Microsoft oder nicht? Entscheidung 2003

Elefant Microsoft im Business-Software-Markt: Werden die regionalen Hersteller unter seinen Füssen zertrampelt, oder können sie sich auf seinem Rücken zu neuen Höhen aufschwingen?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/21

     

Soll man als regionaler, unabhängiger Software-Hersteller mit einer Zielkundschaft von kleineren Unternehmen, für die Entwicklung von Business-Software in Zukunft Microsoft-Partner werden?
Die voraussichtlich im nächsten Frühjahr erscheinende erste Version von Microsofts Business Solutions Framework soll den ISVs Entscheidungsgrundlagen liefern. Denn Microsoft tritt zwar seit der Akquisition von Great Plains und Navision, entgegen früherer Versprechungen, teilweise als Mitkonkurrent auf dem Business-Software-Markt auf.
Aber der Software-Riese hat auch eine Vision auf Lager, wie kleinere Software-Hersteller auf diesem Markt bestehen können, dessen Veränderung zu ihren Ungunsten absehbar ist. Microsoft schlägt ihnen ein neues Geschäftsmodell vor.

Der Vorschlag

«Wie viele kleinere Schweizer Software-Hersteller, ich rede hier von Unternehmen mit bis etwa 40 Angestellten, können es sich noch leisten, eine eigene ERP-Lösung von Grund auf selbst zu bauen?», fragt Fred Kampermann (Bild), Director Small and Medium Business bei Microsoft Schweiz. «Sie müssen sich jetzt um immer mehr kümmern, Portabilität auf andere Plattformen, Kommunikationsfähigkeit mit anderer Software usw. Gerade die Kompatibilität mit mobilen Devices zum Beispiel ist etwas, das Kunden in Zukunft erwarten werden.»
Genau die Programmierung solcher Basisfunktionalitäten will Microsoft ISVs mit seinem Business-Framework für die .Net-Plattform in Zukunft abnehmen. «Lokale ISVs sollen die regionalen und vertikalen Anpassungen übernehmen. Die Benutzerschnittstelle und benutzernahe Funktionen für einen Anwalt müssen ganz anders aussehen, als die für einen Arzt.
Diese vertikalen Lösungen sind auch ein Bereich, in den wir als Microsoft absolut nicht hineingehen wollen.» Das ähnelt stark den Aussagen des anderen Riesen, der gegenwärtig auch Partner um sich zu scharen versucht: SAP. Gemäss Kampermann wird Microsoft seinen ISV-Partnern aber mehr Raum für Eigenleistungen überlassen. «SAP will ein Produkt bringen, das alles abdeckt. Wir wollen wirklich eine Plattform entwickeln, auf der Partner aufbauen können.»
Trotzdem würden die ISVs so natürlich auf einen Teil der Wertschöpfung verzichten. Aber dies sei genau der Teil, den viele auch gerne loswerden würden. Die dauernd zunehmende Basisarbeit koste viel Geld und Ressourcen. Es sei ausserdem schwer, dafür Geld zu verlangen, da sie für den Kunden, im Gegensatz zur Benutzerschnittstelle, nur wenig sichtbar ist. «Bei einem Auto erwartet jeder Kunde einfach, dass es einen Motor und vier Räder hat. Aber reden kann ein Verkäufer über das Interieur, die Farbe usw.»

Kampf der Riesen

Dieser Bereich, die Implementierung von benutzernahen Funktionen, könnte sich auch als preisresistenter herausstellen. Durch den Eintritt der Riesen SAP und Microsoft entsteht nämlich auch die Gefahr von verstärkten Preiskämpfen und damit Preiszerfall. Darauf angesprochen meint Kampermann: «Ich glaube, die Gefahr, dass sie zur Commodity wird, ist nur bei der Basissoftware gegeben. Dann braucht es Masse, was Microsofts Stärke ist. Eine ERP-Lösung zum Beispiel ist dagegen für ein Unternehmen lebenswichtig, und für Anbieter ist die Möglichkeit gering, nur über den Preis zu verkaufen.»
Eine weitere absehbare Entwicklung durch den Einfluss der grossen, internationalen Hersteller ist die Aufweichung der bisher starken regionalen Abschottung im Business-Software Markt für KMU. «Die Konsolidierung und Internationalisierung kommt tatsächlich immer stärker voran», sagt dazu Kampermann, «doch der Konsolidierungsdruck ist auch hier im Basisbereich am stärksten. Benutzernahe Funktionen werden regional bleiben, gerade in der Schweiz.»

Mein Partner, der Konkurrent

Nun wird es aber Microsoft-eigene, wenn auch nicht vertikalisierte Applikationen geben, und ebenso werden die ehemaligen Great Plains- und Navision-Produkte von Microsoft beibehalten und weiterentwickelt. Mit einem Konkurrenten in Teilbereichen zusammenzuarbeiten, ist bei Grossunternehmen gang und gäbe, aber viele kleinere Unternehmen haben Mühe mit diesem Gedanken.
Um den Microsoft-Vorschlag anzunehmen, müssten einige in dieser Beziehung über ihren Schatten springen. «Es ist klar, in Teilbereichen gibt es Überlappungen zwischen Microsoft und potentiellen Partnern, und diese Wettbewerbssituation wird auch weiter bestehen», gibt Kampermann offen zu. Jeder ISV müsse in Zukunft für sich die eine Frage beantworten: «Ist Microsoft einfach der Konkurrent, mit dem man nicht zusammenarbeiten darf?
Oder fühlen wir uns stark genug, auf der Basis von Microsofts Business-Framework eine eigene Lösung zu bauen, die sich gegen die ganze Konkurrenz, eventuell halt auch gegen die von Microsoft, durchsetzen kann?» (hjm)

Business Solutions Framework

Das eigentliche Business Framework soll zwei Ebenen enthalten: Eine Basisebene, die für die Integration und Kommunikation der Programme zuständig sein soll und auch Workflow und Security-Funktionen umfasst. Die zweite Ebene soll gemeinsame Komponenten und Prozesse umfassen, die von Applikationen gebraucht werden, zum Beispiel Objekte wie «Ein Kunde» oder
«Ein Konto».
Darauf aufsetzend wird Microsoft auch eigene Business-Applikationen mit ERP-, CRM- oder SCM-Fähigkeiten anbieten. Aber auch diese sollen Softwarepartnern die Möglichkeit geben, sie durch Eigenleistungen aufzuwerten. So wird zum Beispiel etwa Mai/Juni des nächsten Jahres Microsofts erstes eigenes Produkt im CRM-Bereich herauskommen. «MS-CRM» wird aber keine branchenspezifischen Anpassungen aufweisen, diese Möglichkeit sollen Microsoft-Partner wahrnehmen.


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