anteil mit Optionen bezahlt werden
3. "Die KONKURRENTEN werden frecher werden – zu den schon bisher 100 Prozessen gegen Microsoft werden weitere kommen." MS ist nicht mehr unangreifbar.
4. "Die FIRMEN-MORAL von Microsoft steht in Gefahr." Zwar habe es gestern ein kollektives Aufatmen in Redmond gegeben, denn die Unsicherheit ist endlich vorbei. Viele Mitarbeiter glauben zudem dem CEO Steve Ballmer, dass man den Appeal gewinnen werde. "Aber etliche Top- und Middle-Manager sind bereits auf dem Absprung", so Berst. Alles zusammen werde die IT-Industrie schon in nächster Zukunft entscheidend beeinflussen.
Was meinen Sie? Schreiben Sie uns Ihren Kommentar. (mvb)