Swiss IT Reseller: Darf ich Sie zum Start bitten, sich für diejenigen Leser, die sie nicht kennen sollten, kurz vorzustellen?
Manfred Steinhardt: Ich bin seit zwölf Jahren Geschäftsführer von
Tech Data – ehemals Computer 2000. Zuvor war ich für Also tätig, und noch früher arbeitete ich als Wirtschaftsprüfer.
Marc Schnyder: Ich bin seit nunmehr 26 Jahren für die Firma Also tätig, und seit 23 Jahren für das Unternehmen, das ich in der Schweiz aufbauen durfte, verantwortlich. Vor dieser Zeit war ich im Ausbildungswesen beschäftigt.
Joe Feierabend: Ich habe
Ingram Micro vor 15 Jahren gegründet – wir feiern in diesem Jahr Jubiläum – damals allerdings noch unter dem Namen Macrotron Distribution. Zuvor amtete ich rund vier Jahre als Co-Geschäftsführer bei Computer 2000, und davor war ich lange Zeit im Lösungsgeschäft als Marketing-und Vertriebsleiter tätig. Ich habe also sozusagen fast mein ganzes Leben in der IT-Industrie verbracht.
Das Thema dieses Roundtables lautet: «So profilieren sich die Schweizer Distis.» Darum die Frage: Was kann Ihr Unternehmen besser als die Konkurrenz?
Manfred Steinhardt: Wir bieten eine sehr grosse Auswahl von Artikeln zu aktuellen Preisen, und wir beherrschen die Komplexität, die für dieses Geschäft nötig ist – von der Logistik-Maschinerie über Dienstleistungen bis hin zur Abrechnung. Dabei steht der Kunde im Fokus.
Marc Schnyder: Sie haben gefragt, was wir besser können. Ich denke jedoch, wir machen gewisse Dinge einfach anders. Wir unterscheiden uns durch die drei «P», wie wir dies bezeichnen. Das erste P steht für Personen. Wir haben bei Also hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und investieren auch viel in sie. Allein in diesem Jahr fliessen bei uns rund 400'000 Franken in die Weiterbildung, und die Mitarbeiter fühlen sich wohl bei uns. Das zweite P steht für unsere Produkte. Wir decken mit unseren Produkten rund 80 Prozent des Marktes ab. Das ist weniger als unsere Konkurrenten, aber wir sind der Überzeugung, dass es nur dort Sinn macht Produkte zu verkaufen, wo auch das Know-how vorhanden ist. So sind wir etwa im Komponenten-Geschäft nicht tätig, auch wenn wir immer wieder darüber diskutieren. Das dritte P schliesslich steht für Prozesse – ein sehr wichtiger Aspekt. Ich spreche dabei nicht nur von Logistik-, sondern auch von IT-Prozessen. Letztlich verkaufen wir IT-gestützte Logistikprozesse, und die IT-Prozesse zu beherrschen, macht rund 50 Prozent unserer Kernkompetenz aus.
Joe Feierabend: Es geht nicht unbedingt darum, wer was besser macht, denn wir alle sind etwas unterschiedlich aufgestellt. Bei Ingram verfolgen wir unser XXL-Modell, bei dem der Kunde im Mittelpunkt steht und wir dem Kunden eine One-Stop-Shopping-Möglichkeit bieten. Kunden haben heute kein eigenes Lager mehr, wollen kurze Lieferfristen und gute Preise. Und wie bereits Herr Steinhardt erwähnt hat, geht es auch darum zu versuchen, die Komplexität zu senken und dem Kunden das Leben möglichst einfach zu machen, indem wir ihn elektronisch anbinden. Ein Vorteil, den
Ingram Micro in meinen Augen hat, sind die rund 150 Hersteller, die wir den Kunden anbieten können. Dabei geht es nicht nur um Produkte, sondern auch um die umfassenden Daten zu den Produkten, die wir unseren Kunden für ihre Systeme zur Verfügung stellen. Wir versuchen dabei, die verschiedenen Prozesse der Hersteller bei uns zu bündeln und zu vereinheitlichen, so dass unser Kunde sich quasi nur noch mit einem «Hersteller» herumschlagen muss. Und wir haben und pflegen die besten Mitarbeiter, die jeden Tag versuchen, die Erwartungen der Kunden zu übertreffen.
Herr Schnyder hat erklärt, Also verkaufe nur Produkte, die man auch verstehe. Verkaufen Ingram Micro und Tech Data denn auch Produkte, die sie nicht verstehen?
Manfred Steinhardt: Nein, denn wenn wir das Know-how für ein Produkt nicht hätten, könnten wir es auch nicht verkaufen. Man muss unterscheiden: Es gibt heute Produkte wie Drucker und PCs, bei denen steht die Beratung nicht im Vordergrund. Die Komplexität beginnt beispielsweise beim Verkauf von Software und Lizenzen, oder bei spezialisierten Servern. Es gibt also zwei unterschiedliche Geschäfte: Das traditionelle Broadline-Geschäft, wo die Beratung nicht im Vordergrund steht, sondern wo wichtig ist, dass man schnell liefern kann und der Kunde einen vernünftigen Preis erhält, und das Lösungsgeschäft, wo Beratung verlangt wird und eine hohe Kompetenz vorhanden sein muss und unsere Aufgabe teilweise bis ins Pre-Sales geht. Diesen Bereich decken wir mit Azlan ab.
Joe Feierabend: Ausserdem geht es nicht nur um das Know-how zum Produkt selbst. Was ein Produkt kann oder nicht kann wissen unsere Kunden oft besser als wir, schliesslich installieren sie die Lösungen und arbeiten damit. Wir hingegen sind der verlängerte Arm der Hersteller und müssen über dessen Programme Bescheid wissen. Bei 150 Herstellern ist dies eine grosse Herausforderung, wobei ich anfügen muss, dass Ingram Micro sich in der Schweiz einkaufsseitig mit rund 20 Herstellern auseinandersetzt – dabei handelt es sich meist um Schweiz-spezifische Produkte von Herstellern wie HP, Lenovo, Microsoft oder Acer. Um die übrigen Hersteller kümmert man sich bei Ingram Micro in Deutschland für uns, wo allein im Produktmarketing 250 Leute arbeiten. Wir allein könnten unser XXL-Konzept gar nicht realisieren, und so können wir auch in der Schweiz für kleinere Hersteller einen relativ grossen Aufwand betreiben und mit höchster Verfügbarkeit und guten Preisen unseren Kunden Vorteile verschaffen.
Wo habe ich als Reseller Vorteile, wenn ich mit einem der drei grossen Broadliner zusammenarbeite, und wo macht es mehr Sinn, mit einem kleinen, spezialisierten VAD zu arbeiten?
Joe Feierabend: Dieses Thema ist im Moment gerade bei uns aktuell. Bei kleinen, spezialisierten VAD sehen wir den Trend, dass diese heute häufig ihre Reseller bis zum Endkunden begleiten, weil den Resellern teilweise das nötige Know-how fehlt. Auf der anderen Seite benötigt auch ein solcher VAD aufwendige Infrastruktur und hat einen hohen Administrationsaufwand. Wir als
Ingram Micro sehen hier Synergien in der Kombination von Volume und Value und bieten als Multispecialist Produkte und Leistungen aus beiden «Welten» an.
Marc Schnyder: Man darf zudem nicht vergessen, dass praktisch jedes Produkt seine Wurzeln im Value-Bereich hat. Auch wir haben von 25 Jahren im Value-Bereich angefangen, denn damals war noch jedes Produkt, das wir verkauft haben, erklärungsbedürftig. Es braucht die Value-Distributoren, die ein Produkt in ihr Sortiment aufnehmen, für das es nur einen kleinen Markt gibt. Man hat in der Vergangenheit dann oft gesehen, dass ein solches Produkt im Laufe seines Lebenszyklus einfacher und erklärbarer wird, einen grösseren Markt anspricht und so im Volumengeschäft landet.
Das heisst also, Sie lassen bewusst die Finger von gewissen, hochkomplexen Produkten, die nur einen kleinen Markt ansprechen?
Marc Schnyder: Nein, das würde ich so nicht sagen. Aber sehen Sie sich die Geschichte an. Cisco-Produkte, oder auch hochspezialisierte Storage-Produkte, wurden zu Beginn nur vom Hersteller selbst oder von einigen wenigen VAD angeboten. Solche Produkte gibt es auch heute noch, und deshalb haben die vielen VAD durchaus auch heute ihre Berechtigung.
Joe Feierabend: Ich war ja früher lange Zeit im Value-Bereich tätig. Oftmals war es damals so, dass man komplexe Produkte angeboten und sie zusammen mit der eigenen Lösung verkauft hat. Dann kam der Erfolg, was dann dazu führte, dass der Hersteller mehr Volumen wollte und sich auf die Suche nach einem entsprechend grossen Disti machte. Eine Entwicklung, die wir heute sehen, ist die, dass auch die Hersteller von komplexen Produkten immer mehr in den KMU-Markt drängen. Insbesondere in der Schweiz mit seiner grossen Basis versuchen diese Hersteller, die hochkomplexen Produkte ein wenig einfacher zu gestalten, um dann über die Breite zu den KMU zu gelangen. Teil unserer Aufgabe ist es dann, für die Hersteller diese Kunden zu suchen und zu finden. Hier hat
Ingram Micro den Vorteil, dass wir durch die hohe Anzahl an Herstellern, die wir vertreten, auch ein hohes Wissen darüber haben, was die Kunden kaufen. So können wir zusammen mit den Herstellern entsprechende Programme auf die Beine stellen, die für diese Kunden passen.
Manfred Steinhardt: Sie dürfen zudem nicht vergessen: Meist ist es der Hersteller, der bestimmt, wo ein Produkt verkauft wird. Es ist nicht unbedingt so, dass wir bewusst Produkte nicht vertreiben. Der Hersteller definiert aufgrund des Marktes und seiner Vorstellungen, wo und wie er ein Produkt distribuieren will. Und da kann es vorkommen, dass ein Hersteller den Spezialisten bevorzugt.
Joe Feierabend: Und wenn er dann das Volumen will, dann kommt er zu uns – oftmals bereits dann, wenn das Produkt für den Massenmarkt noch nicht reif ist. So passiert es manchmal auch, dass wir ein Produkt nicht aufnehmen, weil wir das Gefühl haben, dass es für die breite Vermarktung noch nicht bereit ist.
Manfred Steinhardt: Und man muss auch sehen, dass jeder Hersteller eigene Prozesse hat und daraus eine Komplexität entsteht, die man beherrschen muss. Je mehr Hersteller ich ins Sortiment aufnehme, je mehr Kosten entstehen für mich als Distributor. Diese Kosten wollen gedeckt sein, und wenn das Volumen für ein Produkt nicht da ist, ist es vielleicht besser beim Spezialisten aufgehoben.
Kommen wir ein wenig auf die Reseller zu sprechen. Wo brauchen die Reseller aktuell Ihrer Meinung nach am meisten Unterstützung, und wie bieten Sie ihnen diese Unterstützung?
Joe Feierabend: Im Moment fehlt wohl vielen Resellern die Nachfrage seitens der Endkunden. Ich glaube aber, wir drei Broadliner decken ansonsten alle Bedürfnisse ab, die ein Reseller hat – sei dies bei der Anbindung, bei Programmen oder im Ausbildungsbereich. Konkreten Unterstützungsbedarf sehe ich aktuell eigentlich nicht.
Marc Schnyder: Ich denke schon, dass es einige Bereiche gibt, die unterstützungsbedürftig sind. So hat etwa die Komplexität in den letzten Jahren massiv zugenommen. Bei den Programmen der grossen Hersteller – insbesondere beispielsweise bei der Abwicklung von Special Bids (Projekte mit Sonderpreisen, Anm.d.R.) – brauchen unsere Kunden Unterstützung. Eine weitere Problematik für die Reseller ist nicht nur die von Herrn Feierabend angesprochene sinkende Nachfrage, sondern vor allem auch die Sprunghaftigkeit der Nachfrage. Wir haben Kunden, die plötzlich durch Anfragen seitens der Endanwender überhäuft werden und zu wenig Leute haben, um diese zu handhaben, und dann gibt es wieder Phasen, wo die Projekte beim Reseller rar werden. Die Flexibilisierung bei den Resellern ist ein riesiges Thema, und die Frage lautet: Wie kann der Reseller die Flexibilität bei seinen Arbeitskräften sicherstellen? Wir müssen uns überlegen, wie wir den Reseller unterstützen können, um dieses Problem zu lösen.
Aber viel machen können Sie hier als Disti auch nicht.
Marc Schnyder: Diese Meinung teile ich nicht ganz. Es stimmt, an der Denkweise der Vergangenheit können wir nicht viel machen. Doch für die Zukunft müssen wir uns Wege überlegen. Denn eines ist sicher: Das klassische Distributionsgeschäft wird in den kommenden Jahren massiv zurückgehen. Also braucht es auch bei uns neue Konzepte, eine neue Denkweise. Ein solches Konzept könnte – dies aber nur als Beispiel, ohne etwas ankündigen zu wollen – ein Techniker-Pool sein, den wir den Resellern bei Bedarf zur Verfügung stellen.
Manfred Steinhardt: Eine Knappheit von Ressourcen und auch von Fachkenntnissen bei den Resellern sehen auch wir. In den letzten zwölf Monaten hat das Know-how bei den Resellern stark nachgelassen. Und die Reseller kommen immer mehr auf uns Distributoren zu und wir unterstützen sie mit unserem Know-how, oder sie übertragen uns gewisse Bereiche. Die Reseller lagern also jetzt schon Aufgaben an den Distributor aus – genauso wie die Hersteller. In diesem Zusammenhang sehen wir aber auch, dass die erfolgreichen Reseller stark darum bemüht sind, ihre Kosten im Griff zu haben – ein Weg dazu ist natürlich, Bereiche und Aufgaben auszulagern.
Joe Feierabend: Für Verunsicherung am Markt sorgt natürlich auch Cloud Computing. Viele Reseller interessieren sich zwar für das Thema, wissen aber nicht, wie sie damit umgehen sollen. Das resultiert darin, dass die Reseller ihren Kunden zwar versichern, sie würden das Thema verstehen, gleichzeitig versuchen sie ihre bisherigen Pfründe zu halten. Auf der anderen Seite haben wir die Hersteller wie Microsoft, die künftig nur noch mit Partnern arbeiten wollen, die ihre Cloud-Visionen mittragen und verkaufen. Die Reseller befinden sich also im Clinch, und sie machen sich Sorgen um ihr traditionelles Geschäft.
Manfred Steinhardt: Die Industrie befindet sich in einem Umbruch. Dieser Umbruch betrifft nicht nur die Reseller, sondern auch die Distributoren und die Hersteller. In welche Richtung die Veränderungen gehen, ist jedoch noch weitgehend offen. Die Cloud wird sicher für diese Veränderungen mitverantwortlich sein – auch wenn sie sich vielleicht nicht so schnell verbreiten wird wie prognostiziert. Sicher ist aber, wer nicht bereit ist, die anstehenden Veränderungen mitzugehen, wird in fünf Jahren einen schwierigen Stand haben.
Aber Cloud Computing kann doch für den Reseller auch eine Chance sein, wenn er bereit ist, sich auf das Thema einzulassen. Für den Distributor hingegen ist die Cloud primär eine Gefahr, weil es nichts mehr zu distribuieren gibt.
Manfred Steinhardt: Sie dürfen nicht vergessen, 70 Prozent des Cloud-Geschäftes fällt auf Infrastruktur ab, es gibt also sehr wohl noch Bedarf für die Distribution.
Joe Feierabend: Und diese Diskussion haben wir schon vor zehn Jahren mit Microsoft geführt. Damals hiess es, es brauche die Distribution nicht mehr, Microsoft könne seine Produkte mit den paar grossen LARs (Large Account Resellern, Anm. d. R.) oder gleich ganz ohne Hilfe genauso gut vertreiben. Und heute? Microsoft macht nach HP nach wie vor den grössten Teil unseres Geschäfts aus. Microsoft mit all seinen Lizenzprogrammen kann und will gar nicht all die kleinen Kunden bedienen. Und so managen wir diese Programme auch heute noch für Microsoft – für wenig Geld wohlgemerkt.
Herr Schnyder, Sie haben jüngst Lifetime angekündigt, ein Service, mit dem sie sich um das Lizenzmanagement bei den Resellern kümmern. Sind solche Zusatzservices ein Bedarf bei Resellern, was haben Ingram Micro und Tech Data in diesem Bereich zu bieten?
Marc Schnyder: Auch bei solchen Services geht es um Flexibilisierung. Nehmen wir die Produktion: Wir bieten Resellern seit letztem Jahr den Produktionsteil als Service an, und jeden Monat bekommen wir mehr und mehr Aufträge für diesen Service. Lifetime geht in eine ähnliche Richtung. Der Reseller wird immer häufiger auf gewisse Spezialitäten fokussieren. Leistungen, die er nur ab und an erbringen muss, will er nicht mehr selber machen.
Joe Feierabend: Bei solchen Services geht es immer auch darum, wie man IT-seitig aufgestellt ist. Ingram Micro ist ein weltweites Unternehmen mit weltweiten Systemen. Das hat manchmal Vorteile, indem man etwa gewisse Dienste auf die Schweiz adaptieren kann. Für mich stellt sich aber auch die Frage, ob für solche Services wirklich ein grosser Bedarf herrscht. Ich mag mich erinnern, dass es Zeiten gab, als gewisse Distis glaubten, auch PCs assemblieren zu müssen…
Marc Schnyder (unterbricht lachend): Wir haben das nie geglaubt…
Joe Feierabend: …und dabei wurden Millionen verbrannt, ohne dass sich das Geschäft durchgesetzt hat. Aber zurück zu Services: Bei uns können Reseller zum Beispiel von Installationen profitieren, die bei Ingram Micro in Deutschland stehen – ich denke hier etwa an Cloud-Testumgebungen.
Marc Schnyder: Ein Vorteil von Also Schweiz ist sicher, dass unsere IT hier in der Schweiz sitzt, wir sämtliche Kompetenzen bei uns im Haus haben und so den lokalen Markt optimal bedienen können. Gerade im Servicegeschäft, in dem wir tätig sind, ist das wichtig. Wir können mit unseren Partnern und Kunden in der Schweiz zusammen neue Services wie eben Lifetime entwickeln und verhältnismässig schnell umsetzen.
Manfred Steinhardt: Wir haben mit License Online ein ähnliches Tool im Angebot. Denn es ist so: Die Bedürfnisse der Reseller steigen, je komplexer und chaotischer die IT-Welt ist. Und in dieser immer noch jungen Branche gibt es nach wie vor viele Hersteller, die relativ chaotisch funktionieren. Da ist der Reseller froh, wenn er Unterstützung in Form solcher Services erhält.
Herr Feierabend, Sie haben ja zu Beginn des Jahres angekündigt, verstärkt im Value-Bereich tätig werden zu wollen. Tech Data und Also sind in diesem Umfeld bereits tätig. Können Sie hier als Broadliner mit den Spezialisten mithalten, und wie laufen die Geschäfte?
Joe Feierabend: Man muss hier zuerst einmal definieren, was Value überhaupt ist. Spricht man nur von High-end- und Business-Critical-Systemen? Wie schon erwähnt, die Hersteller wollen ihre High-end-Lösungen immer mehr auch dem Mittelstand anbieten, und hier sind wir präsent und arbeiten bereits mit verschiedenen Herstellern. Wir werden aber sicher nicht beginnen, in den absoluten High-end-Value-Bereich mit den Top-High-end-Kunden zu drängen und unseren Kollegen hier das Geschäft streitig zu machen.
Marc Schnyder: Zuerst muss man vielleicht einmal über Definitionen sprechen. Leider ist die IT-Industrie viel zu stark durch Marketing-Schlagwörter belastet – Value ist eines davon. Auch das Volumen- und das Retail-Geschäft ist Value, sonst würde ja niemand für eine Leistung bezahlen. Auch wir benutzen den Begriff Value, doch eigentlich müsste man das Value-Geschäft als Projektgeschäft bezeichnen, denn es geht um komplexe Prozesse und Produkte, und es geht darum, den Reseller zu begleiten – von der Pre-Sales-Phase bis hin zur kompletten, projektorientierten und terminierten Lieferung direkt zum Endkunden. Ich vergleiche das Volume-Geschäft gerne mit Easyjet. Produkte müssen günstig und effizient von A nach B gelangen. Das Value-Geschäft ist im Gegensatz dazu ein First-Class-Flug.
Joe Feierabend: Wir beobachten, dass Value-Hersteller vermehrt in den SMB-Bereich vorstossen wollen. Auf der einen Seite brauchen sie die lokalen VAD für die komplexen Installationen, auf der anderen Seite ist ein Distributor wie Ingram aber Garant für den Zugriff in den SMB. Die Frage ist: Wer ist bereit, diese Leistungen zu bezahlen?
Marc Schnyder: Diese Antwort ist einfach: Wenn der Kunde die Leistungen braucht, ist er auch bereit, dafür zu bezahlen, und sonst nicht.
Joe Feierabend: Wobei wir hier dann das Problem haben, dass wir Broadliner zu Dritt am Markt sind. So passiert es beispielsweise beim Zusammenstellen von Konfigurationen, dass Kunden Leistungen von uns gratis wollen, weil sie diese angeblich von unseren Konkurrenten – Also beispielsweise – ebenfalls gratis bekommen.
Marc Schnyder: Diese Aussage kann kaum richtig sein, denn wir wissen jetzt schon, dass es auch beim kommenden «IT Reseller Disti Award» heissen wird, dass Also am teuersten ist.
Joe Feierabend (lacht): Dass müssen Sie genau so schreiben: Also ist am teuersten,
Ingram Micro am günstigsten. Nein im Ernst: Der Kunde schaut sich das ganze Paket an, und dabei ist Preis der Zusatzleistungen mitentscheidend – insbesondere, wenn dieser Preis separat ausgewiesen wird.
Marc Schnyder: Aber der Kunde soll frei entscheiden können, ob er die Zusatzleistungen separat ausgewiesen haben will, oder ob diese im Warenpreis mit eingerechnet werden. Für mich ist ein Service nur dann ein Service, wenn der Kunde bereit ist, dafür separat zu bezahlen – egal ob es sich dabei um Produktion, um Trainings-Leistungen oder um einen Service wie Lifetime handelt. Wenn er nicht bereit ist, dafür eine separate Rechnung zu akzeptieren, dann ist es kein Service, und dann sind wir wieder im Handelsgeschäft tätig.
Manfred Steinhardt: Fakt ist: Wir sind im Handelsgeschäft tätig. Der Kunde ist schlicht nicht bereit, für gewisse Services zu bezahlen. Ich möchte aber zum Thema Value gerne noch etwas anfügen: Das Value- und das Volumen-Geschäft sind zwei unterschiedliche Geschäftsfelder. Im Value-Geschäft ist Fachwissen und Fachkompetenz seitens der Mitarbeiter erforderlich. Dies aufzubauen, ist ein langwieriger Prozess, und die Leute, die in diesem Bereich arbeiten, sind sehr wertvoll. Denn letztlich machen die Mitarbeiter das Geschäft im Value- und insbesondere im Enterprise-Geschäft aus. Wenn ich dem Kunden Kompetenz bieten kann, rückt der Preis auch ein wenig in den Hintergrund.
Wie häufig passiert es eigentlich, dass Sie sich gegenseitig ausstechen? Wie weh tun Sie sich gegenseitig auf dem Markt?
Joe Feierabend: Dies hängt stark von den Geschäftsfeldern und Grosskunden ab. Es gibt Kunden, die man haben will, weil man weiss, dass man dann einen bestimmten Marktanteil erobern kann. Aus meiner Sicht ist der gesamte Kunden-/Herstellermix wichtig, um Geld zu verdienen. Auch im Retail kann man mit einem entsprechenden Produktemix erfolgreich operieren.
Marc Schnyder: Grundsätzlich ist jedes Unternehmen für seine Strategie selbst verantwortlich – sowohl Produkt-seitig als auch für die Pricing-Stratgie. So kann es immer wieder vorkommen, dass wir uns im Preiskampf begegnen. Doch jedem von uns ist es freigestellt, ab und an auch auf einen Hersteller zu verzichten. Ohne Namen zu nennen: Wir haben das in Vergangenheit mit Herstellern, mit denen wir nicht mehr profitabel Geschäfte machen konnten, auch gemacht. Viel mehr Sorgen macht mir im Moment aber die Sub-Distribution, ein Phänomen aus den 90er-Jahren, das wieder aufgekommen ist. Ich denke hier an Firmen wie Alltron oder Digitec, die gewisse Möglichkeiten haben, die wir nicht haben.
Können Sie dieses Phänomen erläutern?
Marc Schnyder: Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Bei HP gibt es immer wieder sogenannte Fokus-Day-Aktionen über mehrere Tage – kurzfristig und unangekündigt. Wir drei Broadliner als offizielle HP-Partner bieten dann Ware, die wir bei HP zu 100 Prozent des Preises eingekauft haben – schliesslich müssen wir rund sechs bis acht Wochen im Voraus planen – mit einem Rabatt von 10 bis zu 20 Prozent an, wobei HP dies finanziert. Dies eröffnet gewissen Marktteilnehmern die Möglichkeit, grössere Stückzahlen zu diesem reduzierten Preis einzukaufen, um die Produkte dann – nachdem wir die Preise am Ende der Aktion wieder heraufsetzen müssen – selbst zu einem tieferen Preis den Händlern zu verkaufen. Dies bereitet mir Sorgen, denn solche Dinge können wir kaum mehr kontrollieren und steuern.
Joe Feierabend: Auch mir ist das ein Dorn im Auge, doch man kann solchen Marktteilnehmern kaum einen Vorwurf machen. Denn letztlich nutzen sie nur die Marktgegebenheiten, und zum Teil auch die Schwächen, die einzelne Hersteller an Quartalsenden offerieren.
Marc Schnyder: Nebst der Sub-Distribution kommen zudem die Parallelimporte hinzu, die gerade jetzt, mit dem hohen Schweizer Franken, zunehmen. Auch die Parallelimporte machen mir viel mehr Sorgen als beispielsweise eine Preisaktion von
Ingram Micro oder
Tech Data. Wir kaufen rund 80 Prozent der Ware in Schweizer Franken ein. Wenn dann die Hersteller die Preise nicht oder nur schrittweise anpassen, dann nehmen Parallelimporte zu. Und hier sprechen wir dann nicht von Preisdifferenzen von einem halben Prozent wie bei einer Aktion eines Mitbewerbers, sondern von 5 bis 10 Prozent.
Manfred Steinhardt: Ich bin einer Meinung mit Herrn Schnyder. Wir haben Kunden, die ganz klar sagen, dass es für sie einfacher ist Marge zu generieren, wenn sie sich in der EU mit Produkten eindecken. Wir verlieren dadurch jede Woche eine Handvoll Deals, auch grössere.
Joe Feierabend: Mit unserem XXL-Modell haben wir hier Vorteile, weil unsere Kunden durch den direkten Zugriff auf unser regionales Distributionscenter in Deutschland, täglich von aktuellen Euro-Preisen profitieren können. Wir liefern jede Nacht rund 1200 Pakete in die Schweiz. Schweizer Reseller müssen sich dabei nicht um Transport, Zoll, Mehrwertsteuer und so weiter kümmern. Das ist alles automatisiert. Auch Sub-Distributoren haben zudem teils bei uns eingekauft, weil auch Digitec sich überlegen muss, ob sie die Ware selbst im Ausland oder bei uns im Lager holen will. Doch für Schweizer Produkte, die rund 65 Prozent unseres Geschäfts ausmachen, stehen wir natürlich vor derselben Problematik wie unsere Mitstreiter.
Marc Schnyder: Obwohl man auch erwähnen muss, dass es nichts mehr mit dem Schweizer Franken zu tun hat, wenn HP seine Drucker im Ausland 20 Prozent unter unserem Einstandspreis verkauft. Das hat dann mit Quartalsaktionen gewisser Hersteller in gewissen Ländern zu tun, die unter Druck sind, und die noch gewisse Stückzahlen erreichen müssen. Gerade im Ostblock sieht man solche Aktionen häufig.
Darf ich nochmals auf das Thema Cloud zurückkommen. Wie unterstützen Sie die Reseller beim Einstieg in die Cloud?
Joe Feierabend: Heute sind primär viele Fragen zum Thema vorhanden. Die Reseller versuchen, die Thematik zu begreifen und sehen sie gleichzeitig auch als Gefahr für ihr Geschäft. Microsoft möchte beispielsweise, dass wir die Kunden motivieren, nicht mehr die Produkte direkt zu verkaufen, sondern die Lizenzen für die Cloud-Lösungen. Die Reseller haben dann natürlich Angst, ihre Kunden Microsoft in die Hände zu geben und sie so zu verlieren. In diesem Umfeld sehen wir uns als Schnittstelle zwischen Hersteller und Reseller. Wir müssen die ganze Thematik begreifbar machen.
Manfred Steinhardt: Das Thema Cloud wird nicht so heiss gegessen, wie es derzeit gekocht wird. Cloud ist sicher ein Thema, und gerade die Private Cloud ist heute schon Realität. Wir als Unternehmen beispielsweise betreiben an unserem Standort in Rotkreuz keinen einzigen Server mehr. Diese Cloud besteht bereits seit einigen Jahren, und im Endeffekt geht es lediglich um Infrastruktur und Rechenleistung. Was aber in diesem Bereich noch kommen wird, muss sich zeigen. Gewisse Cloud-Services vertreiben wir bereits, doch wie erfolgreich das Ganze wird, bleibt abzuwarten. Eine gesunde Skepsis, die ich verstehe, ist auf jeden Fall vorhanden im Markt.
Marc Schnyder: Hier gibt es nicht viel hinzuzufügen. Auch wir versuchen, den Kunden zu beraten, und das möglichst neutral. Alles andere wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Aber die Cloud wird nicht so schnell kommen, wie dies gewisse Hersteller glauben machen wollen. Gerade in der Schweiz ist die Cloud ein umstrittenes Thema – allein schon wegen der Lagerung der Daten. Für viele Schweizer Unternehmen ist die Datenlagerung ausserhalb der Schweiz kein Thema. Auch Microsoft hat inzwischen eingesehen, dass nationale Clouds gefragt sind.
Manfred Steinhardt: Und das ist nicht nur in der Schweiz ein Thema, sondern auch in anderen Ländern.
Joe Feierabend: Die Bereitschaft von Firmen, Daten herauszugeben, ist sicher ein Fragezeichen. Aber auch die Abhängigkeit ist ein Punkt. Firmen merken, dass in der Cloud eigene Bedürfnisse nicht mehr so leicht umzusetzen sind, oder dass die Systeme nicht mehr so performant sind. Damit sinkt die Attraktivität der Cloud dann schnell. Wir sind am Thema nahe dran.
Zum Schlusss noch eine völlig andere Frage: Nehmen wir an, Sie hätten genug von der Distribution und würden IT-Händler werden: In welchem Bereich würden Sie heute einsteigen? Wo sehen Sie Potential?
Joe Feierabend: Ich war ja schon früher im Lösungsgeschäft tätig, und würde vermutlich wieder dort einsteigen. Ich sehe dort noch ein gewisses Potential, schliesslich müssen die Kunden immer wieder ihre Infrastrukturen erneuern.
Marc Schnyder: Ich denke, es gibt verschiedene spannende Möglichkeiten. Ich sehe zum Beispiel, dass Kunden, die stark in eher ländlichen Regionen verankert sind, dort gute Geschäfte machen. Eine weitere spannende Möglichkeit ist die von Herrn Feierabend angesprochene Tätigkeit als Lösungsspezialist mit Lösungen, die einen Mehrwert bieten. Dafür ist eine Nachfrage beim Kunden da. Wenn bei einem Hotelier nach Büroschluss die IT aussteigt, dann braucht er jemanden lokalen, der die Systeme wieder zum Laufen bringt. Grosse Hersteller mit ihren Call-Centern im Osten können das nicht bieten.
Manfred Steinhardt: Die IT wäre vielleicht nicht unbedingt der Bereich, in dem ich mich heute selbständig machen würde. Ich will ja schliesslich Geld verdienen (lacht). Aber wenn ich in der IT etwas auf die Beine stellen würde, dann würde ich mich dem spannenden Thema Tablets zuwenden. Und zwar würde ich Applikationen bauen, die im gewerblichen Umfeld eingesetzt werden können. Jedoch müsste ich schnell damit beginnen, denn der Trend wird nicht ewig anhalten.
Joe Feierabend (lachend): So wie ich Sie kenne, Herr Steinhardt, würden Sie die Apps nicht selbst schreiben, sondern sie schreiben lassen.
Manfred Steinhardt (lacht): Gut, ich würde die Apps vermutlich nur vermarkten. Doch in den nächsten drei, vier Jahren wird hier ein grosser Markt entstehen.
(mw)