Mitte März 2020 musste der Detailhandel schliessen. In der Folge boomte der Online-Handel entsprechend. Die Detailhändler ohne starken Online-Kanal blieben jedoch auf ihren Posten sitzen. Eines der Unternehmen, das beide Seiten spürt, ist
Steg Electronics mit vielen in der Schweiz verstreuten Filialen und mehreren stark frequentierten Online-Shops.
Vielleicht gerade deshalb kam Geschäftsführer Malte Polzin eine zündende Idee: Er wollte seinen Online-Kanal auch für andere Händler zur Verfügung stellen, die keine oder nur eine schwache Online-Präsenz haben. Polzin bot allen Schweizer Detailhändlern eine Zusammenarbeit für den Vertrieb derer Waren auf den Steg-Portalen an. Der Ansatz war pragmatisch, die Zusammenarbeit sollte unkompliziert und im gemeinsamen Dialog vonstattengehen. Die Idee formulierte Polzin höchstpersönlich in einem kurzen Video, welches auf den sozialen Medien verhältnismässig starke Verbreitung fand und eine Welle positiver Reaktionen nach sich zog.
Doch wie sieht es rund einen Monat später aus? Haben sich die Detailhändler gemeldet? Und sind vielleicht sogar direkte Konkurrenten unter den neuen Partnern in der Krise? Malte Polzin erklärt, wieviel Anklang die Idee einer notgetriebenen Verkaufsplattform fand.
Keine akuten Schmerzen
«Wer grössere Positionen hat, auf denen er sitzen bleibt, darf sich melden und wir versuchen, diese auf unseren Plattformen zu verkaufen», präzisiert Polzin sein Angebot an die Detailhändler. Dies, weil es anfangs Verständnisprobleme darüber gab, ob
Steg mit diesem Angebot nun ein Marktplatz werden soll, was der Geschäftsführer aber klar verneint. Auf die Frage, auf welchen Steg-Portalen derzeit denn Fremdware verkauft werde, antwortet Polzin überraschend: «Ganz ehrlich – in dem Modell, in dem wir uns das vorgestellt haben – auf keinem.» Bei einigen Kontakten kam es zwar dazu, dass Steg einzelne Positionen aufgekauft hat, die mit Sicherheit verkauft werden können, zur anfänglich angedachten Zusammenarbeit mit den Detailhändlern kam es aber in keinem einzigen Fall. Polzins Aktion blieb dennoch nicht ohne Folgen: «Es hat sich eine Reihe spannender Gelegenheiten ergeben. Ich bin durch die Aktion mit Unternehmen im Gespräch, die keine akuten Schmerzen oder dringende Themen haben, mit denen man aber nun in Ruhe auch längerfristige Kooperationen nach Corona besprechen kann.»
Polzin ist sichtlich überrascht, dass sein eigentliches Angebot nicht genutzt wurde. «Speziell wundert mich, dass es aus der IT-Branche nicht einen einzigen Fachhändler gibt, der sich gemeldet hat. Ich will meine Reichweite nicht überbewerten, aber die Social Media Posts haben sehr gut performt, und es gab ein Interview bei einem regionalen Radiosender. Offenbar ist die Not aber nicht so gross oder die Händler hoffen, dass sie diese Zeit allein überstehen können.» Besonders überraschend sind für Polzin die ausbleibenden Meldungen anderer IT-Händler, weil «das Verschieben von Positionen» zwischen den Händlern eigentlich zum Alltag gehört.
Steg selbst geht es in der Coronakrise übrigens verhältnismässig gut, der Online-Handel kompensiert aktuell die Einbussen in den 16 geschlossenen Filialen. Der Wiedereröffnung im Retail schaut Polzin aufgrund allfälliger Einschränkungen noch etwas skeptisch entgegen. Aber speziell im Service- und Reparaturbereich dürften sich einige Aufträge angestaut haben, die Steg gerne bearbeiten wird, wenn die Zeit gekommen ist.
(win)