Compaq-Channel: Schritt zurück nach vorne

Trotz der Übernahme von Compaq durch HP stellen wir «Big Q»s neues Channel-Konzept hier vor. Schliesslich ist es noch mindestens vier Monate gültig...

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/15

     

«Wir sind im Direkt-Verkauf nicht so gut wie Dell.» Der dies offenherzig-vielsagend sagt, ist Compaqs Verkaufschef Ralf Brandmeier (Bild). Früher war es einfach. Es gab Compaq, die Reseller und die Endkunden. Dann kam Michael Capellas und mit ihm die «Multi-Channel-Strategie.» Mit eigenem Call Center und Website versuchte man dem Endkunden die Möglichkeit zu geben, über alle möglichen Kanäle, direkt, indirekt und halb-direkt zu bestellen. «Der Markt verlangt immer noch nach verschiedenen Kanälen», meint Brandmeier, «aber Multi-Channel-Modelle bringen immer auch Channel-Konflikte mit sich.» Tatsächlich hatten Compaqs Channel-Strategien mehrmals gut hörbares Zähneknirschen im Channel ausgelöst.

Klare Verhältnisse

Compaq versucht, mit dem neuen Channel-Modell klare Verhältnisse zu schaffen. Neu gibt es drei Kundensegmente und drei dazu zugeordnete Vertriebswege. Überschneidungen, wie es das wirkliche Geschäftsleben halt so mit sich bringt, werden toleriert und berücksichtigt. Es sind dies:
«Major Accounts»: 80 namentlich definierte Grossfirmen. Betreuung direkt durch Compaq. Partner werden nach Bedarf für Zusatzdienstleistungen eingebunden. Leadership bei Compaq.
«M-Accounts»: ca. 3000 definierte Schweizer Firmen. Verkauf und Betreuung durch grosse Compaq-Partner, unterstützt durch Compaq-Sales. Der Channel soll Compaqs «packaged Services» mitverkaufen (wenn er will). Compaq kontrolliert und unterstützt den Channel durch eigenes CRM und Salesforce. Leadership bei den Partnern.
«S-Kunden»: Ca. 295’000 Firmen in der Schweiz. Verkauf und Betreuung durch Compaq-Reseller, die in Marketing und E-Commerce speziell unterstützt werden sollen. Leadership bei den Resellern.

«Fünfer und Weggli»

Compaq versucht mit dem nun bald obsoleten Modell zwei Fliegen auf einen Schlag zu treffen. Man gibt dem Channel das entscheidende Segment der 3000 mittelgrossen Firmen, wo Konkurrent Dell viel Boden gutgemacht hat, zurück. Gleichzeitig schaut «Big Q» dem Channel aber laufend über die Schultern und behält einen Fuss in der Türe. «Wir wollen in diesem Sektor die volle Kundentransparenz, aber der Kunde hat nicht die Möglichkeit bei uns direkt zu bestellen», sagt Brandmeier. Die Compaq-Sales-Force und das Call Center werden also dieses Segment bearbeiten, aber kein eigenes Business generieren. Erklärtes Ziel ist es, zusammen mit dem Channel Umsatz von Dell zurückzuholen.
Hingegen wird Compaq versuchen, überall dort wo der Partner gewisse Services nicht bieten kann oder will (zum Beispiel 24 x 7 Wartungsverträge), sein eigenes Service-Angebot schmackhaft zu machen. Die Akzeptanz, Compaq-Services zu verkaufen, sei im Channel gestiegen, meint Brandmeier.

Mit Tech Data im KMU-Boot

Die 295’000 kleineren Firmen in der Schweiz will Brandmeier mit einem neuartigen Konzept attackieren. 200 bis 300 Reseller sollen zu «Q-Points» ernannt werden. Diese werden mit einer eigenen Hotline und mit Marketing-Unterstützung durch einen so genannten «Q-Hub» unterstützt. Der Q-Hub ist nichts anderes als ein Compaq-Disti, der Zusatzfunktionen (Hotline, Aussendienst, Verteilung der Marketing-Unterlagen) übernimmt. Zum Q-Hub wurde bis heute erst ein Distributor erkoren: Tech Data. Die Rotkreuzer hätten eben am schnellsten reagiert, ist von Compaq zu hören. Doch Tech Data werde nicht der einzige «Q-Hub» bleiben, so Brandmeier. Mindestens ein weiterer Distributor soll noch dazu kommen. (hc)
«Kritik ernst genommen»
IT Reseller: Haben Sie sich mit dem neuen Modell von bisherigen Partnern getrennt?
Ralf Brandmeier: Die grossen 50 Compaq-Partner sind alle beim neuen Konzept dabei.
ITR: Eure Partner, z.B. RedIT, kritisierten hart, dass Compaqs Marketing-Botschaft nicht mit der Realität übereinstimme. Man treffe Compaq-Sales bei mittelgrossen Kunden an und das Call Center versuche sogar, an Kleinkunden zu verkaufen.
RB: Das war tatsächlich so. Diese Kritik kam nicht nur von RedIT, sondern von vielen Seiten und wir haben sie sehr ernst genommen. Wir waren praktisch überall aktiv. Deshalb strukturieren wir unser Go-to-Market-Modell jetzt klar und eindeutig.
ITR: Was sind die Kriterien für die Auswahl der sogenannten «Q-Points» der Partner für Kleinfirmen?
RB: Der Reseller muss bestimmte Anforderungen erfüllen. Minimal muss er den Compaq-Reseller-Status haben. Wir wollen Partner, die zeigen, dass sie regelmässig Compaq-Produkte verkaufen. Die Opportunisten wollen wir nicht unbedingt in diesem Konzept haben. Es gibt auch ein Umsatzkriterium von 200’000 Franken im Jahr. Aber wir sind flexibel – das Kriterium gilt nicht absolut.
ITR: Als «Q-Hub» wurde bis jetzt erst Tech Data ausgewählt. Werden Sie noch weitere Distis einbeziehen?
RB: Es wird noch mindestens ein Disti dazukommen. Aber wir stellen klare Anforderungen an einen Q-Hub. Er muss die Partner gut betreuen. Er hat keine reine Logistik-Funktion mehr. Unsere Strategien haben gut zueinander gepasst, weil Tech Data auch auf kleinere Reseller fokussiert. Wichtig ist, dass die Q-Points nicht ausschliesslich bei Tech Data bestellen müssen. Aber die Zusatzleistungen gibt es nur von dort.
(Interview: hc)


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