'Der PCP.com-Konkurs hat uns getroffen'
Quelle: Competec

"Der PCP.com-Konkurs hat uns getroffen"

Competec musste im Januar einen Umsatzrückgang vermelden, für den Alltron mit ­verantwortlich zeichnete. Alltron-CEO Andrej Golob erklärt im Interview, wo das Geschäft rückläufig war, wie 2024 Wachstum zurückkehren soll und wo er seine eigene Zukunft sieht.
8. März 2024

     

"Swiss IT Reseller": Die Competec-Gruppe musste diesen Januar für 2023 einen Umsatzrückgang von 2,6 Prozent auf 1,14 Milliarden Franken vermelden und begründet das Minus in erster Linie mit einer "herausfordernden zweiten Jahreshälfte im B2B-Bereich." War somit ausschliesslich Alltron für den Rückgang verantwortlich?
Andrej Golob: Mehrheitlich. Alltron musste 2023 ein Minus bezüglich Umsatz hinnehmen – und das, obwohl sich gewisse Bereich sehr erfreulich entwickelt haben.

In welchen Bereichen lief es denn gut?
Insbesondere das Software-Segment entwickelte sich sehr positiv, wir konnten hier ein erfreuliches Wachstum verzeichnen und sind sehr zufrieden. Auch der Bereich Infrastruktur – Server- und Netzwerk-Lösungen und Physical Security – entwickelte sich erfreulich, obwohl wir hier für die zweite Jahreshälfte mit einem Abflauen gerechnet hatten, das dann aber nicht eingetroffen ist, so dass wir das Jahr auch hier positiv abschliessen konnten. Freude gemacht hat uns zudem der Service-Bereich. Wir haben Mitte 2023 mehr oder weniger stillschweigend mit Value Added Services losgelegt, für die wir seit dem Launch bereits rund 60 Kunden gewinnen konnten. Darauf werden wir verstärkt ein Augenmerk legen. Und für uns erfreulich war sicherlich auch die allgemeine Entwicklung des Schweizer Channels. Wir konnten die Zahl von rund 11’000 Händlern, die bei uns einkaufen, stabil halten – trotz dessen, dass in der Branche permanent von Konsolidierung und einer abnehmenden Anzahl an Resellern die Rede ist. Für uns ist diese Entwicklung, dieses Halten der Käuferbasis, sehr wichtig, weil wir uns nicht nur über A-Brands definieren, die wir exklusiv als Distributor vertreiben, sondern über die Breite, die Subdistribution und das Abdecken des Long Tails im Channel, für den wir Mehrwert bieten wollen.


Welche Geschäftsbereiche entwickelten sich denn weniger positiv?
Hier muss ich an erster Stelle sicher das PC-Geschäft nennen, das für Alltron substanziell ist und wo sich der Markt negativ entwickelt hat. Die Gründe hierfür sind bekannt: Überkapazitäten, der Abbau von Lagerkapazitäten und die gesunkene Nachfrage seitens der Konsumenten. Allerdings: Wenn wir uns die Zahlen des Marktforschungsunternehmens Context anschauen, dann konnten wir trotz Minus in diesem rückläufigen Markt Anteile gewinnen, was mich positiv stimmt. Das Geschäft mit Fernsehern – wo wir unter anderem als Lieferanten der Telekom-Provider stark sind – war 2023 ebenfalls rückläufig. Ausserdem haben wir uns entschieden, uns als Distributor aus dem Geschäft mit E-Ladestationen zurückzuziehen, weil wir gemerkt haben, dass wir bei hohen Lagervolumen und viel Arbeit kaum Mehrwert bieten und somit Ertrag generieren können. Dieser Rückzug hatte also bezüglich Umsatz einen relativ grossen Einfluss, ist aus Sicht Deckungsbeitrag aber vernachlässigbar. Dass wir als Alltron im letzten Jahr im Minus waren, hängt aber nicht nur mit einzelnen Produktkategorien zusammen, sondern zum Teil auch mit unserem Geschäftsmodell respektive unserer Strategie, denn: Wir als Alltron profitieren vor allem dann, wenn die Nachfrage hoch und das Angebot dünn ist.

Weshalb?

Alltron ist eher der Distributor, der mehr Produkte an Lager nimmt respektive Produkte früher beschafft und der grössere Risiken eingeht als die international tätigen Marktbegleiter, um Verfügbarkeit sicherzustellen. Wenn am Markt Überkapazitäten herrschen, so wie das 2023 in weiten Teilen der Fall war, dann ist die Verfügbarkeit bei jedem Distributor gegeben, dann kauft der grosse HP-Händler – um ein Beispiel zu nennen – nicht bei uns ein, sondern geht über die offizielle HP-Distribution.

Wie stark hat Alltron unter den Verwerfungen im Retail gelitten – namentlich unter dem Konkurs der PCP.com-Gruppe?
Der PCP.com-Konkurs hat uns sicherlich getroffen, PCP.com war ein grosser, wichtiger Kunde von uns. Hinzu kam, dass sich die Nummer zwei im Schweizer IT- und CE-Retail ebenfalls entschieden hat, die Zusammenarbeit mit uns zu reduzieren, was uns ebenfalls Umsatz gekostet hat. Angesichts dieser verschiedenen Effekte, die sich 2023 kumuliert haben, müssen wir eigentlich zufrieden mit dem letzten Jahr sein – trotz Minus. Denn gerade dort, wo wir Mehrwert bieten können, bei Services oder im Projektgeschäft etwa, haben wir uns positiv entwickelt. Deshalb blicken wir auch optimistisch auf 2024.
Sie haben Value Added Services angesprochen, die 2023 eingeführt wurden. Rund um welche Produkte bietet Alltron welche Value Added Services?
Auf der einen Seite sind das Services, wie sie andere Distributoren auch anbieten – im PC- und Server-Bereich etwa Staging- und Rollout-Services oder das Aufspielen von Images. Dann aber können wir auch Services anbieten, mit denen wir uns klar differenzieren können – so beispielsweise im Bereich Logistik. Hier sind wir durch die Übernahme von Schoch Vögtli in den Besitz einer Fahrzeugflotte gekommen, die für Auslieferungen von Büromaterial genutzt wurde. Diesen Service adaptieren wir nun auf andere Bereiche und weiten ihn kontinuierlich aus, unterstützen beispielsweise Händler bei einem PC-­Rollout, indem wir mit unseren Fahrzeugen Geräte fertig ausgepackt direkt vor Ort bringen, uns also um die Feinverteilung kümmern. Ein weiteres Beispiel für Services, die wir anbieten, betrifft Überwachungskameras. Hier sind wir in der Lage, für Installateure oder grosse Sicherheitsdienstleister die passende Firmware und individuelle Skripts auf der Hardware aufzuspielen. So werden die Kameras fertig konfiguriert direkt an den Einsatzort geliefert und können dort in Betrieb genommen werden, ohne dass ein Techniker sie zur Konfiguration nochmals in die Hand nehmen muss.

Warum wurden diese Services eher unter dem Radar lanciert?
Wir haben Partnern von uns schon in Vergangenheit Services angeboten, meist ist das in typischer Alltron-Manier aber sehr pragmatisch und individuell geschehen – man hat gemeinsam einen Weg gefunden, um ein Händler-Bedürfnis zu bedienen. Nun wollten wir hier mehr Struktur reinbringen, so dass diese Services in unsere Prozesse passen und skalieren. Dazu, ob und wie das funktioniert, wollten wir zuerst Erfahrungen sammeln, bevor wir einen Servicekatalog anpreisen, den wir dann gar nicht bereitstellen können. Deshalb haben wir uns für einen Silent Launch entschieden, konnten nun mit zahlreichen Kunden Erfahrungen sammeln und werden die Services im Laufe dieses Jahres nun breiter ausrollen – auch kommunikativ.


Ich möchte den PCP.com-Konkurs nochmals aufgreifen. Sie haben es erwähnt, PCP.com war ein wichtiger Alltron-Kunde. Wie gross ist der Umsatzausfall, der durch den Konkurs entstanden ist?
Wir haben Umsatz im einstelligen Millionenbereich verloren. Gleichzeitig hat sich der Umsatz von Steg, Techmania und Co. auf die verbliebenen Akteure verteilt, die wiederum ebenfalls Kunden von All-tron sind, was es schwierig macht, den effektiven Umsatzausfall zu beziffern.

Welchen Effekt wird die PCP.com-Aufgabe 2024 für Alltron noch haben?
Wie gesagt, das ist schwierig zu beziffern. Wenn wir den Retail-Umsatz für Januar anschauen, dann liegen wir im Bereich vom Vorjahr, während wir vor Jahresfrist noch deutlich im Minus waren. Insofern hat das Jahr erfreulich begonnen, was den Umsatz mit unseren Retail-Kunden angeht.

Digitec Galaxus als Nummer eins im Schweizer Geschäft konnte 2023 kräftig zulegen. Davon müsste doch auch Alltron profitiert haben, muss man doch davon ausgehen, dass Digitec Galaxus einer der wichtigsten Alltron-Kunden ist, ­korrekt?
Das stimmt, zumindest für die ersten neun Monate des letzten Jahres, wo mehr Umsatz mit uns gemacht wurde. Im vierten Quartal war der Umsatz dann aber rückläufig, da Digitec Galaxus seine Einkaufsstrategie geändert hat und vermehrt über andere Kanäle eingekauft hat. Doch Digitec Galaxus ist und bleibt für Alltron ein wichtiger Kunde, mit dem wir eine sehr gute Partnerschaft pflegen und wo wir auch den Anspruch haben, verlorene Umsätze wieder zurückzuholen.

Es ist zu befürchten, dass das Schweizer Retail-Geschäft auch 2024 nicht zur Ruhe kommt. Microspot wird in diesem Jahr gänzlich in Interdiscount aufgehen und verschwinden, die Zukunft von Melectronics ist mehr als ungewiss. Welche Folgen werden diese Entwicklungen für Alltron und für die gesamte Competec-Gruppe haben?
Unsere Gruppensicht ist polyvalent. Aus Sicht von Brack.ch gehören wir eher zu den Profiteuren, gleichzeitig ist es in unserem Interesse als Alltron, möglichst viele Verkaufskanäle bedienen zu können, um letztlich auch den Einkauf poolen und bestmögliche Konditionen aushandeln zu können. Wohin die Entwicklung bei den genannten ­Retailern geht, wird sich zeigen. Gleichzeitig beobachten wir andere Händler, die traditionell aus dem stationären Geschäft kommen und nun verstärkt mit uns auf E-Commerce setzen – und das mit Erfolg.

Denken Sie, dass eine weitere Konsolidierung im Schweizer ICT- und CE-Handelsgeschäft einen Einfluss auf die Endkundenpreise in der Schweiz haben wird – weniger Wettbewerb gleich höhere Preise?
Wir gehen eher davon aus, dass der Preisdruck in der Schweiz im Bereich ICT und CE hoch bleiben wird. Denn auch wenn gewisse Marktteilnehmer verschwinden, wird der Wettbewerb nicht zwingend kleiner, der Markt Schweiz bleibt hart ­umkämpft.
Das Paketvolumen der Competec-Gruppe ist 2023 um 12 Prozent gewachsen, der Personalbestand entsprechend ebenfalls, der Umsatz aber ist gesunken. Macht Ihnen diese Entwicklung sorgen?
Wir beobachten das als Gruppe sicher, denn die Grösse des Warenkorbs ist für uns natürlich relevant und die Entwicklung des Paketvolumens ein wichtiger Faktor. Allerdings ist auch hier eine differenzierte Betrachtung nötig. Für Brack.ch hat der Wert des Warenkorbs sicherlich eine andere Bedeutung als beispielsweise für Alltron im Streckengeschäft mit Retailern, denn hier werden wir für unsere Logistikaufwände vergütet. Betrachtet man die Warenkorbgrösse bei Alltron im Vertrieb, dann ist die Entwicklung stark getrieben durch das PC-Geschäft. Ist das PC-Geschäft rückläufig, sinkt der durchschnittliche Wert des Warenkorbs, einfach darum, weil ein PC einen gewissen Warenwert hat. Entsprechend ist auch bei Alltron der Wert des Warenkorbs 2023 im Schnitt leicht gesunken. Da wir aber von einer Erholung des PC-Marktes ausgehen, rechnen wir damit, dass der Wert des Warenkorbs dieses Jahr wieder zunimmt.

Sie haben es eingangs erwähnt, Alltron möchte 2024 wieder zu Wachstum zurückfinden. Können Sie ihre Wachstumsziele beziffern?
Wir streben ein Wachstum im hohen einstelligen Bereich an.


Abgesehen von der Stärkung des Service-Geschäfts: Wie wollen Sie dieses Wachstum denn erreichen?
Wir wollen vor allem dort verstärkt zulegen, wo unsere Kompetenzen besonders ausgeprägt sind. Dazu zähle ich den Bereich Professional Audio und Video, ein Markt, der zwar in sich nicht wahnsinnig stark wächst, wo es aber eine gewisse Konsolidierung gibt und wir uns in einer guten Position sehen, davon zu profitieren. Denn wir sind sehr kompetent in dem Bereich, haben hervorragende Mitarbeitende mit viel Erfahrung und guten Kontakten in den Channel. Ein weiterer Wachstumsbereich wird das Security-Umfeld sein und dabei einerseits der Bereich der physischen Sicherheit, aber auch im Access Management. Im Softwarebereich möchten wir über unsere Transaktionsplattform weiter wachsen und das Momentum mitnehmen. Was diese Plattform angeht, glauben wir heute nicht mehr an das einst verfolgte Konzept vom Marktplatz mit vielen lokalen ISVs, die sich darauf tummeln. Vielmehr sehen wir die Entwicklung hin zu einer Plattform, über die sehr effizient Transaktionen und Business abgewickelt werden können, wo der Händler seine Abo- und Service-Modelle darüber verwaltet. Diese Entwicklung gehen wir mit, auch indem wir unsere Ressourcen etwas anders einsetzen und glauben, dass wir darum im Softwaregeschäft noch etwas schneller wachsen können als in der Vergangenheit. Und dann – ich habe es erwähnt – glauben wir an die Erholung des PC-Marktes, wo wir eine starke Position haben und deshalb über dem Durchschnitt profitieren werden.

Sie haben auch erwähnt, dass Alltron 11’000 Händler beliefern darf und diese Zahl konstant bleibt. Wie können Sie die Zahl trotz Konsolidierung am Markt halten, woher kommen die neuen Händler, die bei Ihnen einkaufen?
Eine gute Frage. Ich denke im Zuge der Digitalisierung gibt es immer wieder neue Firmen, die Lösungen mit IT- und ICT-Komponenten – Hardware wie auch Software – anbieten und dazu einen Zulieferer brauchen. Der Technologiebedarf steigt und muss von irgendwoher gedeckt werden. Erst kürzlich durfte ich einen Händler aus der Romandie kennenlernen, der eine Lösung zur Reinigung des Weltalls anbietet – als einer von ganz wenigen Spezialisten weltweit. Auch dieses Unternehmen braucht ICT-Infrastruktur, die wir ihm liefern können. Das ist das Schöne am Alltron-Modell und an Alltron als Schweizer Unternehmen – solche Firmen haben bei uns Platz, und wir machen ihnen den Einkauf möglichst einfach und unkompliziert. Der Schweizer Channel besteht nicht nur aus den grossen System-
integratoren, welche die IT von Grossunternehmen betreuen.

Zum Abschluss noch ein anderes Thema: Ende September wurde bekannt, dass Competec-CEO Martin Lorenz aufgrund strategischer Differenzen das Unternehmen verlassen wird. Uneinigkeit in der Führung, nun ein Umsatzrückgang – erlauben Sie mir die Frage: Wie viel liegt bei Competec im Argen?
Es liegt gar nichts im Argen – im Gegenteil: Die Diskussionen, die wir mit dem Verwaltungsrat führen, sind sehr lösungsorientiert und entspannt. Natürlich gibt es Aufgaben, die es zu optimieren gilt, etwa was die Effizienz betrifft. Doch das trifft auf jeden Distributor zu. Und wie viele andere Unternehmen in der Branche fehlte uns während Corona angesichts des starken Wachstums die Zeit, unsere Prozesse genügend zu digitalisieren und voranzutreiben, weshalb es nun einen gewissen Nachholbedarf gibt. Doch diese Aufgaben packen wir an, und zwar koordiniert und gemeinsam.

Trotzdem ist es von aussen etwas schwer nachvollziehbar, dass ein CEO, der strategische Differenzen mit dem Verwaltungsrat hat, fast noch ein Jahr im Amt bleibt…
Das kann ich verstehen, beweist aber, dass das Vertrauen des Verwaltungsrats in den CEO trotz strategischer Differenzen und letztlich in die gesamte Führungs-Crew nach wie vor sehr gross ist. Wäre die Aussage bei Bekanntgabe des anstehenden Wechsels des CEOs nur eine Floskel gewesen, um sich möglichst rasch zu trennen, wäre wohl ein anderes Vorgehen gewählt worden.

Haben Sie selbst Ambitionen auf den Competec-CEO-Posten?
Ich kann sagen, dass ich sehr glücklich bin mit meinem Job als Alltron-CEO, dass ich wegen dieses Jobs zum Unternehmen gekommen bin und mir bis heute sehr gut vorstellen kann, dass dies der letzte Job meiner noch mindestens sechs Jahre dauernden Karriere ist. (mw)


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