Systor und die IT-Eiszeit

Nach dem Digital Winter sind wir heute in der IT-Eiszeit. Wie ergeht es da einem Grossunternehmen wie Systor? Ein Gespräch mit Systor-Sprecherin Bettina Cohen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/13

     

IT Reseller: In ihrer Pressemitteilung erwähnen sie das Abflauen der Nachfrage in der zweiten Hälfte 2000. Viele Systemintegratoren und VARs befürchten eine harte zweite Hälfte 2001 und auch Crashes und Übernahmen im Channel. Wie beurteilt Systor die Situation?
Bettina Cohen: Der digitale Winter hat sicherlich auf dem Schweizer Markt seine Spuren hinterlassen. Wie es der Gartner Hype Cycle vorausgesagt hatte, sind auch in der Schweiz im E-Business einige Firmen extrem unter Druck geraten oder Konkurs gegangen. Insbesondere haben einige Start-ups ihr Marktpotenzial massiv überschätzt. Die Transaktionsvolumina und deren Erträge entsprachen bei weitem nicht den Erwartungen. Ebenso wurden die prognostizierten Marktanteile nicht erreicht.
Oft wird die Zeit unterschätzt, die solche Projekte benötigen.
Diese Marktentwicklung hat natürlich auch Systor gestreift. Diese Start-ups sind nicht nur vom Markt, sondern aus unserem Kundenportfolio ausgeschieden. Der digitale Winter traf allerdings für Systor in dieser Härte nicht ein. Unser Kundenportfolio besteht hauptsächlich aus Kunden, die ihre E-Business-Investitionen vornehmlich zur Markterschliessung ihrer bestehenden Geschäftsmodelle tätigten und Erfolg damit haben. Wir sprechen hier hauptsächlich von E-Banking und E-Brokerage.
Diese Kunden haben ihre Budgets nicht zusammengestrichen, sondern eher noch ausgebaut. Der Backlog, den wir über das Jahr 2000 bei unseren etablierten und langjährigen Kunden erarbeitet hatten, half uns die ersten zwei Quartale zu überbrücken. Das zweite Halbjahr sieht wieder vielversprechender aus.
Während man in den Bereichen der E-Applikationsentwicklung durchaus von einer gewissen Zurückhaltung sprechen kann, ist die Nachfrage nach Infrastruktur- und Systementwicklung im E-Business weiterhin ungebrochen. Firmen, die ihr Angebot in diesem eher «unspannenden» Bereich haben, haben weiterhin grossen Erfolg im Markt. Ebenso ist die Nachfrage nach Consulting in den Bereichen Security oder IT-Architektur gross.
Systor und die UBS
ITR: Wie stark ist Systor heute noch von der UBS abhängig, die Muttergesellschaft und Grosskundin in einem ist?
BC: Eine Abhängigkeit von der UBS AG ist weder von innen noch vom Markt her spürbar. Das hat sicherlich auch mit der neuen «Governance» über die Systor zu tun. Seit Anfang 2000 ist die Systor AG eine Beteiligungsgesellschaft der UBS Capital (der Private-Equity-Einheit der UBS AG). UBS Capital hat zum Ziel, den Unternehmenswert der Systor zu steigern. Systor hat durch konsequente Bearbeitung des Schweizer Marktes und die Expansion in den Deutschen Markt durch die Akquisition der deutschen Unternehmensgruppe Schumann eine klare Position als unabhängiger und führender IT-Generalunternehmer erreicht.
Wir werden vom Schweizer Markt als sehr unabhängig wahrgenommen, was uns durch die verschiedenen, zum Teil hochstrategischen Engagements bei anderen grossen Finanzdienstleistern und weiteren Unternehmungen bestätigt wird. Im Deutschen Markt haben wir eine UBS-Nähe sogar als sehr positiv wahrgenommen. So zählen viele namhafte deutsche Banken zu unseren wichtigsten Kunden.

ITR: Ist UBS immer noch der absolut dominierende Systor-Kunde?

BC: Unsere Firmenstrategie hat sich hinsichtlich der UBS nicht verändert. Die UBS ist nach wie vor einer der wichtigsten Kunden und soll es auch weiterhin bleiben. Wir wollen den absoluten Umsatzanteil, den wir mit der UBS heute erzielen, beibehalten und sogar leicht steigern. Andererseits hat der relative Umsatzanteil, den wir ausserhalb der UBS erzielen, stark zugenommen und wird weiterhin zunehmen.
ITR: Von UBS-IT-Insidern ist uns zu Ohren gekommen, dass man dort nicht immer glücklich mit Systor ist, ja fast eine gewisse Rivalität besteht.
BC: In unserem Konkurrenzportfolio stehen interne IT-Abteilungen von Grosskonzernen weit oben. Das gilt natürlich auch für die interne IT der UBS. So kann es vorkommen, dass wir bei gewissen Projekten mit internen IT-Abteilungen im Wettbewerb stehen. Global betrachtet haben wir allerdings äusserst fruchtbare Kooperationen mit den Geschäftsbereichen und den IT-Abteilungen der UBS AG. Für strategisch wichtige Projekte der UBS AG arbeiten wir zudem in gemischten Teams gemeinsam. Die Kundenumfragen, welche wir regelmässig durchführen, stellen uns auch bei der UBS ein gutes Zeugnis aus und bestätigen somit die fruchtbare Zusammenarbeit. (Interview: hjm)
Systor im Jahr 2000
Die Systor-Gruppe hat 2000 einen Umsatz von 430 Millionen Franken erwirtschaftet. Das entspricht einer Steigerung um 10,9 Prozent gegenüber 1999. In den Zahlen wurden auch die früheren Ergebnisse der im letzten Jahr übernommenen deutschen Schumann-Gruppe berücksichtigt. Über Gewinne oder Verluste informiert Systor nicht.
Aus Geschäften in der Schweiz stammen 286,4 Millionen Umsatz, eine Steigerung um bei einem Unternehmen dieser Grösse beachtliche 18,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit lässt sich aber auch errechnen, dass der Umsatz im Ausland leicht gefallen sein muss. Dies dürfte eine der üblichen Folgen einer grösseren Übernahme sein. Mit der Integration der Schumann-Gruppe stieg der Personalbestand der Systor-Gruppe von 1150 auf 2050.
Etwa 88% des Umsatzes stammen inzwischen aus Dienstleistungen, der Anteil der Hardware ist in den letzten Jahren stark gesunken, von etwa 35% 1997 auf etwa 11% im Jahr 2000. Mit Lösungen für die Finanzindustrie wurden 246 Millionen Franken erwirtschaftet.


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