Trauriges Ende für den einst hoffnungsvollen privaten IP-Carrier und Netzwerkdienstleister Commcare. Vergangenen Mittwoch beschloss der (Rest-)Verwaltungsrat der Schlieremer Firma die Bilanz zu deponieren und beim Konkursrichter Nachlassstundung zu beantragen. Damit soll ein Notbetrieb bis zur geordneten Übergabe der Kunden an einen anderen Carrier gewährleistet werden.
«Der Verwaltungsrat musste so entscheiden», sagt VR-Mitglied Hans-Peter Koller vom Risikokapitalisten M2. «Durch den Bundesgerichtsentscheid vom vergangen November wurden Nachzahlungen an
Swisscom von fünf bis sieben Millionen Franken fällig. Ausserdem entstand durch die neue Preissituation ein dramatischer, zusätzlicher Abschreibungsbedarf auf der bestehenden Infrastruktur.»
Noch bis vor kurzem versuchte man für den Schlieremer Carrier einen Käufer zu finden. Im Vordergrund stand
Sunrise, aber es fanden auch Gespräche mit der deutschen Telekom und weiteren Multis statt. Ein potentieller Investor hätte Bargeld von mindestens 15 Millionen Franken mitbringen müssen, um nur schon die aktuellen Schulden zu decken und den laufenden Betrieb zu gewährleisten.
Sunrise bot aber, so Koller, gerade mal mickrige fünf Millionen Franken für die Übernahme des Glasfasernetzes. Swisscom zeigte dem gebodigten Ex-Konkurrenten die kalte Schulter. Man wäre gerade mal zu einer Stundung der aufgelaufenen Mietleitungskosten bereit gewesen.
Löligers letztes Angebot
In letzter Minute versuchte Urs Löliger, der vor drei Wochen ausgebootete CEO und VR-Präsident, «seine» Commcare zurückzuholen. Er machte als Präsident der (ehemaligen Commcare-Tochter) Brainstorm AG allen Aktionären brieflich das Angebot, die Commcare-Aktien für 30 Franken (Nennwert: Fr. 10.–) zu kaufen.
Hans-Peter Koller findet das Angebot aber eher wolkig. Löliger wolle die Übergabe der Aktien per sofort, stelle aber eine Bankgarantie erst ab 7.1.2002 in Aussicht. Ausserdem sei völlig unklar, wie Löliger die dringend nötigen Mittel nur schon für die nächsten paar Wochen aufbringen wolle.
Bundesgericht Assasin!
Die Schuld am Debakel trägt, darin sind sich alle Beteiligten einig, das Bundesgericht. Das November-Urteil, in dem das Lausanner oberste Gericht einen Entscheid der Comcom umstiess, hat Commcare den Nacken gebrochen. Das BR urteilte, es sei nicht Sache der Comcom sondern des Gesetzgebers über die Bedingungen für die Interkonnektion von Mietleitungen zu entscheiden.
Carrier unter dem Hammer
Dieser Entscheid stiess nicht nur Commcare in den Abgrund – so die einhellige Meinung – sondern führte auch dazu, dass der skandinavische Telco Telenor beschloss, seine Schweizer Tochter Nextra zu verkaufen.
T-Systems wird bis Ende 02 die Nextra-IP-Dienste als Outsourcer betreiben und bis dann versuchen, die Nextra-Kunden ins eigene Boot zu ziehen.
Assets werden verramscht
Peter Bollmann, seit drei Wochen als Sanierer bei Commcare am Ruder, hofft sehr, dass der Konkursrichter die Nachlassstundung anordnet. Nur so könnten die Assets des gescheiterten Carriers einzeln und zu vernünftigen Preisen verkauft werden. Zu den Assets gehört beispielsweise eine WLL-Lizenz, die Commcare von Callino übernommen hatte. Gemäss den Revisoren von KPMG hat die Lizenz gerade noch einen Wert von Fr. 0.– Dazu gehört aber auch die Hälfte des Eigenkapitals des ASPs Businesscare. Sollte auch Businesscare in den Strudel des Commcare-Untergangs gezogen werden, wäre der Schaden für die Schweizer ASP-Szene gewaltig. (hc)