Psinet wird zurechtgestutzt

Nach der Übernahme von Psinet Europe durch eine Investorengruppe rund um den britischen Financier Michael W. Stevens soll das Unternehmen einer Radikalkur unterzogen werden. Marcel Casserini (Bild), Chef der Schweizer Niederlassung, verliess das Unternehmen von einem Tag auf den anderen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/14

     

Psinet Europe, der im Mai übernommene europäische Arm des bankrotten Mega-ISPs, wird einer strengen Prüfung unterzogen. Dies kündigte CEO Richard Williams an. In der Schweiz soll der Personalbestand in den Standorten Zürich, Genf und La Chaux-de-Fonds reduziert werden, bisher mussten acht Mitarbeiter aus Marketing, Management und Betrieb (die zum Teil für das zentrale Technolgiezentrum in La Chaux-de-Fonds arbeiteten) gehen. Vor gut drei Wochen hat auch der Schweizer Länderchef Marcel Casserini das Unternehmen überraschend — im gegenseitigen Einvernehmen — verlassen.
Casserini hatte die Schweizer Organisation zu grossen Teilen mitaufgebaut und durch Übernahmen verschiedener kleiner ISPs aber auch mit organischem Wachstum Psinet Switzerland zum zweitgrössten Umsatzgenerator von Psinet in Europa gemacht. Gut vorstellbar ist, dass Casserini nach der Übernahme von Psinet Europe durch Clear Blue Technologies und Israel Corporation mit der neuen, in London stationierten Konzernleitung nicht mehr gleicher Meinung über die Umsetzung der Reorganisation war.

Reorg bis in einem halben Jahr

Wie viele der über 600 Angestellten von Psinet Europe entlassen werden, ist noch nicht klar. «Dies hängt vor allem von den Verbesserungen ab, die durch die operationalen Änderungen erzielt werden», sagte Nicholas Jeffrey, Vice President European Marketing bei Psinet Europe zu IT Reseller. «Es kann auch sein, dass wir Situationen vorfinden, wo die Belegschaft erhöht werden muss, es geht nicht nur um Leute, sondern auch um Prozesse», so Jeffrey weiter.
Was die Prozesse angeht, so möchte die neue Führung das Kundenmanagement wieder durch die einzelnen Länderorganisationen erledigt wissen, anstatt zentral, wie dies jetzt der Fall ist. Man müsse auf jeden Fall keine Länderniederlassungen schliessen, beteuert Jeffrey, werde aber Management, Belegschaft und operationale Strukturen in jedem Land genau ansehen. Die Reorganisation soll bis in einem halben Jahr abgeschlossen sein.

Kahlschlag?

Insider wollen allerdings wissen, dass innerhalb Europa die Belegschaft von über 600 bis Ende Jahr auf 280 gesenkt werden soll und auch in der Schweiz mit weiteren Entlassungen gerechnet werden muss. Dies dürfte wohl vor allem das ehemalige Headquarter in Genf und das Technologiezentrum in La Chaux-de-Fonds betreffen. Vor allem aber wolle man laut firmennahen Quellen in den Datacentern abbauen, sprich Kosten reduzieren, gleichzeitig aber die Umsätze halten.
Ob die einzelnen Organisationen tatsächlich personalmässig überdotiert waren, lässt sich schwerlich von aussen beurteilen. Klar ist aber, dass Psinet sich keine Qualitätseinbussen leisten kann, zumal man mit Security-Lösungen keinen Erfolg erzielte und im Access-Bereich nicht konkurrenzfähig ist, denke man etwa nur daran, dass Psinet kein DSL im Angebot hat. (mh)


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