«Spur halten ist Erfolgskriterium»

Welche Zukunft hat der PC-Markt? Wie sieht der Consumer-PC der Zukunft aus? Warum hat Fujitsu Siemens nicht stärker von der HP-Compaq-Fusion profitiert? Adrian von Hammerstein, CEO von Fujitsu Siemens Computers, gibt die Antworten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/03

     

IT Reseller: Die Trends sprechen gegen Fujitsu Siemens als PC-Hersteller: Die Investitionszyklen
haben sich verlangsamt, die Rechenleistung wandert mit dem «Server-based Computing» zurück ins Rechenzentrum. Ist der Bau von PCs für Sie noch strategisch?
Adrian von Hammerstein: Wir verstehen uns als IT-Infrastrukturanbieter. Wir bedienen also unsere Kunden mit dem gesamten Spektrum von mobilen Clients bis hin zu hochverfügbaren Servern und Mainframes. Die Trends führen zwar zu Verschiebungen in unserem Produktspektrum, aber unsere Geschäftsbasis als Ganzes verändert sich nicht.
Aber könnte es sein, dass Fujitsu Siemens die PC-Fabriken verkauft oder aus dem Geschäft für Business-Clients aussteigt?
Es gibt einen starken Trend zu mobilen Clients – hier haben wir einen strategischen Schwerpunkt gesetzt – und zu Thin Clients. Aber der traditionelle Desktop wird so schnell nicht verschwinden und ein wichtiger Bestandteil der IT-Infrastruktur bleiben. Bei vielen Anwendungen will der Kunde gar nicht, dass die Daten mit mobilen Geräten das Haus verlassen. Gerade Banken finden es ganz gut, wenn der Client fest installiert ist.

HP und IBM haben ihre PC-Fabriken verkauft...

Wir stellen fest, dass bei der PC-Fabrikation die Outsourcing-Begeisterung abnimmt. Outsourcing kann grosse Vorteile bringen, ist aber kein Allheilmittel. Um von Outsourcing zu profitieren, muss man sehr sehr klar definierte Schnittstellen und stabile Prozesse haben. Der Nachteil beim Outsourcing ist, dass man ein gewisses Mass an Flexibilität und Reaktionsfähigkeit verliert.
Von aussen gesehen entsteht der Eindruck, als ob sich bei Fujitsu Siemens nichts geändert hätte. Wir bauen Consumer-PCs in Thüringen und professionelle Maschinen in Augsburg. Doch unsere Prozesse in den Fabriken sehen heute ganz anders aus als noch vor ein paar Jahren.

Was hat sich denn verändert?

Heute bauen wir die Barebones für Desktops in China. Günstige Komponenten wie die Stromversorgung oder die Stecker, bei denen die Arbeitskosten entscheidend sind, werden in China montiert. Diese Barebones haben einen relativ geringen Preiszerfall, und man kann sie ohne weiteres auf ein Schiff laden und sechs Wochen lang nach Europa schippern.
Die nächsten Schritte müssen aber nahe am Kunden erfolgen. Erst wenn wir einen Kundenauftrag haben, bauen wir die höherwertigen Komponenten wie Prozessoren oder Harddisks ein. Denn diese Komponenten sind teurer, binden also mehr Kapital, sie sind oft kundenspezifisch und unterliegen zudem einem hohen Wertverfall. Durchschnittlich verlieren Komponenten im PC-Geschäft ein Prozent des Wertes pro Woche.

Sie bauen also wie Dell oder Maxdata ausschliesslich auf Kundenbestellung hin?

Unser Geschäft hat einen starken BTO-Anteil. Auch bei festen Konfigurationen assemblieren wir erst, wenn der Auftrag da ist. Die Kunst ist es ja, die Bestände über die ganze Wertschöpfungskette hin so niedrig wie möglich zu halten.
Die üblichen sechs oder acht Wochen Channel-Inventar haben Sie aber trotzdem noch?
Acht Wochen sind zuviel! Das Ideal wäre zwei Wochen. Die Realität liegt zwischen zwei und vier Wochen. Das Channel-Inventar schwankt je nach Partner und hängt ausserdem von der Versorgungslage ab. Unter dem Strich stehen wir vor der Herausforderung, unser Geschäftsmodell zusammen mit den Distributionspartnern so effizient zu machen wie jenes von Dell.
Dürfen wir Ihre Aussage als klares Bekenntnis sowohl zum Business-PC wie auch zum Produktionsstandort Deutschland interpretieren?
Ja, beides. PCs sind ein wichtiger Bestandteil der IT-Infrastruktur. Man muss ein wettbewerbsfähiges Portfolio anbieten. Das hat ja inzwischen sogar IBM erkannt.
Im Consumer-Markt steht Fujitsu Siemens in der Schweiz auf Platz 1. Es ist unbestritten, dass es einen «fetten Client» braucht. Allerdings fragt man sich, ob der PC der Zukunft nicht auch ein Fernseher sein wird und von Sony gebaut werden wird. Welche Überlegungen stellen Sie für die Zukunft des Consumer-PCs an?
Das Home-Umfeld ist äusserst dynamisch und interessant. Breitband-Anschlüsse, mobile Clients und drahtlose Netzwerke halten rasant im Haushalt Einzug. Als Familienvater kann man mittlerweile entscheiden, ob man die Bohrmaschine in die Hand nehmen will, um das Haus zu verkabeln, oder ob man für 100 Euro einen Wireless LAN-Accespunkt kauft. Ich glaube hingegen nicht, dass man den PC im Haushalt durch Unterhaltungselektronik ersetzen wird.

Fujitsu Siemens hat selbst auch mit All-in-one-Geräten experimentiert.

Damit sind wir heute noch unter dem Titel «Activy» zugange. Auf der Cebit werden wir diese Geräte ziemlich gross herausstellen. Aber es geht nicht darum, den PC im Arbeits- oder Kinderzimmer zu ersetzen, sondern wir wollen ihn zusätzlich ins Wohnzimmer bringen. Die Frage bleibt natürlich, warum man im Wohnzimmer PC-Technologie einsetzen sollte. Es gibt ja eine riesige CE-Industrie, die in diesem Markt schon zu Hause ist.
Ich habe dazu zwei Antworten. Erstens geht es um Volumina. Pro Jahr werden etwa 150 Millionen PCs gebaut. Darauf lässt sich, rein von der Menge her, gut aufbauen. Zweitens bietet die PC-Technologie sehr viel Flexibilität und damit eine Vielfalt von Möglichkeiten. Was in welcher Kombination den Markt aufbrechen wird, weiss heute keiner. Aber mit PC-Technologie kann man alles abdecken: Internet, Multimedia mit verschiedenen Quellen, Fotografie und Video. Bei auf eine Aufgabe spezialisierten Geräten wird man immer viele verschiedene «Kisten» haben. Das will heute doch keiner mehr. Die Reduktion der Komplexität ist das Thema.
Fujitsu Siemens forscht also ganz konkret am Home-Entertainment-Center der Zukunft?
Sicher. Den ersten Markt sehen wir mit Highend-Applikationen, zum Beispiel für Hotels. Sie installieren solche Highend-Entertainment-Center, weil sie mit «Pay-per-View» schnell einen Return on Investment erreichen. Wir haben auch schon Luxusdampfer ausgestattet und sind in Krankenhäusern mit unserer Box vertreten. Zudem verfolgen wir Pilotprojekte mit einer Reihe von Telecoms.

Fujitsu Siemens stösst damit in ganz andere Märkte vor.

Es ist noch nicht klar, wie solche Geräte vertrieben werden. Denkbar ist der Vertrieb über Telcos, Provider oder Retailer. Auch die Geschäftsmodelle sind noch nicht klar. Es gibt da spannende Modelle, zum Beispiel, dass Provider die Geräte subventionieren und im Gegenzug einen Teil der Festplatte zugesprochen bekommen, den sie mit Inhalten bespielen. Die Technologie ist kein Flaschenhals mehr. Breitband in den Haushalt ist neben Mobilität einer der Megatrends der nächsten Jahre. Da möchten wir dabei sein.
Themawechsel: Fujitsu Siemens ist in einer Sandwich-Position. Sie sind keiner der grossen, weltweit operierenden Player, und gleichzeitig gewinnen von unten her die Assemblierer laufend Marktanteile. Michael Dell sagte ja sogar, Fujitsu Siemens habe keine Existenzberechtigung.
Sie dürfen Fujitsu Siemens nicht nur für sich alleine betrachten. Wir sind ein Joint-Venture von Siemens und Fujitsu. Fujitsu Siemens Computers deckt vertrieblich EMEA ab, Fujitsu Amerika und Asien. Gemeinsam haben wir eine weltweite Abdeckung.
Auf der Produktseite ist es ähnlich. Wir von Fujitsu Siemens machen bestimmte Produkte, Fujitsu macht andere. Fujitsu baut Notebooks und Unix-Server, wir Intel-basierte Server und PCs. In der Produktentwicklung besteht eine saubere Arbeitsteilung und keine Redundanzen. Das ist der Grund, warum wir uns eine so breite Produktpalette leisten können.
Wir sind jedenfalls wesentlich grösser als Fujitsu Siemens alleine. Auch Siemens ist ein Technologie-Powerhaus, von dem wir profitieren, zum Beispiel vom Kommunikations-Know-how.
Marktnähe ist oft wichtiger als die reine Grösse. Wir sind im europäischen Markt zu Hause, haben unsere Forschung und das Marketing hier in Europa. Damit haben wir kurze Wege zum Kunden, was ein grosser Vorteil ist gegenüber einem Player, der beispielsweise in Texas seinen Hauptsitz hat. Man sollte Skaleneffekte in unserem Geschäft nicht überbewerten. Es gibt auch, aus rein organisatorischen Gründen, «diseconomies of scale».

Gelten diese Argumente auch für das Service-Geschäft?

Das ist ein wichtiger Punkt. Wir verstehen uns ausschliesslich als IT-Infrastruktur-Anbieter. Wir haben keine Absicht, zu einem Service-Anbieter zu mutieren und unsere Partner zu konkurrenzieren. Wir werden nur soviel Services anbieten wie notwendig, um unseren Kunden IT-Infrastrukturlösungen zu bieten. Da unterscheiden wir uns ganz klar von anderen Spielern in diesem Markt.
Ich habe erwartet, dass Fujitsu Siemens sehr stark von der HP-Compaq-Fusion profitieren würde. Das scheint nicht eingetreten zu sein?
Wir werden signifikant von der Übernahme profitieren und Marktanteile gewinnen. Viele Partner haben wir neu für uns gewonnen und zertifiziert. Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, aber es braucht Zeit. Die Partner wollen zuerst schauen, was HP denn nun macht. Einen zusätzlichen Lieferanten aufzunehmen ist mit Kosten verbunden. Das macht man erst dann, wenn es wirklich sinnvoll ist.
Aber die Resonanz seitens des Channels ist hervorragend, und wir glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir denken auch nicht über eine Änderung der Strategie nach.

Das wird der Channel aber gerne hören...

Ich muss zugeben, dass wir früher auch nicht sehr «predictable» waren. Deswegen fühlen wir uns jetzt auch besonders verpflichtet, den Kurs zu halten. Wir bewegen uns natürlich in einem sehr dynamischen Umfeld. Das heisst, man muss eine Strategie regelmässig überprüfen und gegebenenfalls auch anpassen. Aber ich bin überzeugt, dass «Spur halten» ein wichtiges Erfolgskriterium ist. Entscheidend ist, dass die gewählte Strategie konsequent und operativ exzellent umgesetzt wird.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie müssen als CEO von FSC laufend Entscheide treffen, die von ihrer Einschätzung der Zukunft abhängen. Wie gehen Sie damit um? Aufgrund von welchen Informationen machen Sie Einschätzungen?
Ich gehe vor Entscheidungen immer raus und rede mit Kunden und Partnern, aber auch mit Telecom-Operatoren und den Kabel-Leuten. Das sind letztlich die Leute, die ihr Geld ausgeben müssen. Wenn ich von Kunden und Partnern keinen Bedarf spüre, bin ich von vornherein sehr skeptisch. Je marktgetriebener eine Strategie ist, desto besser. Wir sind in diesem Punkt noch in einem Veränderungsprozess. Historisch war ja ein grosser Teil der Firma sehr stark technologiegetrieben.
Viele Entscheidungen lösen übrigens keine Paradigmenwechsel aus, sondern sind evolutionär. Es geht also um die Verbesserung von existierenden Produkten, Prozessen und Marktauftritten.
Und dann ist mir auch das Gespräch mit meinen Kindern wichtig. Sie sind heute schon wichtige Kunden der IT-Industrie und werden die Entscheider von morgen sein. Sie haben oft eine ganz andere Sicht als meine Generation. (Interview: hc).


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