Trotz PC-Krise: Assemblierer segeln mit Rückenwind

Interessantes Fazit des diesjährigen Assemblierer-Roundtables: Der Wind hat sich gedreht. Nach Jahren des Trends zum «A-Brand» sehen die drei Teilnehmer nun ihre Zeit gekommen. Der Kunde sei mündiger, der Brand verliere an Bedeutung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/19

     

Zum diesjährigen Assemblierer-Roundtable konnten wir drei Firmen aus unterschiedlichen Segmenten gewinnen. Computer Express (David Recher und Marc Rölli) als typischen Discounter und Preisbrecher, Brack Consulting (Roland Brack) als Vertreter der Assemblierer/Disti-Zunft und Rotronic (Thomas Maurer) für die fokussierten B2B-Assemblierer. Es entstand ein angeregtes und interessantes Gespräch, das wir an dieser Stelle zusammenfassen.
IT Reseller: Bitte stellen Sie sich kurz vor: Welches Gewicht hat Assemblierung für Ihre Firma, in welche Märkte verkaufen Sie, gehen Sie nur an Partner oder auch an Endkunden?
David Recher: Assemblierung hat bei uns das höchste Gewicht, wir kaufen keine Fertiggeräte ein. Unsere Kunden sind technisch versiert. Konkurrenten sind alle Assemblierer, z.B. Manor, Steg – jeder, der Hardware verkauft und versucht, günstig zu sein.
Roland Brack: Assemblierung ist bei uns umsatzmässig nicht stark, aber sehr wichtig, denn dort erarbeiten wir unser Know-how. Der Markt will Lösungen, dazu müssen wir eine kompetente Technik-Abteilung bieten. Durch das Assembling haben wir eine gewisse Grundlast, um diese Leute zu beschäftigen. Unsere Kunden sind Privatleute, Fachhändler wie z.B. Sesam-Spezialisten, Firmen und Circa 70% des Umsatzes geht auf Distribution zurück, der Rest ist Enduser-Geschäft.
Thomas Maurer: Auch bei Rotronic ist die Assemblierung als Türöffner für Zubehör und auch Systeme im Fokus. Der Umsatzanteil ist eher klein. Wir wollen das ganze Spektrum anbieten: Systeme, Verbrauchsmaterial und Peripherie. Wir haben ein breites Zubehörsortiment von ca. 5800 Artikeln. Als Assemblierer unterstützen wir zum Grossteil die Wiederverkäufer, die sich um ihre Kernkompetenzen, wie etwa um Software, kümmern wollen.

ITR: Ausser Dell haben die grossen Hersteller 2001 schwer gelitten. Wie sah das Jahr bei Ihnen aus?
TM: Im Q4/1999 war ganz klar Investitionsstop. Anfang 2000 war die Nachfrage ebenfalls eingeschränkt, wurde aber ab Q2/2000 immer besser. Im Geschäftsjahr 2000/2001 (unsere Geschäftsjahre dauern jeweils vom 1.7. bis 30.6.) hat Rotronic am meisten Systeme in seiner Geschichte assembliert. Seit September leisten sich die Kunden aber nur noch Kleinprojekte.
DR: Die saisonalen Schwankungen blieben dieses Jahr aus, das Geschäft war sehr gut. Im September ging der Schnitt markant zurück. Jetzt zieht der Umsatz wieder an, liegt aber noch unter dem normalen Level.
ITR: Das hat es noch nie gegeben, dass die Computerindustrie im August mehr umsetzt als im Oktober.
RB: Man investiert in der Schweiz traditionell erst nach der Orbit, also im Oktober. Dann kauft man die Messeneuheiten. Der Effekt lässt jetzt nach. Im Komponentengeschäft war der September verhalten, aber jetzt im Oktober zieht es massiv an.
TM: Im Komponentengeschäft ist es bei uns auch so, aber eben beim Assemblieren nicht.

«Zeit der Wahrheit»

RB: Der September war heuer der zweitstärkste Monat im PC-Geschäft. Im Oktober wird es sicher noch besser, vor allem wegen Windows XP. Die Investitionsschübe werden auch im vierten Quartal weitergehen.
Ich habe da eine leicht provokanteThese: Die grossen Hersteller haben immer versucht, die Assemblierer totzureden. Angeblich brachen Hersteller ständig Umsatzrekorde. Andererseits haben uns viele Firmen gesagt, sie wollten mit den Grossen nichts mehr zu tun haben. Sogar immer mehr Grossfirmen bezogen ihre PCs bei uns Assemblierern. Und jetzt plötzlich haben die grossen Hersteller Probleme, aber bei uns läuft es immer noch gut. Da muss man sich doch schon sehr fragen, ob deren Statistiken in den Vorjahren korrekt waren, wahrscheinlich kommt jetzt schlicht die Zeit der Wahrheit.
Alle paar Monate kommt ein neuer Prozessor. Wir sind doch prädestiniert, das umzusetzen. Warum soll denn jemand eine fertige, billig geschraubte Kiste vom anderen Ende der Welt kaufen? Wenn es einen neuen Prozessor gibt, können wir zwei Tage später einen PC damit anbieten. Je kürzer die Produktlebenszyklen werden, desto besser für uns. Hinzu kommt, dass der PC jetzt für ganz neue Anwendungsgebiete wie Videoschnitt gebraucht wird. 08/15-PCs sind dafür ungeeignet. Die grossen Hersteller können das nicht bieten, wir aber schon.
ITR: Merken Sie etwas vom Preiskampf? Compaq sagt seinen Partnern: ‘Wenn ihr bei einem Kunden Dell antrefft, dann können wir über jeden Preis reden.’ Spürt ihr den Preisdruck?
DR: Weniger. Preiskämpfe unter Grossen spielen sich in einem geschlossenen Bereich ab. Kämpfe sieht man eher bei regionalen Anbietern. Unsere Kunden kommen wegen Komponenten, die weniger technisch Versierten wegen der Beratung. Wir suchen gemeinsam mit ihnen die beste Lösung. Der Preis ist für uns mehr ein Hygienefaktor, letztendlich macht die Beratung den Erfolg aus.
TM: Die Kunden wollen Konstanz und Service. Wir backen vielleicht kleinere Brötchen, die aber gut. Kleine sind einfach flexibler. Wir haben keine grossen Läger, die erst geleert werden müssen. Wenn es etwas Neues gibt, können unsere Kunden das sofort kaufen.
RB: Früher wollten die Leute mit grossen Firmen arbeiten, sie versprachen sich davon Kontinuität. Heute sieht man das anders. Was z.B. mit HP und Compaq passiert, weiss niemand. Alle hier am Tisch vertretenen Firmen gibt es seit Jahren. Das Vertrauen in eine grosse Firma ist nicht mehr allein deswegen vorhanden, weil sie viel Werbung macht. Die Leute lernen dazu.
ITR: Was die Grossen verkünden, betrifft Sie also immer weniger – ist das also die «Wiederauferstehung der Assemblierer?»
RB: Je mehr Schlagzeilen die Grossen machen, um so besser für uns. Das hilft uns nur.
DR: Vor ein paar Jahren kam der Kunde in den Laden, um einen fertigen PC auszuwählen. Heute können wir für jeden seinen individuellen PC zusammenstellen. Es gibt aber noch viele Kunden im Markt, die das gar nicht wissen.
RB: Der Durchschnittskunde kaufte früher die Brands, die er aus der Werbung kannte. Er dachte, was man kenne, müsse ja gut sein. Mehr und mehr wurden die Leute enttäuscht. Da sind die grossen Hersteller selbst schuld. Man versprach den Leuten drei Jahre On-Site-Garantie und die dachten, das hiesse drei Jahre Wartungsvertrag. Dann mussten sie feststellen, dass vielleicht in drei Wochen mal einer vorbeikommt, irgendeine Box bei ihm abstellt und frühestens in drei Monaten wieder der eigene PC im Zimmer steht. Die grossen haben tolle Werbung, aber halten nicht, was sie versprechen.
ITR: Auf der letzten Cebit sah man viele mobile Anwendungen wie PDAs, intelligente Handys etc. Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen da die Felle davonschwimmen?
TM: Man sollte die PDAs nicht unterschätzen. Wir werden unsere Kenntnisse vertiefen und im Markt mitmachen, um ein möglichst vielfältiges Angebot liefern zu können. Aber es wird ein langer Prozess sein, bis es keine PC-Assemblierer mehr gibt.
RB: PDAs werden PCs sicher nicht ersetzen, aber der Standard-PC als Box wird verschwinden. Der Assemblierer muss ganze Lösungen bieten können. Allein schrauben können, reicht nicht mehr. Die Frage ist: Braucht es noch grosse Hersteller?
DR: Der PDA ist komplementär zum PC, er wird ihn nicht ersetzen. Der PC ist nach wie vor das multifunktionalste und flexibelste Element. Man kann zwar mit dem PC fernsehen, aber mit dem Fernseher keinen Brief schreiben. Wenn ein PDA internetfähig ist, ist das sicher nett, aber bei der ersten Sehschwäche geht man doch wieder zum PC zurück.

RB: Der PDA-Markt ist im Sinken, die Nachfrage geht zurück.


Aufschwung mit Windows XP?

ITR: Bringt Windows XP Nachfrage? Merken Sie Skepsis bei Ihren Kunden wegen der Verknüpfung von Soft- und Hardware?
TM: Mit Geschäftskunden läuft Neues immer schleppender an. Die haben jetzt gerade Windows 2000 aufgesetzt und sind froh, dass das läuft.
MR: Wir haben bisher wenig installiert. Man braucht ja XP nicht unbedingt. Das Outfit sieht anders aus, aber das interessiert den Geschäftskunden sicher nicht, der will sich nur mit der Oberfläche zurechtfinden. Mit der Aktivierung gab es bisher noch kein Problem.
TM: Wenn einem Kunden das Mainboard kaputt geht, haben wir sicher Mehraufwand, wenn wir mit ihm eine 3-Jahres-On-Site-Garantie abgeschlossen haben. Man muss im Verkaufsgespräch herausfinden, was der Kunde will. Will er zukünftig erweitern, muss man ihn natürlich darauf hinweisen, dass das jetzt anders läuft als früher.
RB: Wer sich nicht darum kümmern will, für den übernehmen wir Installation und Registration. Die Bastler lesen die Fachpresse, die kennen sich vielleicht besser mit XP aus als wir, weil sie schon längst drei verschiedene Beta-Versionen getestet haben.
MR: Für einen PC-Freak ist es sicher kein Problem, die Registrierung zu umgehen. Dazu wurde mittlerweile genug XP-Code entschlüsselt.
DR: PC-Freaks sind absolut konjunkturstabilisierende Faktoren. Sobald etwas neues auf den Markt kommt, müssen sie es haben. Aber andererseits gibt es natürlich immer Garantiediskussionen, wenn der Kunde den Schraubenzieher zückt und damit abrutscht.

AMD – eine Chance für Assemblierer?

ITR: Ist AMD die grosse Chance für Assemblierer? Ist die Konkurrenz zwischen Intel und AMD gut für Sie?
TM: Intel ist bei unseren Kunden nach wie vor gefragt, der Konkurrenzkampf interessiert die nicht.
RB: Das ist auch besser so, das spart eine Menge Ärger. Für den Umsatz ist AMD nicht unwichtig. Aber wir wollen seriöse Produkte verkaufen, mit denen der Kunde zufrieden ist. Mit AMD ist das schwierig. Wenn es Probleme gibt, steht der Hersteller nicht hinter seinem Produkt. Das wird dann auf dem Rücken des Kunden ausgetragen. Das kann nicht sein.
MR: Wir beugen vor und geben jedem Kunden ein Beiblatt, das ihm erklärt, dass man mit AMD vorsichtig sein muss.
DR: Intel hat natürlich massives Branding betrieben. Wer sich nicht interessiert, wird gar nicht wissen, dass es zu Intel eine Alternative gibt. Ich sehe AMD als Chance, schon wegen des massiven Preisunterschiedes, denn von der Technologie her sind beide sicher gleichwertig. Die AMD-Konstruktion ist allerdings unglücklich.
RB: Das Verhältnis Intel-AMD war bei uns 50:50, aber das schlägt wieder um. Mit der P4-Technologie ist Intel nach oben offen. Alles was AMD dagegen halten kann, ist seine Prozessoren umzubenennen. Das ist lächerlich.
MR: Der Preisunterschied zwischen einem P4 und dem 1800 AMD ist massiv, fast 1000 Franken. Der PC-Freak will den schnellsten Prozessor und er vergleicht, wo er für sein Geld das meiste herausholen kann.
RB: Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt nicht mehr. Früher bekam man für den doppelten Preis auch einen doppelt so schnellen Prozessor, heute zahlt man das dreifache für 30% mehr Leistung. Jeder halbwegs vernünftige Mensch braucht sowieso keinen 2-Gigahertz-Prozessor. Das Geschäft macht man nicht mehr mit «schneller, teurer, besser», sondern mit der Masse. Und die Masse wird in Zukunft eher Intel kaufen, denn die sind zuverlässiger. Wenn der AMD Prozessor für eine Sekunde nicht gekühlt wird, ist er tot.

MR: Intel hat Preissenkungen um 50% gemacht, um Marktanteile zurück zu gewinnen.

TM: Wir haben erstmals seit langem wieder eine Standardkonfiguration mit Intel dabei. Lustigerweise schwören die Freaks auf AMD, für die ist Intel ein Schicki-Micki-Produkt. Da gibt es fast parareligiöse Überzeugungen, etwa dass AMD für Spiele besser sei.

Wie überleben Assemblierer 2002?


ITR: Kommen wir zur Gretchenfrage: Wie sieht Ihre Strategie für 2002 aus?

DR: Wir wollen moderat wachsen, aber sicher keine Retailkette mit 800 Läden werden. Wir bauen unseren Dienstleistungsbereich stark auf und bieten After-Sales-Leistungen, wie Hard-Disks retten oder PCs aufrüsten. Aber wir bleiben Hardware-Spezialisten. Die breite Masse wird wieder preissensitiver. Deshalb könnten wir sogar in einem Rezessionsjahr noch zulegen.
RB: Bei uns funktioniert alles gut, wir werden sicher nichts auf den Kopf stellen. Wir werden vermehrt Lösungen verkaufen und unser Sortiment ein wenig verbreitern. Die Kunden wollen jetzt eben auch Video schneiden können usw. Wir sind nicht um jeden Preis auf Wachstum angewiesen, wir sind ja nicht an der Börse.
TM: Wir verkaufen immer mehr Dienstleistungen dazu. Momentan verfolgen wir beispielsweise den Markt für Thin Clients sehr genau. Dort werden wir wohl einsteigen, wenn es uns lukrativ erscheint. Wir wollen unseren Kunden die ganze Angebotspalette anbieten können. Wenn jemand einen PDA will, soll er den auch bei uns bekommen. Die Sortimentsbreite ist ja eine Art Dienstleistung für den Kunden. Die Kunden wollen nur einen Ansprechpartner. Für grosse Investitionen ist die Konjunktur ungünstig, die ersten beiden Quartale 2002 werden wohl eher schleppend. Danach werden die Kunden Projekte nicht mehr weiter verschieben können.
RB: Der Umsatz stagniert, aber die Stückzahlen wachsen. Daraus ergibt sich eine neue Kernkompetenz – die Logistik. Hier werden wir hohe Investitionen tätigen.
TM: Die Logistik muss schnell und fehlerfrei sein. Der Kunde honoriert das. Das hebt uns von der Konkurrenz ab. Der Preis ist nicht mehr das zentrale Argument. Der Kunde hat nicht die Zeit, lange zu diskutieren. Er will schnell und zuverlässig das bekommen, was er bestellt hat.
RB: Man hat im Gespräch gesehen, dass es allen gut geht. Auch die Margensituation hat sich nicht verschlechtert. Der PC-Kauf ist Vertrauenssache. Assembling ist aufwendig, das kann man nicht halbherzig machen. Wir beliefern jetzt sogar Universitäten und Spitäler, die hätten früher einen kleinen Assemblierer gar nicht angesehen.
ITR: Herr Brack, Sie haben am Disti-Award eine Auszeichnung gewonnen. Das deutet auf eine gewisse Grösse hin. Sicher haben Sie auch kleineren Konkurrenten Geschäft weggenommen?
RB: Sicher haben wir Marktanteile gewonnen. Aber haben wir anderen Assemblierern oder den Markenherstellern Anteile weggenommen? Dell macht sicher einen guten Job, die spüren wir noch stark. Wenn ein Compaq-Kunde anruft, ist er meistens unzufrieden. Da kann man schnell mal Geschäft generieren. Genauso schnell gehen einem bei Dell die Argumente aus.
(Gesprächsleitung: hc)


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