Anbieter wie
Cisco und
Nortel verkünden seit Ende der Neunzigerjahre lautstark, dass die Zukunft der Telekommunikation bei Voice over IP (VoIP) und in der Zusammenlegung von Daten- und Sprachnetzen liege. Doch die angekündigte VoIP-Revolution vermochten sie nicht wirklich loszutreten.
Nun scheint seit etwa anderthalb Jahren zumindest eine Evolution in Gang gekommen zu sein: Verbesserte Technologien, günstigere Kosten und bessere Sprachqualität bringen immer mehr grosse Organisationen dazu, Schritt für Schritt auf IP-Telefonie umzustellen.
Kanton Waadt als Vorreiter
Bei den öffentlichen Verwaltungen gilt die Waadt neben den Kantonen Zürich und Basel-Stadt als Vorreiterin. Bereits 1999 betrieb sie als erster Kanton eine VoIP-Pilotinstallation mit 30 Telefonapparaten. Heute unterhält die kantonale Verwaltung der Waadt mit einem Glasfasernetz und rund 1500 angeschlossenen Telefonen das grösste VoIP-Netz der Schweiz.
Ein Grund für diese Pionier-Rolle ist wohl darin zu suchen, dass die kantonale Verwaltung mit ihren 25’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der grösste Arbeitgeber der Westschweiz ist und eine leistungsfähige Kommunikationsstruktur braucht.
Aber auch die Nähe der in Lausanne ansässigen EPFL und der Fachhochschule in Yverdon dürften sich positiv ausgewirkt haben. So klärte die Ingenieurschule Yverdon für das Centre Cantonal des Télécommunications (CTT) im Vorfeld der Implementation ab, ob Zuverlässigkeit und Qualität der IP-Telefonie mit den traditionellen Nebenstellenanlagen mithalten können.
Heute erachtet der Chef des CTT, André Bourget, dies als erwiesen. Ausserdem lobt er die betrieblichen Vorteile der VoIP-Lösung und verweist auf die einfache Installation, die zentrale Verwaltung der Benutzer, die virtuelle PBX, die einfache Web-Schnittstelle und das kostenlose Telefonieren innerhalb des eigenen Datennetzes.
Bourget: «Laut Angaben unserer Buchhaltung sind die Betriebskosten um 20 Prozent und die Personalkosten gar um 25 Prozent gesunken. Wir dürften also in diesem Jahr dank der IP-Telefonie rund eine Million Franken einsparen.»
Entsprechend der Komplexität des kantonalen Netzes sind mehrere Lieferanten am neuen System beteiligt.
Cisco lieferte die Router, Switches und Call Manager.
Ascom und
Getronics übernahmen die Installation, und
T-Systems stellt als Outsourcing-Anbieter das Netz mit den Gateways zum traditionellen Telefonnetz zur Verfügung.
Die kantonale Verwaltung will ihr Telefonnetz nun schrittweise vollständig in das IP-Netz überführen. Es ist vorgesehen, dass bis Ende Jahr 2500 der insgesamt 10’000 Apparate am IP-Netz angeschlossen sein werden.
Entscheidend ist der Mehrwert
«Allein der eleganten Technologie wegen stellt kein Unternehmen auf ein konvergentes Netzwerk um», meint der Marketingverantwortliche von
Nortel Networks für die Schweiz, Österreich und Osteuropa, Axel Menning-Pusta. «Der Grund liegt vielmehr im zu erzielenden Mehrwert und in der höheren Produktivität. Der äussere Anlass für die Umstellung ergibt sich meist, wenn Telefon- und Netzwerk-Komponenten ersetzt werden müssen, oder wenn ein neuer Standort bezogen wird.»
Dies war bei der Öffentlichen Krankenkasse (ÖKK) Graubünden der Fall, die ihren Hauptsitz in Landquart im letzten Jahr in ein neues Gebäude verlegte. Statt die bestehende Telekommunikationsanlage zu migrieren, entschied man sich für eine neue IP-Lösung.
Swisscom Systems implementierte eine massgeschneiderte Enterprise-Lösung auf der Basis von Nortel Succession. Die bisherigen Endgeräte wurden durch IP-Phones und drahtlose DECT-Apparate ersetzt.
Dank CTI (Computer Telephony Integration) können die Mitarbeiter in Landquart heute Telefonnummern über ihren PC anwählen. Ausserdem profitieren sie von einer Unified Messaging Plattform mit einer einzigen Mailbox für Anrufe über drahtlose und drahtgebundene Telefone.
In der nächsten Phase des Projekts werden die regionalen Agenturen in die neue Architektur integriert. Mit Nortels Communication Server, Signaling Server und Media Gateway lässt sich diese über das gesamte WAN aufbauen. Die mit Gateways angeschlossenen Niederlassungen bieten dann den gleichen Komfort wie die Lösung am Hauptsitz.
René Galliard, der Leiter Personal & Organisation der ÖKK, stellt fest: «Wir sind mit dem heutigen Stand der Lösung sehr zufrieden. Natürlich gibt es immer Details, die man besser machen könnte. Beispielsweise haben wir die Bedeutung der Schulung unterschätzt. Eine praktische Einführung als Ergänzung zur Abgabe des Handbuches wäre effizienter gewesen und hätte wohl auch manche skeptische Stimme zum Verstummen gebracht.»
Die Mitarbeiter vorbereiten
Auf diesen Punkt legte die Schweizer Niederlassung des weltweit tätigen Baustoffkonzerns Holcim und Dimension Data als deren VoIP-Partner besonderen Wert. Auch hier war der Umzug in ein neues Gebäude der Anlass zur Umstellung. Massimo Fini, der Leiter IT Operations und Services bei Holcim, erzählt: «Im Mai 2002 sind insgesamt 180 Personen in die neuen Räumlichkeiten in Zürich umgezogen.
Bei dieser Gelegenheit wurden die Benutzer auf Windows 2000 umgestellt, ein neues WAN (Wide Area Network) in Betrieb genommen und das neue IP-Telefonsystem aufgeschaltet. Zur Einschulung in das neue Telefoniesystem haben wir schon einige Zeit vor dem Umzug auf unserer Website ein Lern-Programm installiert. In den neuen Räumlichkeiten bekamen die Mitarbeitenden dann zusätzlich eine Informationsmappe mit den Hauptfunktionen der Telefone.
Bei den Feedback-Sitzungen zwei Wochen später bekamen wir sehr positive Kommentare zu hören. Die Anwender nutzten die neuen Funktionen praktisch von Beginn an.»
Holcim beschäftigt in der Schweiz rund 1400 Mitarbeiter an 30 Standorten. Die Installation im Hauptsitz umfasst 250 IP-Telefone. Die Anrufe werden vom Call-Manager von
Cisco verwaltet, die Kommunikation erfolgt über das lokale Netzwerk. Fini: «Dank der Inline-Power-Struktur benötigen wir für den Anschluss von Telefon, PC und Stromzufuhr nur ein Kabel pro Arbeitsplatz. Das LAN haben wir wegen der dadurch entstandenen, grossen Abhängigkeit so ausgelegt, dass Ausfälle jederzeit kompensiert werden.»
Teuer aber konkurrenzfähig
Eine wichtige Forderung bei Holcim war die Integration von
SAP, Lotus Notes und Directory Services in das VoIP-System. Das Phone Directory etwa wurde aus Lotus Notes integriert. Es kann von jedem beliebigen Telefon aus abgefragt und die Nummer direkt angewählt werden. Unbeantwortete Anrufe werden automatisch zu einem definierten Ansprechpartner weitergeleitet.
In absehbarer Zukunft soll am Produktionsstandort Eclépens die gleiche Lösung installiert werden. Überdies will man nach und nach sämtliche Standorte auf IP-Telefonie umstellen. Eine virtuelle Telefonzentrale für die gesamte Holcim Schweiz wird es ermöglichen, dass ein Mitarbeiter bei Standort- und Arbeitsplatzwechseln immer die gleiche Telefonnummer behält.
Betrieb und Support werden mit den internen Mitarbeitern abgedeckt, die auch das Netzwerk betreuen. Dazu kommen Einsparungen im Breich Verkabelung und Umzüge. Fini: «Obwohl die IP-Geräte relativ teuer sind, erwies sich die Lösung damit als konkurrenzfähig.» (fis)