Neulich war ich zu einem Gespräch mit einem Geschäftsführer eines KMU-Betriebes eingeladen. Die Firma mit rund 400 Beschäftigten ist in der Textilbranche tätig. Der Patron pflegt einen auf ethischen Grundwerten basierenden Führungsstil und ist auf Grund seiner regelmässigen Auftritte in den Medien schweizweit bekannt. Die im Unternehmen verankerten Werte, die nicht nur von den Mitarbeitern, sondern insbesondere vom Chef selbst gelebt werden, sind: Vertrauen, Ehrlichkeit, gegenseitige Achtung und Wertschätzung. So ist es für diesen CEO beispielsweise völlig selbstverständlich, dass er keinen speziell für ihn reservierten Parkplatz besitzt. Obwohl die Firma eine Mitarbeiterkultur lebt, an der sich manches Grossunternehmen ein Beispiel nehmen könnte, hat diese Firma wie so viele KMU-Unternehmen Mühe, gute Mitarbeiter zu finden.
Denn vielfach haftet mittelständischen Firmen zu Unrecht der Ruf an, hinterwäldlerisch und rückständiger als Grossbetriebe zu sein. Auf diese Thematik angesprochen meinte dieser Geschäftsführer: «Auch wir stossen bei der Suche nach guten Kadermitarbeitern und Fachkräften immer wieder an unsere Grenzen. Gerade Uni-Abgänger bevorzugen offensichtlich eher Grossunternehmen als Arbeitgeber gegenüber einem mittelständischen Betrieb. Dabei können gerade KMU-Betriebe ihren Angestellten oft genau so viel bieten.»
KMU-Betriebe sind nicht sexy
Die Beobachtungen dieses CEOs lassen sich auch anhand diverser Studien belegen. So ermittelt zum Beispiel das schwedische Beratungsunternehmen Universum jedes Jahr die beliebtesten Arbeitgeber von Schweizer Akademikern. Für das Ranking 2010 wurden dabei 3200 Schweizer Berufstätige mit akademischem Hintergrund befragt. Bei Mitarbeitern mit einem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften standen dabei Nestlé und Google an erster Stelle. Bei Ingenieuren belegten ABB und Siemens die Plätze eins und zwei.
Wie wirkt sich dies nun im Bezug auf die Rekrutierung von Mitarbeitern im IT-Vertrieb aus? Als Personalberater stelle ich immer wieder fest, dass multinationale IT-Konzerne oft weit weniger Mühe bekunden, ihre offenen Vakanzen im Verkauf zu besetzen, als kleinere Firmen. Wo herkömmliche Rekrutierungsstrategien über die eigene Homepage oder einschlägige Job-Portale bei mittelständischen IT-Firmen oft nicht den gewünschten Erfolg erzielen, gelingt es Grossfirmen dank ihres Bekanntheitsgrades oft, auch mit solchen Methoden Mitarbeiter anzuwerben. Was wohl viele Verkäufer nebst dem wohlklingenden Namen lockt, sind oft auch die hohen Zielgehälter, mit denen Verkäufer geködert werden. Und auch ein gewisses Statusdenken mag wohl bei Vertrieblern dazu führen, sich für einen Grossbetrieb zu entscheiden. Denn manch einer denkt wohl, dass sich ein prestigeträchtiger Firmenname auf dem CV besser liest, als ein mittelständisches Unternehmen, das nicht so bekannt ist.
Gutes tun und darüber sprechen
Anstatt sich von Grossunternehmen in die Defensive drängen zu lassen, sollten KMU-Betriebe sich nicht einschüchtern lassen und gezielt ihre Vorzüge als kleiner aber feiner Arbeitgeber ausspielen. Vor allem aber: Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Qualitäten als seriöser Arbeitgeber bei potentiellen Interessenten bekannt sind. Denn der gute Ruf, den ein Unternehmen geniesst, ist mit einer der Hauptgründe, warum sich Angestellte letztlich für eine Firma entscheiden. Ganz wichtig dafür sind in erster Linie gute Führungskräfte, die es erreichen, ein angenehmes Arbeitsklima zu schaffen, in dem sich die Angestellten wohl fühlen. Studien belegen, dass 80 Prozent der Kündigungen seitens der Mitarbeiter nur darum erfolgen, weil diese mit ihrem Chef unzufrieden sind. Solche Mitarbeiter werden sich tendenziell dann auch nicht positiv über die Firma äusseren. Erfuhr man früher durch Mund zu Mund Propaganda, ob ein Unternehmen als Arbeitgeber Top oder Flop ist, so werden heute solche Informationen durch das Internet noch schneller verbreitet. So können beispielsweise Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber auf der Plattform Kununu bewerten, wovon viele Mitarbeiter heute auch reichlich Gebrauch machen.
Diverse Studien zeigen klar auf, dass die Arbeitszufriedenheit von Angestellten in Grossunternehmen meist beträchtlich niedriger ist als in kleinen Firmen. Dies ist vor allem auf den Umstand zurückzuführen, dass Arbeitnehmer in kleineren Betrieben viel direkter Einfluss nehmen und mitentscheiden können. Gerade für Vertriebsmitarbeiter kann es sehr motivierend sein, zu wissen, dass man im Unternehmen ein geschätzter Leistungsträger ist, auf den das Unternehmen setzt. Dies wäre beispielsweise ein Aspekt, den Vorgesetzte in einem Interview mit einem Kandidaten hervorheben könnten. Und wenn im Gespräch dann auch das Thema Gehalt angeschnitten wird, so sollten sich Kandidaten bewusst sein, dass sie beim Hersteller zwar womöglich ein höheres Zielgehalt bekommen, Tatsache ist aber auch, dass viele Verkäufer diese Zielgehälter heute gar nicht mehr erreichen. Sie sind darum vermutlich auch finanziell einem Verkäufer eines Grossunternehmens nicht schlechter gestellt. Denn als Sales eines KMU-Betriebes bekommen sie in der Regel ein höheres Fixgehalt und darüber hinaus eine Quote, die meist auch erreichbar ist.
(ms)