IP und Fibre Channel – ein Vergleich

Storage Area Networks (SANs) arbeiten heute aus gutem Grund mit Fibre Channel-Protokollen. Zunehmend werden heute aber auch Ethernet/IP-Protokolle oder iSCSI als Alternativen postuliert. Paul Trowbridge von Brocade bricht eine Lanze für Fibre Channel.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/15

     

Bei der Entwicklung der SAN-Technologien und der Entscheidung für den Fibre Channel Standard war die Zuverlässigkeit und Optimierung des Transports selbst umfangreichster Datenmengen zentrales Kriterium. Vor allem beim Thema des Datenverlusts verfolgen Fibre Channel und Ethernet/IP grundsätzlich verschiedene Ansätze. Während Ethernet/IP-Netzwerke auf eine möglichst einfache Wiederherstellung verlorener Daten setzen, liegt der Schwerpunkt bei Fibre Channel darauf, dass die Daten gar nicht erst verloren gehen.

Die 100 km-Grenze

Fibre Channel SANs wurden von Anfang an parallel zu den entsprechenden Speichertechnologien entwickelt. Inzwischen werden die frühen, kleinen SAN-Inseln immer mehr zu umfassenden, unternehmensweiten Speichernetzwerken verbunden. Immer wichtiger wird es, dass diese wachsenden Umgebungen effektiv verwaltet werden und über grosse Entfernungen skalieren können.
Bei Fibre Channel sind die realisierbaren Entfernungen auf ca. 100 km beschränkt. Soll die Reichweite von SANs über diese Grenze ausgedehnt werden, sind alternative Technologien notwendig. Und hier kommt erstmals IP für SANs und Storage Networking-Anwendungen ins Spiel.
Brocade und Cisco haben gemeinsam den Entwurf für das Fibre Channel over IP-Protokoll (FCIP) bei der IETF eingereicht.
Derzeit entwickeln die beiden Unternehmen Produkte, mit denen grosse Unternehmen die SAN-Umgebungen in ihren Datenzentren über einen FCIP-Backbone miteinander verbinden können. FCIP ist ein äußerst einfaches und schnell zu implementierendes Tunnelling-Protokoll, das Fibre-Channel-SANs an verschiedenen Standorten über einen IP-Backbone verbindet.

iSCSI weder schneller…

iSCSI wird als Standard populärer. Die Verfechter von IP-SANs argumentieren deshalb häufig, dass Fibre-Channel-Fabrics mittelfristig durch iSCSI ersetzt werden. Der iSCSI-Standard, der voraussichtlich Ende des Jahres von der IETF übernommen wird, spezifiziert eine mögliche Art und Weise, wie direkte Speicherprotokolle nativ über IP betrieben werden können und wird von Herstellern wie Cisco, IBM, Hewlett Packard und anderen unterstützt.
Es ist aber falsch zu glauben, dass iSCSI und Storage IP zu niedrigeren Kosten, einer einfacheren Implementierung oder gar besseren Nutzung vorhandener Infrastrukturen führen.
Vor dem Hintergrund der Entwicklung von der 1 Gigabit Ethernet-Technologie hin zum 10 Gigabit-Ethernet vertreten viele die Auffassung, dass IP-SANs schneller als Fibre-Channel-SANs sein werden. Tatsache ist jedoch, dass Fibre Channel bereits heute Übertragungsraten von 1 Gigabit ermöglicht, wobei die 2 Gigabit-Grenze noch dieses Jahr überwunden wird. Der nächste Schritt im Fibre-Channel-Bereich ist der Sprung über die 10 Gigabit-Marke. Damit wird dieselbe Rohdatenrate wie bei Ethernet erreicht. Zusammen mit weiteren Vorteilen wird Fibre Channel daher auch in Zukunft die – im direkten Vergleich mit IP – überlegene Technologie darstellen.

…noch kostengünstig

Ein häufig angeführtes Argument ist, dass die kostengünstigen (<100 DM) Ethernet-Karten der zahlreichen NIC-Hersteller weiter verwendet werden können. Soll jedoch iSCSI effektiv im Server eingesetzt und so der CPU-Overhead für den IP-Betrieb und das iSCSI-Protokoll abgebaut werden, sind anwendungsspezifische Ethernet-Interface-Karten notwendig. Die Kosten für diese neuen Karten bewegen sich etwa im selben Bereich wie für Fibre Channel Host Bus Adaptors (HBA). TCP-Stack und iSCSI-Protokoll sind hier bereits integriert.
Auch die bestehende Ethernet-Infrastruktur (z.B. Switches) kann nicht weiterverwendet werden. Bestehende Switches unterstützen nämlich nicht die für die Speichervernetzung notwendigen Protokolle. SCSI und LUN-Level-Masking (d.h. auf welche Weise Storage dem Server dargeboten wird) stellen sehr spezifische Protokollanforderungen. Deshalb braucht man Switching-Produkte, die über ein entsprechendes SCSI- und LUN-Wissen verfügen, weitere SAN-Dienste wie etwa Distributed Name Service unterstützen und über die notwendige Management-Intelligenz verfügen.
Dies bedeutet, dass mindestens die bereits vorhandenen Switches aktualisiert sowie zusätzlich Hard- und Software neu gekauft werden müssen. In den meisten Fällen ist es aber nach wie vor notwendig, ein separates Speichernetzwerk aufzubauen.

Storage now!

Frühestens ab 2003 wird man also ein IP-basiertes SAN aufbauen können, das in Bezug auf Preis und Leistung den Fibre Channel-Lösungen entspricht und darüber hinaus noch den Nachteil einer geringeren Anzahl von Funktionen hat. Die meisten Unternehmen haben aber nicht die Zeit, um so lange auf die Lösung ihrer Speicherprobleme zu warten.
Die SAN-Verbreitung im Enterprise-Bereich liegt beispielsweise in Großbritannien bereits heute bei 30 Prozent und verdoppelt sich jedes Jahr. Das bedeutet, dass in zwei Jahren SANs einen Marktanteil von 70-80 Prozent erreichen werden.
Welche Gründe könnten also ein Unternehmen, das bereits ein Fibre Channel SAN einsetzt, dazu bewegen, ein alternatives, IP-basiertes SAN zu implementieren, das keinen Mehrwert bietet? Diese Frage lässt sich mit der VoIP-Debatte vergleichen. Sprache über IP konnte sich noch nicht durchsetzen, weil IP-Switches und -Telefone zwar verfügbar sind, aber zu wenig Vorteile gegenüber den bereits vorhandenen Systemen bieten.
Allerdings wird IP in Sprachnetzen eingesetzt, um die einzelnen PBXs miteinander zu verbinden – der IP Backbone innerhalb des Gesamt-Backbones überträgt die Sprachdaten zwischen den Switches. Analog kommt FCIP ins Spiel. Der SAN-Traffic wird per FCIP über den IP-Backbone zwischen den Datenzentren übertragen, während iSCSI auf kleine oder weit entfernte SAN-Anwendungen zielt, die über den unternehmensweiten IP-Backbone auf das Data Center zugreifen. Dadurch ist es möglich, dass Server mit diesen Backup-Ressourcen gesichert werden können und gleichzeitig Zugriff auf Storage und SAN to SAN-Tunneling haben.

Koexistenz der Protokolle

Zweifelsohne spielt IP eine wichtige Rolle bei der Speichervernetzung. Allerdings nicht auf Kosten von Fibre Channel. Vielmehr erweitert IP die Fibre Channel SANs, indem es die Verbindung zwischen diesen Speichernetzwerken in Datenzentren und SANs in kleinen oder externen Niederlassungen ermöglicht.
Brocade geht davon aus, dass im Jahre 2003 in unternehmensweiten SANs das Nebeneinander von verschiedenen Protokollen Realität sein wird:
Fibre Channel wird auch in Zukunft die Grundlage von SAN-Umgebungen bilden, da es die effizienteste und zuverlässigste Technologie für die blockweise Übertragung von I/O Daten im Daten- zentrum bleiben wird.
Die Verbindung von Datenzentren über IP wird FCIP übernehmen.
iSCSI wird eingesetzt, um externen Niederlassungen den SAN-Zugriff auf das Datenzentrum zu ermöglichen. In den Niederlassungen müssen dann keine großen Speichergeräte aufgestellt werden.

Zusammenfassung: Auf dem Teppich bleiben

Der iSCSI-Hype muss realistisch betrachtet werden
Es gibt keine grossen Kostenunterschiede
Storage over Ethernet ist heute noch keine ausgereifte und getestete Technologie
Fibre Channel SANs sind im Gegensatz dazu ausgereift und über die meisten Anbieter erhältlich
Ein großer Teil der Kritik an Fibre Channel SANs basiert auf alten Vorurteilen
Die Ethernet-Infrastruktur ist nur nach umfassenden Anpassungsmassnahmen zum
Transport von Speicherdaten geeignet
Unternehmen verlagern bereits seit Jahren I/O Traffic vom LAN auf Storage Area Networks
Der Autor
Paul Trowbridge (Bild) ist EMEA Marketing Direktor bei Brocade Communications Systems, Inc.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER