Zum 1. Februar erwarb Ixos vorerst 96,4 Prozent der insgesamt 14,8 Millionen Stammaktien der Gesellschaft für je 52 Rappen; der Kaufpreis beläuft sich demnach auf rund 7,4 Millionen Franken. Dazu kommen 5 Millionen für eine im Herbst 2002 aufgenommene Wandelanleihe, für die Ixos ebenfalls geradestehen will.
Was bleibt, was geht
Entlassungen wird es laut Robert Hoog, dem Vorstandsvorsitzenden und CEO von Ixos, nicht geben. Der neue Besitzer will sämtliche 86 Obtree-Mitarbeiter, die nach der 2002 bereits erfolgten Bereinigung in der Schweiz und in Grossbritannien verblieben waren, übernehmen.
Das CMS-Engineering bleibt unter der bisherigen Leitung von Firmengründer Haldimann in Basel – allerdings kaum in den sündteuren Räumen des Peter-Merian-Hauses: Obtree belegt dort schon heute nur noch zwei von fünf Etagen, für die nun ebenfalls ein Nachmieter gesucht wird.
Obtree als Marke bleibt ebenfalls; das Hauptprodukt soll auch künftig unter dem Namen Obtree C4 vermarktet werden. Anders dagegen die Firma – hier übernimmt Ixos in Form der bereits bestehenden Schweizer Niederlassung Ixos Software das Zepter.
Aus rechtlichen Gründen gibt es zumindest vorerst dennoch weiterhin eine Obtree Technologies Inc. Deren Verwaltungsrat steht der bisherige VR-Präsident Rolf Brugger vor; weitere VR-Mitglieder sind der bisherige CEO Frank Boller (rechts im Bild), der neu im Executive-Committee von Ixos die Führung und den weltweiten Rollout des Content-Management-Systems übernimmt, sowie drei Ixos-Vertreter, darunter der Veranwortliche für das gesamte Europageschäft.
Das Sagen hat somit in allen strategischen Belangen klar die Ixos-Seite. Die Obtree-Gründer Haldimann (links im Bild) und Valcarce wurden aus dem VR hinauskomplimentiert.
Breitere Palette für Ixos...
Für Ixos füllt die Übernahme eine Produktlücke: Das Unternehmen ist stark im Document Management für SAP-Umgebungen – Hoog spricht hier bei weltweit 2200 Installationen, 778 Mitarbeitern und knapp 123 Millionen Euro Umsatz von Marktführerschaft.
Content-Management-Software fehlte bisher im Portfolio, ebenso Workflow-Lösungen, weshalb parallel zum Obtree-Kauf auch gleich das operative Geschäft des Kemptener Workflow-Spezialisten Powerwork erworben wurde.
Der Beweggrund: Laut Hoog wird im Enterprise-Markt ein breites Angebot immer wichtiger. Der Kunde will eine Gesamtlösung aus einer Hand. Auch die Hauptkonkurrenten Filenet,
Open Text und Documentum erweiterten ihr Portfolio in Richtung CMS. «Wir hoffen, dass wir Ixos in ein neues Marktsegment transferieren können.
Unser erstes Ziel, die europäische Marktführerschaft im Enterprise Content Management, ist schon mit der Übernahme erreicht. Mittelfristig wollen wir weltweit in die Top 5 aufsteigen.» Obtree, so Hoog weiter, sei «eine hervorragende Wahl. Wir haben in 12 Monaten mehr als 24 mögliche Partner betrachtet.
Wir glauben, dass Obtree heute auf einem gesunden Fundament steht.» Die Integration der beiden Firmen wird aus der Sicht von Hoog reibungslos verlaufen: «Wir haben, zum Beispiel in einem bereits abgewickelten gemeinsamen Projekt für die Alte Leipziger Versicherung, eine sehr hohe kulturelle Übereinstimmung festgestellt.»
...mehr Markt für Obtree
Trotz schöner Worte vom Käufer: Für Obtree ging es ums Überleben. Zwar konnten die Basler im letzten Jahr die Kundenzahl um 90 erhöhen, die Lizenzeinnahmen um 134 und den Supporterlös um 239 Prozent steigern und im November übertrafen die Einnahmen erstmals die Kosten.
Das reicht langfristig aber nicht. Obtree ist ausser in Grossbritannien international unbekannt, und auch hierzulande vermochte die Firma nie eine schlagkräftige Verkaufsorganisation aufzubauen. Da kommt Partner Ixos mit seiner umfassenden internationalen Präsenz bestens gelegen: Das deutsche Unternehmen macht heute über 75 Prozent des Umsatzes im Ausland und ist in den USA sowie in Asien mit starken Niederlassungen vertreten.
Frank Boller: «Wir sind begeistert und freuen uns auf die Möglichkeiten, unseren Schweizer Erfolg nun auch auf dem internationalen Markt realisieren zu können. Bei unserer Suche nach einem Partner war der Zugang zu einem existierenden Vertriebsnetz besonders wichtig, und auch die Komplementarität des Angebots ist vorteilhaft.» Anders gesagt: Das Zusammengehen mit einem anderen Content-Management-Anbieter wäre für Obtree nicht in Frage gekommen, zumal die naheliegendste Wahl Day an solchen Kooperationen wenig Interesse zeigt.
(Urs Binder, InfoWeek.ch)