Vor einiger Zeit verkaufte Compaq sein komplettes Alpha-Prozessor Entwicklungsteam, samt Patenten, Maschinen und Know-how an
Intel. Gleichzeitig schwor man hoch und heilig, in Zukunft bei den 64-Bit Prozessoren auf die Itanium-Familie des Marktführers bei Desktop- und Mobile-CPUs zu setzen.
Damals sagte Mike Capellas, CEO von Compaq wörtlich: «Our goal is to transform Compaq, and to do it over the next 180 days.» Niemand ahnte damals, wie dramatisch die Transformation werden würde, die man in der Führungsspitze von Compaq plante. Der Verkauf an Hewlett Packard erklärt allerdings auch einige Ungereimtheiten, die bisher bestanden.
Zunächst einmal wären die Alpha-Prozessoren auf absehbare Zeit der IA64 Architektur überlegen gewesen. Zudem verfügte man über eine gefestigte Marktposition. Allein die notwendigen Investitionen, die ein Plattformwechsel mit sich bringt, verhindert bei 64-Bit Systemen ein all zu häufiges Austauschen des Prozessortyps. Anders als bei PCs sind die Entscheidungen für eine solche Highend-Plattform langfristiger Natur.
Zudem schien Intel
HP zu verärgern. Dort hatte man schon vor einiger Zeit beschlossen, aus dem Geschäft mit einem eigenen Prozessor auszusteigen. Nur noch bis 2004 will man PA-RISC Prozessoren herstellen. Dann soll auch bei HP der Wechsel zum Itanium oder einem seiner Nachfolger vollzogen werden. Da Hewlett Packard schon seit 1994 zusammen mit Intel daran arbeitete, schien es ein ziemlicher Affront zu sein, Compaq und sein Alpha-Team zum neuen Liebling zu machen.
Plötzlich passt alles nahtlos zusammen
Auch machte es technisch wenig Sinn, die Alpha-Technologie nur aufzukaufen, um einen Konkurrenten weniger am Markt zu haben. Zu schleppend war die Einführung des eigenen 64-Bit Prozessors Itanium. Die Serie von Pannen und Verzögerungen haben ihm längst den Spitznamen «Titanium» eingebracht.
Mit dem Kauf von Compaq bekommt all das nun einen Sinn. Natürlich musste Compaq seine Alpha-Sparte loswerden, bevor es in Hewlett Packard integriert werden kann. Schließlich ist auch die Marschrichtung des neuen
HP auf den Itanium ausgerichtet. Auf der anderen Seite, bekam
Intel das notwendige Know-how, um im 64-Bit Markt erfolgreich mitzumischen. Auch wenn die beiden Itanium-Nachfolger McKinley und Madison noch überwiegend auf dem ursprünglichen Intel-Design basieren werden, kommt deren Nachfolger gerade rechtzeitig für den Wechsel der Alpha-Prozessoren auf die Itanium-Schiene.
Ein Narr wer Böses dabei denkt. Der Nachfolger von Madison und dem bis dahin verfügbaren Deerfield, einer Art 64-Bit Celeron, wird ein Alpha mit Itanium-Fähigkeiten sein. Egal wie viel Staub Intels Pressemaschine bis dahin aufwirbeln wird, um das zu verschleiern, es ist die einzig sinnvolle Erklärung, warum man bei Compaq so zuversichtlich ist, die Portierung der eigenen Betriebssysteme rechtzeitig und ohne größere Kosten für die Kunden zu bewerkstelligen.
Dabei darf man nicht aus den Augen verlieren, dass auch die PA-RISC Prozessoren von HP auf dem Alpha-Kern basieren und zu diesem Zeitpunkt auf «Intel Inside» umsteigen. Nahtlos passen auf einmal die einzelnen Komponenten des Deals ineinander.
Alpha-Know-how fliesst
Das man sich beim Branchenprimus kräftig aus dem Fundus der Alpha-Entwickler bedient, bewies schon das diesjährige
Intel Developer Forum. Das mit dem Codenamen «Jackson» bezeichnete Verfahren für Symetrisches Multithreading (SMT), das dort näher vorgestellt wurde, hat in der letzten Zeit einen deutlichen Entwicklungssprung gemacht. SMT lässt Anwendungsprogramme zwei logische Prozessoren sehen, obwohl nur ein Prozessor im Rechner steckt, eine Art virtuelles Dualprozessorsystem. Hier war die Tatsache hilfreich, dass symmetrisches Multithreading bei der Alpha-Technologie ein alter Bekannter ist.
Dennoch läuft auch mit Unterstützung der Alpha-Entwickler nicht alles nach Plan. Neben den Ausfällen, die durch die Abwanderung von Ingenieuren zu Sun,
IBM und
AMD zu verkraften sind, entwickelt sich der neue Chipsatz i870 zum Sorgenkind. Geplant für den Einsatz mit McKinley und Madison, soll er Multiprozessorsysteme mit bis zu 16 CPUs und sowohl Rambus RDRAM, als auch DDR-SDRAM Speicher unterstützen.
Doch wie schon bei dem Debakel mit dem Memory Translator Hub (MTH) sind die technischen Anforderungen, zwei derart unterschiedliche Systeme zu integrieren, grösser als zunächst erwartet. Im Moment macht es jedenfalls nicht den Eindruck, als ob Intel den selbst gesetzten Terminplan einhalten könnte. Verzögert sich aber der McKinley, könnten Kunden wie Boardhersteller sich lieber auf bewährte Größen wie Suns Ultrasparc oder IBMs PowerPC konzentrieren. Zumal auch der McKinley die ursprünglichen Ankündigungen nicht erfüllen kann. So wird er wie schon der Itanium noch in 0,18 µ gefertigt, und erst der Madison wird in 0,13 µ Technologie produziert.
Intel hat bisher mit dem Itanium einiges an Renommee verloren. So haben Asustek und First International Computer (FIC) öffentlich darauf verzichtet, Mainboards für diese CPU zu entwickeln. Kein gutes Zeichen, da so für den Nachfolger McKinley fast bei Null begonnen werden muss. Andererseits hat man mit dem neuen, um Compaq gewachsenen
HP einen starken Partner an der Seite, der sehr früh alle Chips auf die Itanium/Alpha-Dynastie gesetzt hat. Leidet HP nicht übermässig an Verdauungsbeschweden, sollte Intel der Einstieg in das 64-Bit Geschäft gelingen. (tm)