Vitale Zeichen aus der Telecom-Industrie

Wer letzte Woche in Genf an der ITU Telecom World 2003 unterwegs war, erhielt ein Bild davon, wo die gegenwärtigen Herausforderungen in der Telecom-Industrie liegen und wie sie wahrscheinlich gelöst werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/18

     

Letzte Woche trafen sich Keyplayer und Prominenz der weltweiten Telekomindustrie anlässlich der ITU Telecom World 2003 Expo und Konferenz in Genf. Trotz weniger Ausstellern und weniger Ausstellungsfläche als im Boomjahr 1999 bei der letzten Austragung dieser vierjährlichen Grossveranstaltung, beherrschte leichter Optimismus den Anlass.
Dies liegt wohl nicht nur an der Hoffnung, dass die Krisenjahre durchgestanden sind, sondern auch an dem Wachstum, das sich trotz Krisenstimmung in den letzten Jahren fortgesetzt hat. Trotz sinkender Kommunikationspreise ist der weltweite Gesamtumsatz der Carrier in den letzten Jahren gewachsen.
Dass für ein weiteres Wachstum in erster Linie die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden erfüllt werden müssen, ist mittlerweile auch in den Chefetagen bemerkt worden. Dazu müssen die Produkte brauchbar, kostengünstig und einfach verfügbar sein. In Sachen Technologie war denn an der Telecom World 2003 auch eher Evolutionäres als Revolutionäres zu sehen: VoIP, WiFi, UMTS/3G und Value-Added Services waren Hauptgesprächsstoff.

Zukünftiges

Dass sich sowohl im Backbone- wie auch im Enterprise-Bereich SIP immer mehr als der VoIP-Standard durchsetzt, war in Genf deutlich zu spüren. Selbst Cisco zeigte im verborgenen eine SIP-basierende Enterprise-Lösung. Industrieinsider wie Raphael Oeschger, Profitel-Verwaltungsrat, sehen VoIP im Augenblick primär in Bereichen, in denen genügend garantierte Bandbreite vorhanden ist.
Während viele Mobilnetzprovider GPRS- und erste UMTS-Lösungen für PDAs und Handsets zeigten, demonstrierten die Leute aus dem Land der aufgehenden Sonne, wie die hiesige nahe Zukunft aussehen wird. Bei NTT Docomo ist UMTS (3G) schon seit fast zwei Jahren in Betrieb und die Probleme des Zusammenspiels zwischen 2G und 3G-Netzwerken vollständig gelöst.
Entsprechend tüfteln die Ingenieure bereits am 4G-Netzwerk, das mit neuartigen Übertragungsverfahren Datendurchsätze bis zu 100 Mbit/s liefern soll. Kommt es in unseren Breitengraden wie in Japan, so darf man sich freuen: Bei NTT Docomo sind die Preise für die Nutzung von FOMA (UMTS/3G) 15 bis 40% tiefer als für MOVA (2G).

Handfestes

Was wäre eine Ausstellung ohne Microsoft (siehe Seite 14) und Intel. Während sich Intel vorwiegend auf Telecom-Server und WiFi konzentrierte, breitete sich Microsoft über die ganze Expo aus. IBM, Sun und HP gingen im Vergleich dazu fast unter.
PDAs und Smartphones wurden sowohl von Herstellern wie auch von Mobilnetzbetreibern gezeigt. Oft anzutreffen war dabei der Blackberry von Research in Motion. In der Masse der vielen gezeigten Modelle gab es aber keinen eigentlichen Star.
Durch die Absenz von Nokia waren deren Geräte zwar unterproportional vertreten, doch zeigte sich, dass es auch von den anderen Anbietern für jedes Bedürfnis eine riesige Auswahl gibt.

Halbgegorenes

In Sachen WiFi sucht die ganze Industrie nach einer kommerziell erfolgversprechenden Lösung für den Betrieb von Hotspots. Nachdem sich die Technologie vor allem im Enduser-Bereich durchgesetzt hat, sind die Kosten für das Errichten und den Betrieb eines Hotspots auf wenige Tausend Franken gesunken.
Bei kommerziellem Betrieb verursachen aber die Authentifizierung, das Roaming und die Rechnungsstellung technische Probleme und überproportionale Kosten. Drei unterschiedliche Ansätze wurden dazu in Genf gezeigt: Authentifizierung über die SIM-Karte eines Mobiltelefons mit Einzelbelastung über die Mobiltelefonrechnung, Prepaid-Karten nach dem Vorbild jener für Handys, wobei der Kartencode gleich auch für die Authentifizierung gegenüber dem Hotspot verwendet wird und schliesslich Flatrate-Abonnemente mit Authentifzierung über die SIM-Karte.
Zusammen mit Roaming-Agreements und -Standards sollen diese Verfahren helfen, das Modell des kostenpflichtigen Hotspots besser zugänglich zu machen.

Eidgenössische Gemeinschaftsstände

Unübersehbar war die Schweizer Beteiligung am Genfer Mega-Anlass. Nebst den grösseren Firmen wie Swisscom Mobile, Kudelski und Schmid Telecom, die alle einen eigenen Stand hatten, war eine Vielzahl von Firmen auf einem der beiden Gemeinschaftsstände anzutreffen. Der eine Gemeinschaftsstand war von Business Network Switzerland organisiert, während sich auf dem zweiten die Region Lake Geneva zeigte.
Sowohl Lightning Instrumentation, welche eine verbesserte Produktlinie im Bereich Gateways für eine sichere Internet-Kommunikation vorstellte, wie auch Apliware, die ihr neues Linux-Betriebssystem für Telecom-Server zeigte, nutzten die Gelegenheit des Auftritts für Neuvorstellungen. Die meisten vertretenen Schweizer Anbieter konzentrierten sich in erster Linie auf die Kunden- und Kontaktpflege.
David Marcus, CEO von Echovox, einem Anbieter von Infrastruktur für value-added Messaging (SMS/MMS), bestätigte dies. Für ihn ging es vorwiegend darum, sich mit bestehenden und potentiellen Kunden zu treffen mit denen er sich grösstenteils schon vor der Expo verabredet hatte.
Die meisten der befragten Aussteller waren positiv überrascht ob der Nachfrage nach Produkten und Diensten an ihren Ständen. So hat die ITU Telecom World 2003 schliesslich gezeigt, dass der Telekom-Markt lebt - auch nach der Krise.
(Christoph Jaggi)


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