Mit vergleichsweise wenig Marketinglärm hat
Intel am 29. Mai seine neue CPU namens Itanium lanciert. Der Empfang in den Medien und bei den Analysten war eher kühl. Forrester Research rät, mit dem Kauf von Itanium-Systemen abzuwarten, bis die Hersteller wirkliche Vorteile aufzeigen könnten und die Medien konzentrierten sich auf die eher unspektakulären Leistungsdaten.
Weil der Itanium nicht rückwärtskompatibel ist, wird er vorerst wohl erst für wissenschaftliche Anwendungen und Datenbank-Server, wo ein grosser adressierbarer Speicherbereich wichtig ist, eingesetzt werden. Sein Marktpotential ist noch beschränkt.
Der Vorbote
Aber wenn man sich nur auf die Startschwierigkeiten konzentriert, übersieht man leicht das revolutionäre Potential des neuen 64-Bit-Chips. Nach 20 Jahren x86-Architektur benutzt
Intel zum ersten Mal ein völlig neues Chip-Design. Das mag ein schwieriger Schritt sein, aber er eröffnet neues Entwicklungspotential. Intel selbst verkündet, dass das Itanium-Konzept die nächsten 15 Jahre bestimmen wird. Schon die zweite Itanium-Generation (Mc Kinley) wird wesentlich leistungsfähiger sein.
Kurzfristig wird die Konkurrenz aber gute Argumente haben. AMDs erster 64-Bitter (Hammer) wird x86-Befehlssätze verstehen. Auch Sun weist bereits jetzt explizit darauf hin, dass Sun-Kunden ihre Software für die Ultrasparc III-CPUs nicht rekompilieren und neu zertifizieren müssen.
Ausser Sun wollen aber alle wichtigen Server-Hersteller den neuen Chip umgehend einsetzen.
Dell, Fujitsu-Siemens,
NEC, Hitachi u.a. haben bereits Itanium-Geräte angekündigt.
IBM, Compaq und
HP werden Itanium-CPUs als zweite Schiene neben ihren proprietären Chips verwenden. Für sie stellt sich irgendwann die Frage, ob sie weiter riesige Beträge in die Weiterentwicklung ihrer proprietären CPUs investieren wollen. Manche Experten meinen, dass das Design dieser Chips, inklusive Sparc, schon bald einmal ausgereizt sei. Dann würden Milliardeninvestitionen für Neuentwicklungen fällig.
HP, seit sieben Jahren an der Itanium-Entwicklung beteiligt, hat bereits angekündigt, dass man in zwei Jahren die Weiterentwicklung des PA-RISC-Chips aufgeben wird.
PC-Verhältnisse im Highend
Mit dem Eintritt von
Intel wird sich der Highend-Servermarkt als ganzes verändern. Bisher wurde er von den proprietären Chips und den dazugehörigen Betriebssystemen geprägt. Intel hofft, hier PC-ähnliche Verhältnisse zu schaffen. Durch die Verfügbarkeit eines konkurrenzfähigen und günstigen Chips werden neue Hersteller in diesen Markt eindringen können.
Kein Wunder, dass sich zum Beispiel
Dell unter den Itanium-Pionieren befindet. Standard-Komponenten und -Betriebssysteme sollen die Konkurrenz schüren, die Preise fallen lassen, und andere Systeme marginalisieren. Die Folge dürften wohl auch, wie schon im PC-Markt, rapide fallende Margen sein.
Im Moment steht der Standardisierung noch etwas entgegen: die Compiler-Software. Itanium besitzt eine «Very Long Instruction Word» (VLIW)-Architektur, auch wenn Intel das ganze lieber «Explicitly Parallel Instruction Computing» (EPIC) nennt. Auf diesem Gebiet besitzt
HP einen Vorsprung auf die Konkurrenz, und wird seinen Compiler vorerst nicht freigeben.
HP will damit werben, dass seine Itanium-Server schneller sind als die Konkurrenz. Hersteller werden also ihre eigenen Compiler einsetzen, und diese können wiederum in proprietäre Betriebssysteme eingebunden werden. Wenn sich Intel durchsetzen will wird dies, neben der Bereitstellung von angepasster Software, das Hauptproblem sein. (hjm)